Berkane & Taforalt II


Diese, meine Lage am Rande der nun schon vertrauten Durchgangsstraße in Tarforalt sah unverändert aus und ich beschloss, der Straße ein Stück weit zu folgen. Und zwar exakt bis zu einer kleinen, im Schatten sitzende Gruppe Jung-Männer, die mich schon gespannt beobachtet hatten. Dort würde man mir sicher verraten, wie ich am besten zur Gite Tagma käme.
Tja, sie strahlten mich an und zeigten auf meine Füße. Haha, war das einzige, was mir dazu einfiel und fragte dann den Nächsten und den Nächsten und das solange, bis einer ~ wer hätte das in diesem Kuhdorf gedacht ~ etwas Englisch sprach und mir von seinem „good friend“ mit „car“ erzählte, der mich bestimmt gegen ein kleines Entgelt die 3,5 Km fahren würde.
Bevor er jedoch seinen Kumpel holen durfte, ließ ich ihn als erstes noch mal in der Gite anrufen, um die weiteren Details zu klären. Sobald ich in Tagma, einem winzigen Dorf oberhalb der Gite angelangt sein würde, sollte ich noch einmal kurz Laut geben, und dann käme jemand, der mich abholte.
Und nun schlug die Stunde des motorisierten Kumpels, der mich für den, für Marokko völlig überzogenen Preis von 40 DH mit seinem asbachuralten R12 die 3,5 Kilometer nach Tagma fahren wollte. Da ich ihm aber klarmachen konnte, dass ich nicht seine Schrottmühle kaufen, sondern nur die paar Meter gefahren werden wollte, einigten wir uns dann schließlich auf 30 DH. Unter dem war nix drin. Befand er sich doch so oder so auf der Gewinnerseite, auf der selbst mein Argument nichts nützte, dass ich zuvor nur 10 DH für die sehr viel weitere Strecke von Berkane nach Taforalt im Sammeltaxi bezahlt hatte.
Tja, warum „stellte“ ich mich bei den 40 DH überhaupt so an? Waren es doch gerade mal 3 Euro sechzig? Ganz einfach, weil kein Hund mehr ein Stück Brot von mir angenommen hätte. Anders ausgedrückt, weil man mich gnadenlos in die Kategorie „Saublöder Tourist“ eingeordnet hätte, den man nach Strich & Faden verarschen und ausnehmen kann. Außerdem gehört Feilschen nun mal dazu. Fehlt dieses wichtige Stimulanz, macht die ganze Sache für einen Marokkaner keinen Spaß. Und dass ich mich zumindest ein Stück weit durchgesetzt hatte, zeigte sich später, als ich fürs Zurückkommen erneut ein Auto brauchte. Die 30 DH waren in dem Moment von vornherein okay. Dabei war mir klar, dass ein „local“ nie diesen Preis hätte zahlen müssen.
Aber als sogen. „Reicher Tourist“, mit Trolley plus Daypack plus Kamera
musste ich akzeptieren, wenn ich mein Gesicht ~ oder was auch immer ~ nicht verlieren oder gar laufen wollte. Was mich nun wirklich nicht sehr lockte, denn die Strecke war, wie gesagt, hügelig & holperig und ganze Abschnitte lagen voll in der Sonne. Womit sie auch schweißtreibend waren, wie sich später noch zeigen sollte, als wir sie dann auf unserer versuchten Wanderung zu Fuß gegangen sind und mehr als 'ne halbe Stunde dafür brauchten.

Allerdings war ich nach einer holprigen Fahrt immer noch nicht am Ziel, sondern, wie schon angedeutet, nur oberhalb der Farm, im noch kleineren Dörfchen Tagma, und sah da unten in der Tiefe etwas liegen, das aussah, wie ein alter marokkanischer Bauernhof vor 300 Jahren ausgesehen haben mochte. Hier oben würde mich jemand von der Gite abholen, wiederholte mein Fahrer und schwubs, stand ich da alleine in der Affenhitze, in einem Dorf, in dem keine Menschenseele zu sehen war. Immerhin beschattete mich ein einzelner Baum gnädig, während sich ein Esel irgendwo die Kehle wund schrie und ein Stück von mir entfernt ein ziemlich neu aussehendes Auto mit belgischem Kennzeichen in der Sonne schmorte. Der Besitzer wahrscheinlich jemand, der aus diesem Ort stammte, in Belgien arbeitete und nun seine Familie besuchte. Auf den Straßen waren eh jede Menge Autos mit belgischem oder französischem Kennzeichen zu sehen.
