Merzouga ~ Eingang zur Sahara
3-Tagestrip ~ v. Mi. 17.5. bis Fr. 20.5.2011
Es wurde, wie sich
herausstellen sollte, ein etwas anderer Trip, als gedacht. Ich buchte ihn bei Kamal als nicht von einem Guide geführte Tour, nachdem ich mich entschlossen hatte, ihn doch nicht auf eigene Faust
zu unternehmen. Lange genug hatte ich mit dieser Entscheidung herumgeeiert, bzw. darauf gewartet, dass sich das Minimum von 6 Leuten für eine geführte Tour zusammenfinden würde. Und als das auch
am vierten Tag immer noch nicht absehbar war, wollte ich nicht länger warten und war dann später auch froh, mir all die Dinge unterwegs ohne vorher gebuchten Führer anschauen zu können. Zumal es
fast bei jedem Stopp einen Einheimischen gab, der uns für ein paar Dirham z.B. durch die älteste, von der UNO als Weltkulturerbe ausgezeichnete Kasbah oder einen Berber Ort, incl. Teppichweberei
führte. All das fand ich sogar recht interessant, im Gegensatz zu manch anderen früheren Führungen. Und wie immer, sprachen diese Jungs ein wenig Deutsch, was jedes Mal zur allgemeinen
Belustigung beitrug.
Der kleine Ort, in der Nähe von Ouarzazate, in dem sich diese Kasbah auf einem Hügel befindet, war aber noch aus einem anderen Grund etwas Besonderes. Hatte diese Kasbah und ihr Umfeld doch vor
der Auszeichnung der UNO als Kulisse etlicher Filme gedient. Lwarence von Arabien, der Gladiator, ein Film mit Jean Claude van Damme und etliche andere sind hier gedreht worden. Die Arena, in der
George Clooney gekämpft hatte, musste auf Grund der erst nach dem Dreh erfolgten Seligsprechung der Uno gar wieder abgerissen werden. Sie wurde dann in Ouarzazate im Filmmuseum wieder aufgebaut,
wie vieles andere auch.
Und vielleicht weil das Ganze so filmgeschichtsträchtig war, konnte folgendes passieren. Als ich oben, an einem der höchsten Punkte der Kasbah stand und nach uns Georgy Ausschau hielt, hörte ich
neben mir plötzlich vertraute Laute. zwei Männer und eine Frau unterhielten sich doch glatt auf Deutsch. Und da sie nicht so touristisch aussahen, wie andere in Marrakesch oder wo immer zuvor,
quatschte ich sie an und erfuhr, dass sie Filmleute von SAT 1 seien, die in der Nähe einen Herz-Schmerz-Streifen in einer Oase zu drehen hatten und auf Grund des Regens in den letzten Tagen einen
drehfreien Tag zum Besuch dieser Stätte genutzt hätten. Jawoll Regen. Und drehfrei deshalb, weil ein kleiner Bach durch den Regen der letzten Tage so angeschwollen war, dass die Oase nicht mehr
erreicht oder verlassen werden konnte. Die Geschichte kennt jeder, der als Pimpf Wüstenabenteuer verschlungen hat und somit weiß, dass ein Wadi bei Regen blitzschnell zum reißenden Fluss werden
kann.
Und Regen sollte sich auch als Begleiter unseres Trips erweisen. Beinahe ganz im Sinne des alten Films oder Buchs von Walt Disney „Die Wüste lebt“. Wer kennt eins oder beides noch? Ich habe
damals als Junge sowohl den Film als Schulfilm gesehen und das Buch geschenkt bekommen. Somit konnte ich mich noch gut an die spektakulären Aufnahmen erinnern.
Nun war mein Sahara Trip sicher nicht so spektakulär, aber es war schon ein etwas abenteuerlicherer Trip, da schon tagsüber, als wir auf unseren Dromedaren zu den blauen Tuaregs ins Camp ritten,
relativ starker Wind herrschte, der den Sand munter durch die Gegend blies. Er landete überall, in den Ohren, in den Haaren, zwischen den Zähnen, in den Taschen usw. Und somit blieb meine Kamera
meistens im Plastikbeutel, aus Schiss vor dem feinen Sand und möglicher Konsequenzen in Form einer Beschädigung oder gar Zerstörung. Wie Kamal erzählte, schafft der feine Sand auf solchen
Wüstentrips jedes Jahr die Kameras von ca. 30 seiner Gäste, weil sie in der sandträchtigen Luft munter drauflos fotografierten. Und in diese Riege der Kamera-Geschädigten wollte ich mich nicht so
gerne einreihen.
