Marrakesch ~  Teil 2


Jaaaa, es war wie immer für mich interessant, erst einmal völlig planlos durch den einen oder anderen Souk zu laufen und einfach zu schauen, wo ich landete. Ich war fasziniert von der Farbigkeit und der Vielseitigkeit, die überall auf jedem Quadratzentimeter herrschte. Und von den vielen, vielen Menschen ~ Marokkanern, Afrikanern, Frauen mit und ohne Schleier und ihren Kindern, Touristen aller Couleur, und das alles immer wieder durchdrungen von Fahrrädern, Mopeds, Motorrollern, Eselskarren, von Männern gezogenen Karren, Tuk-Tuk ähnlichen Gebilden, die allerdings nicht mit Personen, sondern nur mit Waren beladen fuhren. Teilweise ein wahrer Höllenkessel, der da brodelte. Vor allem, wenn sich alles auf einmal durch eines der vielen Nadelöhre drängen wollte.

Und natürlich habe ich mich auch in das eine oder andere kleine oder auch größere Geschäft locken lassen, auch wenn ich nicht vorhatte, irgendetwas zu kaufen. Z.B. in eines der Teppichgeschäfte, in dem ich erneut über jemanden stolperte, der mir alles über die Teppiche auf Deutsch erzählte. Da ich ihm aber gleich zu Anfang schon klar gemacht hatte, dass ich keinen kaufen und auch keinen nach Hause schicken wolle, ging das Ganze recht relaxt über die Bühne. Und da ich diese Masche beibehielt, lief es auch weiterhin ohne Querelen ab, und ich erfuhr interessante Dinge über diverse Gewürze, einschl. Mischungen, Minztee, Alaunbrocken als Deodorant, ein Pflanze, deren Blütenstängel wie Interdental Bürstchen benutzt werden, Schmierseife für den Hamam, kleine seifenähnliche Gebilde, die aber keine Seife waren, sondern über die Haut gestrichen werden und dabei ihren Duft an die Haut abgeben. Also Natur-Parfüm in Blockform. Und alles bunt zusammengestellt, ineinander geschachtelt, halt so, wie unsereiner sich so etwas in einem Souk nun mal vorstellt.

Als ich dann nach meiner ersten Runde von den Eindrücken (fast) überwältigt und fußlahm wieder in meinem Riad eintrudelte, war erst einmal eine späte Siesta marokkana fällig. Und danach war Essen auf dem inzwischen in eine große Fessmeile umgestalten Place Jemaa el Fna angesagt. Tajines der unterschiedlichsten Art, Couscous mit allem Möglichen, Suppe, Fladenbrote, Salate, Spießchen mit unterschiedlichem Aufgespießten, Fisch, Tintenfisch, Würstchen, ganze, gekochte Schafsköpfe, Schnecken, Gewürzkuchen und anderes Gebäck, Datteln und weiß der Geier was noch alles, war dort Stand an Stand incl. Sitzbänken aufgebaut. Und vor jedem Stand mehrere, wahrscheinlich Familenangehörige, die sich im Gäste-Anlocken den Rang abzulaufen versuchten.

Schwubs, hatte ich nun auch hier in Marokko meinen Spitznamen weg, Ali Baba, tönte es mir immer wieder entgegen. Aber nicht an die Märchengestalt angelehnt, sondern ganz einfach wegen meines Bartes, der im Kinnbereich ~ wie die der Einheimischen ~ ja etwas länger war. Und Baba steht halt für Bart, wie man mir sagte. Wobei sich mir entzieht, ob das Wort so richtig geschrieben ist.

An meinem ersten Abend habe ich mich nur über einen frisch gepressten Orangensaft und eine Suppe (Hagira) + Fladenbrot hergemacht und danach noch genussvoll eine Schüssel Schnecken ausgepuhlt und den Sud geschlürft. Insgesamt für 19 Dirham (ca. 1,5 Euro) Dann war ich reif fürs Körbchen. Der lange Tag und die vielen Eindrücke zogen so gekonnt gegen 21:30 Uhr den Stecker raus, so dass ich von den nicht gerade leisen Gesprächen der anderen im Innenhof kaum noch etwas mitbekam und das, obwohl um 22 Uhr eine muntere Truppe das vorh. Team zusätzlich noch verstärkte. Na ja, ein bisschen hatte ich mich zuvor noch meinem Notebook gewidmet, das ich ja nun seit meiner Abreise doch etwas stiefmütterlich behandelt hatte.