Mein Handy schaffte es dann, dass nach ca. 20 Minuten unter mir, hinter einem rübezahlverdächtigen Felsbrocken von einer Sekunde zur anderen jemand mit einem Muli hervorkam, der sich als ein Gemisch aus Borat und Alexis Sobas mit graumeliertem Haar, ebensolchem Schnauz plus 3-Tage Bart, herausstellte. Yamani hieß der gut einsneunzig Typ. Aber nicht nur seine Optik, auch der Name war beeindruckend. Und so ließ ich mir den erst einmal auf der Zunge zergehen. Hinzu kam sein Lachen, das mich willkommen hieß. Feststand, dass ich schon lange von niemandem mehr so angelacht worden bin, auch wenn er mich parallel dazu unverständlich mit einer Stimme wie 'ne Harley vollbrabbelte, in der sein Lachen verankert war. Wie schon zuvor bei unserem ersten Versuch am Handy.
Dann schnallte er lässig dem Muli den Koffer auf den Rücken und hinunter ging's die Serpentinen eines abenteuerlichen, teils 30 und mehr Grad steilen Saumpfades mit traumhaften Ausblicken in die Berge, zur Farm und die Tiefe, die sich im Dunst der Berge unendlich auszuweiten schien. Ein Landschaftsbild, wie ich selten eins gesehen habe.
Und passender, wie auch ursprünglicher, dürfte es wohl kaum sein, mit diesem charmanten alten Gemäuer der Gite Tagma, die sich in dieses Bild einfügte und liebevoll auf eine neue Aufgabe vorbereitet, bzw. ergänzt worden war. Ich konnte nach unserem Abstieg Yamani nur von einem Staunen zum nächsten durch die Gite folgen, die nahezu überquoll von in allen Farben leuchtenden Blumen, Büschen, einem schattenspendenen Spalier aus Weinranken und einem Pfirsichbaum, der den Innenhof in zwei Bereiche teilte. Um dieses Atrium waren die paar Zimmer verteilt, von denen ich das einzige Einzel- / Doppelzimmer bekam, denn ich war Solo-Gast.
Jedes Zimmer war marokkanisch gestaltet, mit Nischen und so, wie man sich halt vorstellt, wie marokkanische Räume auszusehen haben und es auch tun. Schließlich hatte ich etwas ja schon mal gesehen, als ich auf einer Tour im Haus einer Berber Familie gelandet war. Als Yamani mir all das zeigte, pflückte er mir gleich einen der sonnenwarmen Pfirsiche und forderte mich auf, mich auch weiterhin zu bedienen. Die Dinger waren zwar noch nicht ganz reif, schmeckten aber schon so gut, dass ich dem immer mal wieder Folge leisten musste, wie auch bei den Mirabellen Bäumen, die außerhalb standen.
Die wenige Technik, die es außer der elektrischen Beleuchtung gab, eine Pumpe fürs Wasser, funktionierte leider nicht. Erst wieder am letzten Abend. Und so war Nutzung der Toilette, sich waschen und duschen nur mittels Schöpfkelle aus einem Behälter möglich. Ähnlich, wie damals in Indonesien, wo ich den Schwall aus der Kelle nach einer kleinen Eingewöhnungsphase ja durchaus genießen konnte.
Und so war es auch ohne Pumpengeräusch und fließendes Quellwasser Klasse, in dieser Weise mal eine Weile auszuspannen. Auch ein Honeymoon dürfte hier gut kommen.