Dabei hatte ich mir meinen Aufenthalt in der Sahara ähnlich vorgestellt, wie damals in der Wüste Gobi, nahezu windstill, so dass ich problemlos auch hier zu entsprechenden Fotos kommen würde.
Aber es gab kaum einen Moment auf dem ganzen Ritt zum Camp und später, an dem ich mich traute, meine Kamera auszupacken, obwohl der Auslösefinger oft genug zuckte. Dazu war die Landschaft und
alles einfach zu beeindruckend. Aber sie war auf irgendeine Art anders, als die Gobi. Auch etwas, was ich nicht gedacht hätte. Die Dünen hier waren höher und dabei langgezogener. Trotzdem kamen
sie mir nicht so majestätisch vor. Was aber daran gelegen haben mag, dass ich damals für eine gewisse Zeit allein, ohne den unmittelbaren Kontakt zu den anderen durch die Dünen streifen konnte.
Und da auch das Licht anders war, wirkten sie hier noch einmal anders. Außerdem waren wir damals ja nur bis an den Rand der großen Sanddünen geritten, dann abgestiegen und für eine Weile uns
selbst überlassen. Dieses Mal gab es ja einen Ritt, der uns ein Stück weit in die Wüste hinein führte. Und als uns unsere Dromedare dann nach einem eineinhalb Stundenritt über die letzte Düne
brachten, lag es unter uns, das Lager der Tuaregs, das winzig unterhalb einer dieser hohen Dünen lag. Ich schätzte sie auf mehr als 100 Meter hoch. Die Tiere blieben, bis auf zwei, die wohl die
Fressalien und sonstiges trugen, oben auf unserer Ankunftsdüne und wir stapften neben ihnen durch den Sand und die unzähligen von der Sonne getrockneten Kamelküddel hinunter, um unsere Zelte zu
beziehen. Die beiden Frauen und das Paar hatten jeweils ein Zelt für sich, während uns die „blauen“ Jungs ein größeres Zelt zur Verfügung stellten. Und da sich der Tag schon langsam neigte, hieß
es, dass wir vorm Abendbrot noch auf besagte 100 Meter Düne klettern könnten, um dort den Sonnenuntergang zu beobachten.
Manoman, war das 'ne Viecherei. Ganz anders als in der Gobi, wo die Dünen aus festem Sand bestanden, in den man kaum einsackte und auf dem man leicht nach oben gehen konnte. Nur am Dünenkamm,
über den der Sand geblasen wurde, war er weicher. Aber hier, in der Sahara, bekam ich eine Ahnung davon, wie kräftezehrend es für jemanden sein muss, der sich in der Wüste verirrt und durch den
schier endlosen Sand irrt. Er brach fast bei jedem Schritt immer wieder ein oder ab, so dass ich bei zwei Schritten vorwärts, eineinhalb Schritt zurück rutschte und außerdem einsackte. Und das
bei beständigem Beschuss durch den fliegenden Sand. War ich froh, meine Regenjacke mit Kapuze angezogen zu haben, obwohl mir siedendheiß beim Aufstieg wurde, und ich einige Male daran dachte, auf
den Sonnenuntergang zu pfeifen.
Aber ähnlich wie damals in China am Mount Tai Shan, war ich dann auch oben angelangt. Zwar als Vorletzter, meinem Tempo entsprechend und nicht in dem der Youngsters. Um dann oben festzustellen,
dass der Wind hier in Böen noch heftiger wehte und den Sand noch stärker durch die Gegend und über den Dünenkamm pustete, dass man fast schon aufpassen musste, um nicht umgeweht zu werden.
Aaaaber ~ wer wollte ~ konnte in den Genuss einer Sanddusche kommen. Um in diesen Genuss zu kommen, brauchte man sich nur einen Schritt auf die andere Dünenseite zu stellen und der Sand prasselte
auf einen, als befände man sich in einem riesigen Sandstrahlgebläse. Allein schon das Zuschauen faszinierte. Unser kleiner Japaner ließ die Prozedur mit nacktem Oberkörper über sich ergehen. Wo
der sich wohl später überall den Sand herauspuhlen musste?
Nur in wenigen Momenten, in denen ich meine Kamera durch meinen Körper und meine Jacke so halbwegs geschützt glaubte, traute ich mich, auch hier oben vom Geschehen ein paar Bilder zu schießen.
Szenen, die sich sicher auch in einem Film gut machen würden. Was man allerdings vom angekündigten Sonnenuntergang nicht gerade behaupten konnte, denn durch den vielen Sand in der Luft war alles
so diesig, als wäre es nebelig, so dass alles nur in ein letztes fahles Licht getaucht war. Erst beim Abstieg ließ sich so etwas wie eine Sonnenuntergangstimmung über den Dünenkämmen
erkennen.