Dafür war ich am anderen Morgen aber auch schon um kurz nach 7 Uhr wach, einer Zeit, zu der sich absolut hier noch nichts tat. Also machte ich meinem elektronischen Begleiter klar, dass ich ihn nicht vergessen hatte und dachte, dass es, wie angekündigt, ab 8 Uhr Frühstück geben würde. Aber es wurde halb neun, neun und halb zehn und weder Lativa, Hakim oder Kamal, der dritte im Bunde, tauchten auf. Und da auch schon das Duschwasser nur kalt aus dem Hahn geflossen war, beschloss ich, mir mal draußen anzuschauen, was ich zwischen die Zähne bekommen könnte. Aber so ganz viel los war da auch noch nicht. Die ersten kleinen Shops öffneten noch müde und langsam ihre Läden, Klappen, Bahnen ~ mit was auch immer sie verschlossen waren ~ und irgendwo fand ich dann in einer Gasse eine der kleinen Garküchen, in der es schon emsig herging. Viel Auswahl hatte ich nicht, einen dünnen Pfannkuchen ähnlichen Fladen und einen ebensolchen, der etwas dicker als 1 cm war, gab es zur Auswahl. Und Minztee natürlich. Nix war's mit dem französischen Einschlag in Form von Croissants oder Baguette, Butter, Marmelade & Co + Kaffee, wonach mich eigentlich gelüstete. Also rein mit dem ersten marokkanischem Frühstück, es würde sicher nicht das letzte sein.

Während ich mich noch damit abmühte, den obligatorischen Pfannkuchen mit dem Messer zu zerkleinern ~ wie man das halt bei uns so macht ~ und auf das anscheinend stumpfe Messer einen Rochus bekam, sah ich bei den Einheimischen, dass die ihre Fladen rissen und dabei aus ihnen interessante faserige Gebilde zauberten, ähnlich Glasfasermatten, die man auseinander reißt. Und siehe da, das ging ganz leicht. Vielleicht war der Dolch ja gar nicht stumpf, und ich habe immer gegen die Faser geschnitten.

In der Nachbarschaft der kleinen Küche saß eine ältere Frau, die Zigaretten verkaufte, und ich hatte die ganze Zeit Gelegenheit, sie und ihr kleines Geschäft zu beobachten. Ich hatte mich schon immer gefragt, wie diese Art Zigarettenverkauf überhaupt funktionieren könnte. Hatte ich doch bisher nie gesehen ~ auch nicht bei den gleichgestrickten Zigarettenverkäufern in Asien ~ wie jemand seinen Bedarf deckte. Zumal sie alle nur wenige unterschiedliche Schachteln auf ihrer kleinen Theke liegen hatten, die meistens aus einem Karton o.ä. bestand.

Hier war nun deutlich zu sehen, dass alle Naselang jemand kam, der ein oder zwei Zigaretten kaufte und sich auch gleich des Feuerzeugs bediente, dass ebenfalls auf ihrer kleinen Verkaufstheke lag. Wenn ich es richtig gesehen habe, kostete jede Zigarette 2 Dirham, etwas mehr als 20 Cent. Und so wie es aussah, machte sie einen ganz guten Schnitt. Rauchen lohnt sich also auch hier, jedenfalls für den, der die Stäbchen verkauft.

Das mit dem kalten Duschwasser hat sich zwar gegeben, ab dem nächsten Morgen kam es fast kochend aus der Leitung, und ich hörte immer wieder, wie einer den anderen warnte, sich unwichtige oder wichtige Teile zu verbrühen. Aber die Uhrzeit des Frühstücks näherte sich kaum der angesagten Zeit. Vor 9 Uhr klappte es nicht. Aber wen juckte das schon? Es sei denn, man musste früh raus. Auch der Kaffee blieb gleichmäßig dünn, ein Tropfen Milch färbte ihn bereits durch, wie einen Café au lait. Dabei hatte ich angenommen, dass Marokko auch ein Kaffee Land sei. Vielleicht sollten sie hier im Riad den Nesskaffee Typen engagieren.