Es herrschte ein Stille und eine Ruhe, die schon fast hörbar war und in die auch kein Internet drang. Nur eine Moschee schaffte es ~ wie könnte es auch anders sien ~ quer übers ganze weite Tal hinweg, sich auch hier noch bemerkbar zu machen. Zwar leise, aber immerhin. Allah, bzw. seine übereifrigen Diener, sind einfach nicht stumm zu schalten.
Seit Oujda, mit ihren für mich zur unpassenden Zeit schreienden Lautsprechern, war der ganze Friede, den ich bis dahin in Marokko mit den Gegebenheiten des Islam hatte schließen können, wieder dahin. Aber was soll's. Ich muss damit auf Dauer ja nicht leben. Gott oder Allah sei's getrommelt & gepfiffen.
Da es hier ja ansonsten nichts weiter gab, war das Ganze für 250 Dirham (über 22 Euro) mit Vollpension pro Tag zwar nicht gerade ein Schnäppchen, aber ich wurde sehr lecker mit Frühstück, Mittag- & Abendessen und sogar noch mal mit Brot, Butter, Marmelade, Oliven, köstlichster Melone und Kaffee oder Minztee zwischendurch beglückt. Wobei ich die Köchin oder auch Köchinnen, nie zu Gesicht bekam und nur einmal hinter einer hohen Mauer weibliche Stimmen vernahm.
Hinzu zu fügen ist, dass alles ~ bis auf Kaffee und Zucker ~ aus eigener Erzeugung stammte. Die Dinge waren hier, wie sie es nannten, „naturelle“. Selbst die „Bar-naturell“, die sich unter besagten Mirabellen Bäumen befand und aus einer großen blauen Plastikdecke mit flachen Sitzkissen und einem passend niedrigen Tischchen bestand, an dem man sich zu Tisch legen konnte. Das Arrangement kam mir seltsam bekannt vor, denn auf dem Ölschinken irgendeines bekannten alten Malers hatte ich genau so ein Stilleben schon mal gesehen. Wenn auch ohne Plastikfolie.
Das große Fladenbrot, mit einem Durchmesser von ca. 50 cm und auch die kleineren, wurden jedes Mal aus dem eigenem Mehl frisch gebacken und kam noch warm auf den Tisch. Das Omelett zum Frühstück aus den ebenfalls eigenen Hühnereiern plus eigener Kräuter, wie auch die Aprikosen Marmelade war einfach Spitze. Und die Lammfleisch Tajine mit Kartoffeln und Gemüse schmeckte einfach nur nach mehr. Eine der besten Tajinen meiner Reise. Das Fleisch war so lecker und locker, wie ich noch nie welches gegessen hatte. Und dann diese Kartoffeln, leicht angeröstet und ohne jegliche Chemie. Das Fleisch zerging wie irische Butter auf der Zunge und erinnerte mich an die längst vergangene Zeit, als wir unserer eigenen Viecher in Form von Enten und Gänsen und sogar mal einem halben Schwein hatten, die völlig „naturell“ aufwachsen durften, bevor sie ihrer Bestimmung folgen mussten.
Nicht weit entfernt gab es eine Quelle, der ich immer mal wieder einen Besuch abstattete, um direkt dort das frische kühle Wasser zu trinken und meine Hände einzutauchen. Sie versorgte die ganze Farm, auch die Pflanzen mit Wasser, war also recht ergiebig. Von dort aus führten Bewässerungsgräben überall hin und einige Meter von der Quelle entfernt gab es ein erstes kleines Verteilerbecken von ca. 1 qm Größe, das von einer Schildkröte bewohnt wurde. Zum Piepen, wenn ich auftauchte, tauchte sie entsetzt ab, um mich dann neugierig aus dem Wasser zu beobachten.
In einem anderen größeren Becken, mit betonierten Wänden, das sich im Laufe des Tages füllte, gab es sogar mehrere Schildkröten und einen riesigen Frosch, der vielleicht auch 'ne Kröte war? Obwohl das Wasser dann abends bis auf einen Rest auf die Felder verteilt wurde, konnten die Tiere das Becken nicht mehr verlassen, da es keinen geeigneten Ausgang für sie hatte. Sie sind wohl mal durch den Zufluss in das Becken geplumpst und wurden somit zu Dauergästen, weil niemand auch nur daran dachte, sie wieder raus zu fischen.