Unser Wüsten Abendbrot fand dann in einem ähnlich großen Zelt, wie unser Schlafzelt, an kleinen Tischchen auf dem Fußboden sitzend statt. Es gab~ wie konnte es anders sein ~ eine Beduinen Tajine,
die sich hinter all den anderen, die ich bereits gegessen hatte, absolut nicht zu verstecken brauchte. Und natürlich den obligatorischen Minztee. Ob ich den jemals wieder unbedarft schlürfen
kann?
Anschließend gab's dann draußen im Dunkeln, der Wind hatte sich gelegt, unter einem fantastischen Sternenhimmel ~ sogar den großen Wagen konnte ich ausmachen ~ noch eine Trommeleinlage, die ich
gerne aus einer gewissen Entfernung irgendwo außerhalb unseres Camps in den Dünen gehört hätte. Wenn ich mich denn getraut, bzw. man mich den alleine aus dem Camp gelassen hätte. Und dann war ~
wie früher beim Bund oder in der Jugendherberge ~ Zapfenstreich. Will heißen, wir wurden aufgefordert, schlafen zu gehen, weil es ja in aller Herrgottsfrühe früh schon wieder zurück gehen sollte.
Ungefrühstückt, wie sich dann bei aufgehender Sonne am anderen Morgen herausstellte. Das gab's erst in der Auberge in Merzouga, dort, von wo aus wir aufgebrochen waren.
Es war anfangs ein völlig anderer Ritt durch die noch fast im Dunkeln liegenden Dünen, durch die wir ~ anders als auf dem Herweg ~ zuerst nicht in zwei Gruppen, sondern alle aneinander gebunden
und mit nur einem Dromedarführer ritten, bzw. gingen. Die beiden anderen räumten wohl unser Durcheinander wieder auf. Anders als seinerzeit unsere mongolischen Führer, die jeweils auch auf einem
Kamel ritten, gingen unsere Tuaregs mit der Führleine in der Hand nebenher. Aber eine Weile später gesellte sich dann der zweite Führer doch noch zu uns. Er hatte eine Abkürzung gewählt und
tauchte als kleiner blauer Fleck plötzlich oben auf einer Düne auf und kam dann ziemlich schnell in riesigen Sprüngen von da oben zu uns herunter gesaust. Wie leicht das aussah, wenn ich dabei an
unsere Kraxelei vom Abend vorher denke. Und dann teilte er auch schon die große Gruppe wieder in zwei kleinere auf.
Was mir auf diesem Ritt aber auch sehr bewusst wurde, das ist der meilenweite Unterschied zwischen einem Ritt auf einem Dromedar und auf einem Kamel, auf dem man zwischen den beiden Höckern nur
auf einer Decke wie in Abrahams Schoß zu sitzen glaubt. Daher hatte ich diesen Ritt in der Gobi als äußerst angenehm empfunden, weich und sanft, wie auf einem bequemen Sofa sitzend, mit hoher
Rückenlehne und vorderem Stützpolster ausgestattet. Man hätte dabei schlafen können, ohne runter zu fallen. Wenn das Kamel in seiner typischen Weise aufstand, stützte man sich zuerst am vorderen
Höcker ab und lehnte sich dann entspannt gegen den hinteren. Niemand hatte das Empfinden, gleich vorwärts oder rückwärts herunter zu purzeln.
Das alles ist völlig anders bei einem Ritt auf diesem Tier mit nur einem Höcker. Der muss nämlich erst einmal mit zusätzlichen Dingen, wie Decken usw. sattelähnlich besitzbar gemacht werden. Wozu
auch ein Haltegriff gehört, an dem man sich gut festhalten muss, wenn sich das Tier aufrichtet, um nicht herunter katapultiert zu werden. Auch beim Reiten ist dieser Griff immer wieder eine gute
Hilfe, sich da oben auszurichten und nicht irgendwie in Schieflage o.ä. zu kommen. Und dieser Sattel-Decken-Turm, der sich da auf dem Höcker befindet, lässt einen denken, warum hast du bloß nie
gelernt einen Spagat zu machen. Und die Krönung des Ganzen ist dann der relativ hart Gang eines Dromedars. Er hat mich mächtig an meinem Ritt auf dem Elefanten erinnert. Wumm, wumm, wumm, ging es
die ganze Zeit, besonders dann, wenn es abwärts ging. Was es auszugleichen galt. Und am Besten kam man klar, wenn man sich dem Rhythmus des Tieres irgendwie anpasste. Nicht umsonst liest man im
Reiseführer, dass Leuten bei dieser Gangart schon schlecht wurde oder sich wund geritten haben. Was auf einem Kamel, wie ich es in Erinnerung habe, kaum passieren dürfte. Für mich war es eines
der schönsten Reiterlebnisse. Und so war ich auch nicht böse, dass unser Ritt jeweils nach eineinhalb Stunden zu Ende war.