Tja, und dann kam die große Überraschung, als ich zur Bank marschierte, um meine doch inzwischen etwas zusammengeschmolzene Barschaft wieder aufzustocken. Meine, für diese Zwecke ideale, weil kostenlose DKB Karte, verweigerte ihren Dienst. Mit Recht, denn der Fehler lag bei mir. Denn ich hatte es versäumt, rechtzeitig vor meiner Abreise mal meine gesammelte Zettelwirtschaft nach der neuen Geheimzahl zu durchforsten und auszuprobieren. Hatte es doch eine neue Karte gegeben, natürlich mit 'ner neuen Zahl. Ich hatte zwar zwei dieser Zahlen dabei, aber bei beiden hieß es lapidar:
„incorrect pin“. Also musste es noch eine dritte geben, die ich halt in besagter Zettelwirtschaft vergraben hatte.

Wie schön war es doch, dass ich eine zweite Karte hatte, die auch akzeptiert wurde. Nur leider kostete der Spaß an Bank- und Auslandseinsatzgebühren dann insges. 10 Euro vierzig, wie ich etwas später feststellte. Insgesamt ein kostspieliges Unterfangen, als ich mir überlegte, wie oft diese Karte einfach mal eben so diese 10,40 Euro noch verpulvern würde. Der Versuch, von der DKB eine neue Geheimzahl zu bekommen, schlug insofern Fehl, dass es zugleich eine neue Karte bedeutet hätte, die ich mir dann irgendwohin hätte zuschicken lassen müssen. Und jetzt bin ich erst mal gespannt, was es an Kosten verursacht hat, als ich bei der nächsten ATM Transaktion meine ganz normale Konto-Karte eingesetzt habe. Sooon Schiet aber auch. Wenig später wusste ich auch das, es waren
„nur“4 Euro und damit schon mal deutlich besser, wenn auch nicht zufriedenstellend.

Tja, mit den Finanzen hatte ich es an dem Tag wohl eh nicht so. Oder vielleicht auch doch? Denn als ich zum wiederholten Mal auf dem Jemaa el Fna an meinem bevorzugten Orangensaft Stand genüsslich den frischgepressten Saft schlürfte ~ ein Ritual, dem ich täglich mehrmals folgte ~ stand plötzlich eine kleine ältere Frau mit Kopftuch neben mir, so ein altes Hutzelweibchen, wie man sie aus den Märchen kennt und bei uns kaum noch findet. Sie war ca. 2 Köpfe kleiner als ich, vielleicht sogar etwas mehr, in einen hellgrauen Kaftan gekleidet, hielt mir ihre verarbeitete Hand hin und murmelte etwas daher, dass, auch wenn ich es nicht verstand, ganz sicher etwas in der Richtung zu bedeuten hatte, wie:
„Nun gib mir schon etwas ab von deinem Reichtum, du Orangensaftsaufender Urlauber“o.ä.

Irgendwie machte dieses Bild und ihre unverständlichen Worte etwas mit mir. Aber ich hatte mir ja vorgenommen, den Bettlern nichts zu geben und wies sie erst mal ab. Wohl aber nicht mit der richtigen Betonung, denn sie hielt mir weiter ihre Hand hin und murmelte erneut ihren Beschwörungssatz. Und da ich just mein Wechselgeld, i.H.v. 1 Dirham rausbekam ~ ein schönes großes Glas Saft gibt es für 4 Dirham, und ich hatte einen Fünfer gegeben ~ drückte ich ihr den in die Hand. Ich blickte ihr noch nach, als sie mit einem
„merci“in der Menge verschwand.

Tja, und dann lief ich ihr nach, wie unter einer Art Zwang, fischte einen 50 Dirham Schein (ca. 4,50 €) aus der Hosentasche und drückte ihn ihr kleingefaltet in die Hand. Der Ausdruck im Gesicht dieser Frau ist kaum zu beschreiben, zumal er in Sekundenschnelle wechselte. Zuerst stutze sie, dann schaute sie ungläubig auf den Schein und mich, ihre Augen wurden groß und blitzten strahlend auf und dann warf sie mir wie ein junges Mädchen eine Kusshand zu. Als wir uns an den nächsten beiden Tage wieder begegneten, strahlte sie mich erneut an, als hätte ich ihr erneut so ein grünes Scheinchen aus der unerschöpflichen Schatztruhe meiner Hosentasche in die runzeligen Hände gedrückt. Dabei fragte sie nie wieder nach Geld. Leider habe ich mein Hutzelweibchen dann auf dem Platz oder woanders nicht mehr entdecken können. Bestimmt hätte ich ihr dann auch nicht widerstehen können.