Außer Yamani gab es noch Naserin in der Gite Tagma. Obwohl er auch in einem der Gästezimmer schlief, stammte er oben aus dem Dörfchen, wie ich vermutete. Denn er nahm mich mal mit in ein Haus, das seines oder sein Elternhaus zu sein schien, obwohl wir niemanden antrafen. Und er machte mich mit seiner Schwester bekannt. Mit ihm hatte ich immer wieder zwischen den Mahlzeiten zu tun, und wir versuchten dann, so gut es eben mit meinem bisschen Französisch plus Phrasebook ging, so etwas wie eine Unterhaltung über die Dinge unserer beider Leben zu führen. Sein Französisch war auch nicht sooo dolle, denn bei so manchem, was ich von ihm wissen wollte, hatte er keinen Schimmer, was es auf Französisch hieß.
Die Tageswanderung, die ich mit ihm oder er mit mir machen wollte, wurde leider nur zur Halbtageswanderung, weil es einfach in den Bergen und überhaupt zu heiß war. Als Luftzug war nur noch das spürbar, was man durch seine eigene Bewegung erzeugte und mein Daypack war schon nach kurzer Zeit auf der Rückseite bis ins Innere durchgeschwitzt. Etwas, was ich seit meiner Bundeswehrzeit in der Grundausbildung in dem damaligen sehr heißen Juli nicht mehr geschafft hatte. In diesem Backofen trafen wir u.a. einen alten Herrn, 74 Jahre alt, und rüstig wie ein weit jüngerer. Er saß neben einem Haufen Melonen unter einem Baum am Straßenrand und verkaufte sie. Und oh Wunder, als Beigabe an diesem abgelegenen Ort des Deutschen mächtig war. Auch er hatte in Good old Germany gearbeitet.
Natürlich kannten sich die beiden, so dass gleich eine Einladung zum Minztee erfolgte, den er auf Handzeichen bei einem Jungen orderte. Und dann ergänzte er unsere Teezeremonie noch durch eine seiner wirklich köstlichen Melonen. Bedauerlicherweise kommen solche Früchte nicht zu uns in die Läden, schon oft beklagt. Sicher nicht nur von mir.
Ich wollte dann den Tee übernehmen, worauf Naserin mir klar machte, dass ich den alten Herrn beleidigen würde, denn der freute sich wie ein Kind, so was wie mich bewirten und mal wieder Deutsch reden zu können. In jeder Beziehung eine Situation, so unwirklich, wie nur was.
Nun hatte ich für kurze Zeit einen und wenig später sogar einen zweiten Dolmetscher. Denn es gesellte sich wenig später noch ein junger Ami hinzu, der ~ wie es sich anhörte ~ recht gut Arabisch sprach. Coullen arbeitete für insges. 2 Jahre in Taforalt an einer Schule für Landwirtschaft und diente von nun an immer dann, wenn ich nur noch Bahnhof verstand, als Übersetzer. Er sah immer aus, wie aus dem Ei gepellt, obwohl er bereits 14 Monate hinter sich hatte. Ein Anruf genügte, und er kam vorbei.

Mit ihm bin ich wenig später nach Melilla gefahren, weil er dort passend für mich Freunde aus Amerika treffen wollte und ~ wie er sich ausdrückte ~ mal wieder aus dem Einfluss des Islam heraus müsse und mal wieder „richtige“ Frauen sehen wolle. Er gönnte sich dieses Vergnügen von Zeit zu Zeit, denn es sei verdammt nicht einfach, permanent nur in dieser Kultur zu leben.