Aber nicht nur tagsüber, sondern später in der Nacht pustete der Wind den Sand zuerst durch irgendwelche Öffnungen oder Löcher ins Zelt ~ und damit auch auf uns, was nicht gerade angenehm war ~
und brachte es dann sogar fast zum Einsturz. Zwei lange Zeltstöcke purzelten auf mich und unseren Japaner, was aber keine anderen Folgen hatte, als die Schrecksekunde und das Wissen, dass es
immer noch nix mit Schlafen war. Und dann gab es gegen 2:15 Uhr ein Gewitter mit Regen, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Taghell, donnerte es wie an einer Front, während die niedliche
junge Tuareg Katze andauernd um Hilfe schrie: „Mama, ich hab Angst, lass mich mit unter deine Decke.“
Mit Schlafen war es also aus den unterschiedlichsten Gründen nichts, zumal der Wind die Zeltbahn schon eine ganze Weile wie Schüsse knallen ließ. Wogegen sich selbst Ohropax als machtlos erwies.
Und als es dann zu gießen begann, stand wegen der vielen Löcher in der Dachzeltbahn ruckzuck alles unter Wasser ~ spätestens jetzt hätten, wie im Film, die Wüstenblumen aufgehen müssen ~ und
jeder rettete sich und seine Klamotten, in ein das Zelt, in dem wir gegessen hatten. Das hielt dann wenigstens stand und erwies sich bis auf ein paar kleinere Löcher sogar als dicht. Die Tuaregs
gaben sich reichlich Mühe, uns mit trockenen Decken zu versorgen, weil es recht frisch geworden war und um einen neuen Schlafversuch zu wagen.
Insgesamt gab es in der Nacht nur ca. 3 Stunden Schlaf, zumal um 6 Uhr bereits wieder geweckt wurde, und wir auf unseren Dromedaren zurück ritten. Einer der Tuaregs erzählte auf meine Frage, dass
es normalerweise drei- bis fünfmal pro Jahr in der Wüste regnet, dass aber in 2011 das Soll bereits mehrfach erfüllt worden sei.
Auch hier geht es wettermäßig also drunter und drüber. Und ausgerechnet an so einem Tag musste ich meinen Sahara-Trip buchen. Na ja, es hat ja dennoch Spaß gemacht. Genau wie zuvor auch die
beiden Trips ins Atlasgebirge, trotz aller Unwägbarkeiten. Dabei hätten wir ahnen können, was da auf uns zu kam. Ich, weil ich ja bereits von den Stuttgartern vorgewarnt worden war. Und wir alle,
weil im vorletzten Ort vor Merzouga gerade vor uns ein Wolkenbruch nieder gegangen sein musste, denn die Hauptstraße stand ca. 20 cm unter Wasser. Kinder und Erwachsene vergnügten sich
gleichermaßen in den gelben Fluten.
Tja, und nach einer nochmaligen Übernachtung im Riad Iaazane ging es weiter nach Agadir, einer schon ziemlich südlich gelegenen Stadt am Atlantik, wie der ein oder andere sicher weiß. Es ist
völlig anders hier, als in Marrakesch, und ich bin gespannt, wie es mir hier gefallen wird und wie lange ich hier bleiben werde. Zumal das Thermometer an meinem zweiten Agadir Tag morgens früh um
9 Uhr 30 bereits 39 Grad und nachmittags sogar 45 Grad zeigte. Da wusste ich, wieso ich bereits den Ankunftstag als fürchterlich heiß empfunden hatte.
Übrigens, wie ich in dem kleinen Büchlein „Kulturschock Marokko“ lesen durfte, gibt es im ganzen Land keine Tuareg, da diese nach wie vor als Nomaden in den anderen Wüstenländern durch die Gegend
ziehen. Alles, was hier blau verkleidet, mit dem speziellen Turban der Tuareg herumläuft, seien ~ weil es doch so werbewirksam ist und sooo gut aussieht ~ Berber. Was ja auch, die Wirkung
betreffend, stimmt, fühlte es sich doch ganz schön echt an. Halt für Touristen gemacht.
Fotos