Mittags habe ich dann am Rand des
„la grande place“in einer der kleinen Garküchen meine erste Tajine (anscheinend das marokkanische Nationalgericht, neben Couscous) mit Hühnchen + Kartoffeln + Gemüse gegessen. Und natürlich einen Minztee dazu bekommen. Sogar aufs Haus, was längst nicht immer der Fall war. Brüllend heiß war dieser Keramiktopf, der ja direkt von seiner eigenen dazugehörigen kleinen Feuerstelle kam, auf der das Essen direkt im Topf gebruzzelt wird. Man muss also schon etwas Geduld mitbringen, bevor man sich den ersten Happen zu Gemüte führen kann, ohne sich die Schnute zu verbrennen. Und anfassen sollte man das Teil vorerst auch erst mal nicht.

Was soll ich sagen, irgendwie hatte ich bei dem Aussehen der fertigen Tajine mit einer exotisch gewürzten Leckerei gerechnet. Zumal wenn ich an die vielen Gewürze in den Läden dachte. Dem war aber nicht so. Und obwohl ich nun wirklich nicht zu denjenigen gehöre, die ihr Futter gleich sofort ~ noch ohne zu probieren ~ mit Salz pökeln, diese Tajine, und fast alle weiteren ebenso, hätten von allem etwas mehr gebrauchen können. Trotzdem hat sie mir, wie auch die folgenden, gut geschmeckt. Salzlos schont ja auch die Leber oder so. Ich fand eine Weile später jedoch 2 Lokale, die das Würzen etwas besser drauf hatten, einmal bei einer Tajine mit Hackfleisch + Ei in Imlil im Atlasgebirge und dann eine mit Tomaten und anderen Gemüsen in Marrakesch. Die letzte war besonders köstlich, dabei hatte ich um das Restaurant immer einen Bogen gemacht, weil man dort nicht draußen sitzen konnte. Was aber an dem Tag (meinem elften hier) eh kaum eine Rolle spielte, da es so heiß und schwül war, dass einem eh bei jeder Bewegung alles wegschwamm.

Hatte ich schon erwähnt, dass es kaum hilfreicher war, wenn man mit einem Stadtplan durch die Gegend lief, um damit irgendeine Sehenswürdigkeit oder was immer aufzuspüren? Okay, in bestimmten Ausnahmesituationen war er ganz hilfreich, aber ansonsten fehlten eh die Straßennamen und sonstigen Angaben, die einem hätten helfen können an den Straßen. Also versuchte ich mich mehr richtungsmäßig zu orientieren, einmal sogar nach dem Sonnenstand. Ich muss aber zugeben, dass ich die meisten Dinge, soweit sie in den Souks versteckt waren, nicht gezielt fand, sondern weil ich einfach plötzlich davor stand. Es war immer wieder wie Russisch Roulett.

Für den Palast Bahia, die alte Palastruine und das Musee Dar Si-said habe ich glatt 2 Tage gebraucht. Ich war zwar aufgebrochen, um diese baulichen Gegebenheiten zu finden, war mir aber absolut nicht sicher, ob ich meine Füße auch in und durch die richtigen Souks und Straßen gelenkt hatte.

Tja, und dann stand ich plötzlich vor dem Palast, nur um festzustellen, dass er um 16 Uhr gerade geschlossen wurde. In die Palastruine kam ich aus dem gleichen Grund auch nicht mehr. Und das Museum sollte ich eh erst am anderen Tag finden, obwohl ich bereits einige Male fast daran vorbeigelaufen war.

Aber auch ohne noch Eingang zu finden, gehörte dieser Streifzug mit zu den schönsten, buntesten und interessantesten. Auch wenn ich dann am zweiten Tag feststellen musste, dass der alte Kulturbanause in mir immer noch nicht viel und genauso wenig mit den marokkanischen Kulturgütern anfangen konnte. Wie soll das nur werden, wenn mein Weg mich in die Königsstädte führen wird, falls er mich dorthin führt? Aber mich interessiert es nun mal tausendmal mehr, das heutige, lebendige Marrakesch und Marokko zu sehen und zu erleben, als das alte, das nur noch in Stein und Holz existiert und für die Ewigkeit konserviert wird.