Als wir den gastlichen Alten mitsamt Coullen dann im Schatten des Baumes zurück- und uns wieder der Hitze überließen, kamen wir eine Weile später an ein anderes entzückendes Plätzchen. Eine alte Franzosen Siedlung, deren Häuser nur noch als Grundmauern
existierten. Sie waren quasi in einem harzig duftenden Pinienhain eingewachsen, dessen lichtes Schattenmuster auch hier für eine angenehme Temperatur sorgte. Sich hier eines dieser aus Feldsteinen massiv gebauten Häuser wieder bewohnbar zu machen, lachte mich geradezu an. Alte Träume wurden wach. Von hier aus hatte man einen guten Blick in die weite Hügellandschaft, durch die sich die Schlangenlinie die Straße zur Zegzel Schlucht zog. Aber auch ins Freigehege der Mufflons und Wildschweine, die sich in den Wasserstellen suhlten.
Apropos suhlen, das Schwimmbad in Taforalt war kaum weiter entfernt und mit ihm Lokale, in denen es etwas Kühles zu trinken geben würde, wenn wir denn nur dort wären. Zumal unsere Trinkflaschen schon ziemlich leer waren.
Unsere Überlegung, ob wir weiter marschieren sollten, dauerte nur Sekunden und dann war der Kurswechsel auch schon vollzogen. Wir hatten kaum im ersten Lokal Platz genommen, als auch Coullen eintraf, als hätten wir uns verabredet. Das Ende unserer Tageswanderung begossen wir dann zu dritt.
Bevor es aber wieder zurück in meinen normalen Reisealltag gehen sollte, überraschte noch der Besuch eines „Kollegen“ von Yamani ~ ein Franzose mit seiner Frau, die in Küstennähe irgendwo unterhalb des Cap de L'Eau ebenfalls seit zig jahren eine Gite mit Pferden und anderen Viechern besaßen. Sie wurden ähnlich gastfreundlich mit Früchten, Fladenbrot usw. versorgt wie ich und versuchten, mir auch einen Besuch ihrer Gite schmackhaft zu machen, nachdem sie erfuhren, wie ich durch Marokko zog und das Melilla mein nächstes Ziel sein würde. Aber wie dicht ihr Anwesen an meinem Weg liegen und so schön es auch sein dürfte, die Zeit der Abgeschiedenheit mit allem was ich hier gehabt hatte oder auch nicht, reichte aus, um den Reiz nach Bauernhof zu stillen.

Leider stand dann am Abreisetag weder das Muli noch der Esel für meinen Trolley zur Verfügung. Und das ohne Vorwarnung. Was in mir den Gedanken aufsteigen ließ: Jetzt hamse deine Knete und nun kannste zusehen, wo de bleibst. Was sicher ungerecht gedacht war? Auf mein Erstaunen hin, schnappte sich Naserin dann meinen Trolley, lud ihn sich auf die Schulter und schon ging es in forschem Schritt die steilen 15 Minuten aufwärts nach Tagma. Gerade viermal setzte er ihn ab ~ der immerhin das erlaubte Ryan Air Gewicht von knapp 20 Kilo hatte und war mir trotzdem immer ein ganzes Stück voraus.
Auf die Frage, warum denn keines der Tiere den Koffer trüge, meinte er, dass sie woanders gebraucht würden, und er heute der Esel wäre, der sein spezielles Futter brauche. Bei diesen Teil unseres Gesprächs habe ich nicht alles verstanden, aber dass er das erste Mal selber den Esel spielte und das mit dem Futter, das kam rüber. Und da es ja wirklich ein Akt war, der mir bestimmt nicht leicht gefallen wäre, habe ich ihm dann 20 DH in die Hand gedrückt, was seinem Gesicht nach, okay zu sein schien. Und für das von ihm bestellte Auto ~ das aber nicht auftauchte, so dass er einen anderen Kumpel her zitieren musste ~ waren dann erneut 30 DH fällig.
Wie schon erwähnt, hatte sich mein Kuhhandel wohl rumgesprochen, und beides zusammen entsprach dann dem Betrag, der für die Fahrt mit dem „taxi collectif“ ins über eine Stunde entfernte Nador zu entrichten war, meinem nächsten Ziel, wenn auch nur Zwischenziel auf dem Weg nach Melilla. Die Dorfjungens wussten schon, wann und wie sich eine Situation ausnutzen lässt. Aber was soll's, ich war ja froh, dass ich auch dieses Mal die 3,5 Km mit meinem Koffer plus Daypack nicht laufen musste.