Wie z.B. die große ~ etwas größer als ich ~ nicht mehr ganz junge Muslima mit ihrem schwarzen Chemal, der nur ihre dunklen Augen frei ließ. Es war in der Nähe des Palasts auf einem Platz, wo die Metallhandwerker unter permanentem Gehämmer ihre Produkte herstellen. Sie sprach mich an und schenkte mir einen Armreif für irgendein zu mir gehörendes imaginäres weibliches Wesen und suchte einen derartig intensiven Blickkontakt, dass ich regelrecht von den Socken war. Gilt solches doch ganz allgemein als unhöflich und sollte zwischen Frauen und Männern eh vermieden werden, um eventuellen Problemen aus dem Weg zu gehen. Zu gerne hätte ich ja mehr von ihrem Gesicht gesehen, wie immer, wenn mir eine verschleierte Gestalt begegnet, aber das wird wohl ein Wunsch bleiben. Zumal ich hier zum ersten Mal auch Frauen gesehen habe, die ihr Gesicht komplett versteckten, und ich nur beim ganz genauen Hinschauen in dem eh schwarzen Schleier einen Sehschlitz aus schwarzer Gaze erkennen konnte. Und so stutzte ich auch jedes Mal, wenn ich eine Muslima mit Sehschlitz entdeckte, die zusätzlich über diesem Schlitz eine Brille trug. Eine schmale, passend zu Schlitz. Ich konnte nicht anders ~ unhölfich her und hin ~ ich musste hinschauen.

Natürlich wich ich auch diesem kleinen Blickgefecht mit der Muslima nicht aus, ging es doch nicht von mir aus. Als sie jedoch merkte, dass ich auf den Armreif nicht ansprang und auch keine Spende o.ä. rausrückte, war ich mein Geschenk bald wieder los und unser Gespräch wurde abrupt beendet.

Was mich auch begeisterte, ja, faszinierte, waren die vielen Störche ~ klack-klack, wie dieser Vogel auf arabisch wegen des Schnabelklapperns heißt ~ die überall auf den Mauern der Palastruinen und auf einigen Minaretts ihre Nester mit ihren Küken hatten und mit weiten Flügelschlägen über diesen Bereich der Stadt strichen, um wahrscheinlich irgendwo einen Frosch oder anderes Futter für ihre Jungen zu finden. Keine Ahnung, wie sie das in so einer Stadt schaffen, ja, wie sie überhaupt mitten in einer 1,6 Millionen Stadt in solcher Anzahl leben, überleben und sogar Junge großziehen können. Ist schon irgendwie verrückt.

Okay, in der Palastruine gibt es ein paar Teiche. Aber dort habe ich nur einmal einen einzigen Storch gesehen. Und der war nicht im Wasser, sondern stolzierte wie alle Touristen über die gepflasterten Wege.

Ich habe mir sogar ein Mittagessen auf einer Dachterrasse eines Restaurants gegönnt, das direkt neben der Palastmauer seinen Platz hatte. Zumal es eh Laune macht, möglichst hoch über den Dächern der Stadt ein leckeres Fresschen + Minztee zu verspeisen, auch ohne Störche, dafür aber mit dem Blick auf die Koutoubia Moschee und über den abendlichen Place Jemaa el Fna, der im Sonnenuntergang langsam seine eigene Beleuchtung an den Fress-Ständen einschaltet. Einfach nur da zu sitzen und diesen abendlichen Abendschmaus bei sich selber und den vielen, vielen anderen zu erleben, das hat schon was.

Aber auch das abendliche Essen an einem der unzähligen Fress-Stände macht natürlich Spaß. Zumal das meistens ein mehr oder weniger preisgünstiges Essen ist. Es beginnt beim Flanieren durch die Gänge, um herauszufinden, was einen anlacht und sich ggfls. von den Anmachern gerade für ihren Stand überzeugen zu lassen und endet dann in dem Moment, wo man sich dann durch das Ausgesuchte hindurch futtert. Die vielen Möglichkeiten habe ich ja schon angerissen. Eine habe ich jedoch ziemlich lange nicht gekannt, obwohl sie für mich mit zu den besten gehört. Hakim erzählte mir davon, dass man an einem bestimmten Stand sich ein halbes oder ganzes marokkanisches Sandwich bestellen kann, dass aufgeschnitten und mit einem Anteil gekochter und gehackter Kartoffeln, ebensolchen Ziebeln, zerbröseltem Käse (diesem Streichkäse mit der lachenden Kuh drauf), einem zerquetschten gekochten Ei und etlichen Spritzern Öl, sowie einer scharfen Sauce gefüllt und serviert wird. Wer's lieber mag, kann sich die Masse auch auf einem Teller geben lassen und dann das Fladenbrot dazu essen. Schmeckt klasse, macht pappsatt und kostet incl. Tee gerade mal 10 Dirham. Es ist allerdings auch eine kleine leckere Sauerei, weil das Brot wirklich gut gefüllt wird und ein Teil des Füllguts nicht im Mund, sondern irgendwo daneben landet.

Wie ich hier von meinen, leider nach Beendigung meiner großen Reise angefutterten 12 Kilo wieder runterkommen soll, ist mir ein Rätsel. Da dürfte auch der leichte Dünnpfiff, der sich erstmals eingestellt hatte, nicht viel ausrichten. Na ja, so lange die Geschichte mich nicht weiter beeinträchtigt, und ein paar Kohletabletten für den Rest sorgen, komme ich damit ganz gut über die Runden und kann problemlos auch die Dinge machen, die mich stundenrund vom Riad fernhalten. Wie z.B. meine Streunereien oder eine Fahrt mit dem Doppeldecker Sightseeing Bus, die sich allerdings nicht ~ wie sonst ~ gelohnt hat und mir außerdem einen riesigen Schrecken verpasst hat.

Ich war mit diesem großen Teil unterwegs und hatte frisch geladene Batterien eingesteckt, weil die anderen, nach inzwischen über 400 Fotos nach meinem Gefühl wahrscheinlich ihren Dienst quittieren würden. Und so war es auch. Die mitgenommenen Batterien hatte ich noch in LH kurz vor der Abfahrt geladen, so dass ich kein interessantes Motiv verpassen würde. Doch nun passierte zu meinem Entsetzen etwas, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Wenn ich die Kamera einschalten wollte, leuchtete der kleine Monitor kurz auf, das Objektiv fuhr ca. 5 mm aus und das war's. Rien ne vas plus.

Sollte diese Kamera nun auch den Geist aufgegeben haben? Ein zweites Neuseeland? Ich wartete voller Ungeduld die Rückkehr des Busses ab und eilte ins Riad um meine anderen Batterien auszuprobieren. Leider hatte ich die nicht noch in LH neu geladen. Und so hatten sie sich zum Teil wohl wieder so weit entladen, dass nichts ging. Bei einem Satz gar nichts und bei einem anderen funktionierte die Kamera zwar wieder, aber das Zeichen für zu leere Batterien leuchtete auf. Das war doch wenigstens etwas. Und so konnte ich ein wenig beruhigter mit der Situation umgehen. Wahrscheinlich ist wohl nur das Ladegerät im Eimer, denn es gab beim Laden seltsame Blinkzeichen von sich, die ich bisher nie beobachtet hatte. Erst mal konnte ich hier im Riad eins ausprobieren, um mir dann ein neues zu kaufen, falls es hoffentlich
„nur“ das Ladegerät sein würde.

Und es
war tatsächlich nur das Gerät, das den Geist aufgegeben hatte. Mensch, was war ich froh. Aber der Schreck saß mir quasi immer noch in den Gliedern. Bei jedem ungewöhnlichen Zucken meiner Kamera, zuckte ich mit. Das Lustige aber war, dass mir ein andere Gast hier im Riad das neue Gerät über einen Einheimischen besorgen wollte, nachdem er sich selber erst mal die Teile angesehen hatte. Der Knabe hat eine ziemlich dunkle Haut, stammt von der Insel Mauritius, spricht natürlich perfekt Französisch und sollte als Nahezu-Einheimischer 60 Dirham zahlen. Der Marrakeschi hat dann nur 30 bezahlt, also ca. 3 Euro. Es ist nicht sehr komfortabel, lädt aber. Und ein besseres kaufe ich mir dann at home. Der Verkäufer hat außerdem mein altes Gerät bekommen, weil er es vielleicht reparieren kann. Es ist kaum zu glauben, was die Handwerker hier noch reparieren können. Bei uns heißt es selbst in den einfachsten Fällen doch immer „Njet“, geht nicht. Und auf die glorreiche Idee, gar ein Ladegerät reparieren zu wollen, käme niemand, es sei denn jemand aus der alten DDR würde sich daran erinnern, was er mal drauf hatte.

 

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