Gut 10 Minuten dauerte es ~ in denen ich schon jede Minute auf etwas heißer werdenden Kohlen saß ~ bis das Ersatzauto dann kam. Schließlich war es doch bereits 8 Uhr 30, und ich hatte mich mit Coullen zu diesem Zeitpunkt in Taforalt verabredet, um gemeinsam mit dem Bus nach Nador und von dort aus weiter nach Melilla zu fahren. Was mir mit einem Arabisch sprechenden Amerikaner im Schlepptau gut gefallen würde. Und daher hatte ich ein wenig Schiss, dass ausgerechnet heute der Bus pünktlich sein könnte, und ich dann doch wieder auf eigene Faust für mein Weiterkommen sorgen müsste.
Aber mein Grummeln im Bauch wäre nicht nötig gewesen, denn außer von Coullen, war von einem Bus weit und breit noch nichts zu sehen. Er hatte inzwischen in Erfahrung gebracht, dass dieses Gefährt, je nachdem wen er gefragt hatte, 1 bis 4 Stunden unterwegs sein würde. Ein Kaugummi, das uns nicht schmeckte. Und so hielten wir nach dem schon angesprochenen „taxi collectif“ Ausschau, was sich an diesem Tag wegen eines Marktes aber auch als nicht einfach herausstellte. Denn alles, was an Sammeltaxen in den Ort hinein fuhr, war voll und rauschte ohne anzuhalten durch. Bis dann doch eins anhielt, in dem leider nur noch ein Platz frei war und das nur bis Berkane fuhr. Es ging also erst einmal wieder zurück, weil die Überland-Taxen nur von dort aus starteten.
Wir einigten uns darauf, dass ich schon mal vorfahren sollte und er dann mit dem nächsten käme. Aber kaum war ich in Berkane ausgestiegen, hielt sein Taxi auch schon hinter mir. Allerdings gehörte ihm das grand taxi allein, weil sich kein anderer Mitfahrer eingefunden hatte, und für diese Einzelfahrt hatte er dann auch nur 10 DH bezahlt, weil er dem Fahrer überzeugend verklickern konnte, dass er so oder so nach Berkane zurück müsse und garantiert keinen weiteren Fahrgast aufgabeln würde. Was dann ja auch so war. Es ist schon interessant zu beobachten, wie leicht sich manches gestaltet, wenn man die richtige Sprache, nämlich marokkanisches Arabisch spricht und in einem gewissen Zeitraum mit der Mentalität der hier lebenden Menschen vertraut geworden war.
Wir hielten dann gemeinsam nach unserem Sammeltaxi nach Nador Ausschau und machten den Deal für 50 DH pro Nase auch schnell perfekt, so dass es dann losgehen konnte, als der letzte Fahrgast zugestiegen war. Eineinviertel Stunden dauerte es dann, bis wir den ebenso großen, wie trubeligen Busbahnhof & Taxen Sammelplatz in Nador erreichten.
Zusammen mit meinem „Sprachrohr“ fand sich dann auch ganz fix ein Anschluss-Taxi nach Melilla, für das weitere 5 DH bis zur Grenzstation Beni Enzar fällig waren. Ich bin sicher, dass ich auf mich gestellt, dafür deutlich mehr Zeit benötigt hätte. An dererlei Begleitung könnt' ich mich gewöhnen, denn auch die Passage des Grenzstreifens ins spanische Melilla gestaltete sich als so etwas von simpel, weil Coullen nun mal jeden fragen konnte und jeder ihn verstand und umgekehrt. Wir wurden sogar an den anderen Wartenden vorbeigeschleust, als wären wir irgendwelche VIP's, die wir ja auf einer bestimmten Ebene sicher auch waren & sind.

»V
ery important persons from USA & Germany crossed border to Melilla on Wednesday 29th of June 2011« war dann in der Wochenend-Ausgabe der englischsprachigen Beilage der Gazette „El Mundo y Melilla“ zu lesen. :-))

 

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