Al Hoceima

 

Etappe 12 ~ v. Sa. 02.07. bis Mo. 04.07.2011

 

Irgendwo an dieser Parade-Grenz-Avenue ohne Bäume ~ nun wieder in Marokko ~ sollte es eine Bushaltestelle und Sammeltaxen geben, wie bereits gesagt. Denn hüben wie drüben benötigte ich, um nach Nador zurück zu gelangen, entweder ein Taxi oder den Bus. Nur wo waren sie?
Die beiden Taxen, die gleich nach dem Grenzübergang am Rande der Straße lauerten, zählten nicht, da ihre Fahrer mir eine Solo-Fahrt nach Nador oder auch gleich bis nach Al Hoceima zu einem Preis schmackhaft machen wollten, den ich zu zahlen nicht gewillt war. Zumal ich, zwar noch ein ganzes Stück entfernt, bereits einen Bus am Straßenrand entdecken konnte. Sicher würde es der im Lonely Planet angekündigte sein. Schon mal beruhigend, auch wenn noch niemand im Bus oder in seiner Nähe zu sehen war.

Na ja, wer wollte bei der Hitze auch in so einem Brutkasten sitzen und darauf warten, dass es los geht.
Das Putzige bei beiden taxidrivern war, dass auch sie mich auf Anhieb als Deutschen identifizierten, als hätte ich den alten Stempel «Made in Germany» auf der Stirn.

 

Sehe ich sooo typisch deutsch aus? Ich kauf mir noch'n Strick.

Marokko hatte mich also wieder. Und das war im ersten Moment schon ein seltsames Gefühl, nachdem ich mich ein paar Tage in einer doch sehr europäisch angehauchten Stadt aufgehalten hatte. Aber schnell war es wieder so, wie ich es kennen & lieben gelernt
hatte. Denn hier ist es nun mal so, dass fast jeder ~ und seien es nur ein paar Worte ~ mit mir quatschen will, obwohl es meistens keine gemeinsame Sprache gibt. Und fast jeder grient mich zumindest an. Manoman, danach könnte ich süchtig werden, und ich weiß noch gar nicht, wie ich es demnächst wieder in unserem sturen Ländle aushalten soll.
Diese offene Art & Weise ist mir in Melilla allerdings nicht sooo häufig begegnet, auch nicht bei den Moslems, die es dort ja auch reichlich hat. Sie waren anscheinend vom gleichen Virus der
„deutschen Art“ mit Fremden umzugehen befallen, wie er halt bei uns grassiert. Lächele doch mal bei uns auf der Straße einen wildfremden Menschen an. Der kriegt doch fast'n Schlag, blickt verlegen weg und glaubt du bist auf Alk, Drug oder sonst auf eine Weise geschädigt und holt u.U. die Polizei, wenn du das auch noch bei einem Kind wagst. Selbst die meisten Kinder haben doch bei uns in so einem Lach-an-Fall schon einen Blick drauf, der dir deutlich sagt, wie gut sie gelernt haben, dass ein freundlich lächelnder erwachsener, gar älterer Mann eine potentielle Gefahr bedeutet. Puuuuuhhh!!! Aber das Thema beschäftigte mich ja bereits auf meiner großen Reise.

Leider war dieser Umweg über Nador genauso erforderlich, wie der zuvor von Taforalt zurück nach Berkane, um von dort nach Nador zu gelangen. Auch hier gab es weder Bus noch Taxi, der oder das direkt Al Hoceima ~ mein nächstes Ziel ~ auf kürzestem Weg angesteuert hätte. Obwohl es ihn laut Karte gab. Und während ich dem Bus immer näher kam, tauchten der Fahrer und erste Fahrgäste auf. Er fuhr mich für 3 Dirham (weniger als 30 Cent) nach Nador und hielt dann inmitten hunderter Sammeltaxen, die auf Fahrgäste in alle Himmelsrichtungen warteten. Wie auch nach Al Hoceima. Auch hier fuhren die Busse erst dann, wenn sie dem Fahrer voll genug erschienen, was in der Regel auch auf Taxen zutrifft. Ein keines Lotteriespiel also, denn noch war nicht klar, ob ein Sammeltaxi die bessere Wahl sein würde. Denn man hatte mir gerade das erste zugewiesen, an dem schon fleißig Mitfahrer gesammelt wurden, als es mit weit ausholenden Gesten hieß, Kommando zurück, wir wurden an ein anderes Taxi verwiesen.
Dessen Fahrer stritt sich jedoch lauthals mit einem Kollegen in einer Form, als wenn sie gleich mit dem Messer oder zumindest mit den Fäusten aufeinander losgehen wollten. Und da der Topf jeden Moment überzukochen schien, griffen andere Fahrer schlichtend ein, was aber nur in geringfügigem Maß für Ruhe sorgte. Denn beide schienen nach Al Hoceima fahren zu wollen und es ging wohl um die Verteilung der Fahrgäste, von denen es in diesem Moment nicht genügend gab, um beide Taxen mit je 6 Personen zu füllen.
Weiterhin laut murrend, gaben sich dann beide mit nur 4 Fahrgästen zufrieden, was mir mehr als Recht war, sollte es doch eine Fahrt werden, die um die 2½ Stunden dauern würde. So hatte halt jeder von uns etwas mehr Platz. Wobei seltsamerweise trotz nicht ausgelastetem Taxi aber auch nur die üblichen 55 DH (= 5 €) pro Nase fällig waren. Ungewöhnlich, weil schon anderes erlebt. Aber akzeptabel, wie ich meinte.
Immer noch auf Krawall gebürstet, rauschten sie dann mit durchdrehenden Reifen vom Sammelplatz, um herauszufinden, wer der schnellere sei. Und das blieb auch noch eine Weile so. Jeder versuchte, den anderen auf der gut ausgebauten und wunderschönen Küstenstraße zu überholen, gar abzuhängen, was bei gleich motorisierten Fahrzeugen allerdings nicht gelingen konnte. Mal schaffte es der eine bergrunter mit Ach & Krach, mal der andere. Bis unser Fahrer sich soweit beruhigt hatte, dass er den anderen, wenn auch immer noch vor sich hin grummelnd, sausen ließ, so dass wir dann völlig relaxt den weiten Biegungen der N16 mit den malerischen Mittelmeer Stränden, verträumten D
örfern und kleinen Unterkünften folgen konnten.
Zum ersten Mal sah ich dann vor uns einen silberfarbigen Golf mit Frankfurter Nummer, in dem sich allerdings eine marokkanische Familie auf Heimaturlaub befand. Bisher hatten sie immer B, F oder NL am Heck. Und ich dachte schon, außer mir sind auch noch andere Marokko-Interessierte aus unserer Republik unterwegs. Gesehen oder gar getroffen habe ich niemanden, aber hier im Norden sollte ich noch so manches Auto aus D sehen, jedes Mal in gleicher Weise besetzt.
Später hatte ich sogar bei einem Stopp die Möglichkeit, mit so einer Familie aus Düsseldorf ein paar Worte zu wechseln. Ich wünschte mir, nach meiner Rückkehr den einen oder anderen Marokkaner in meinem Dunstkreis zu finden, denn solche Gespräche fand ich äußerst interessant. Ob sie es in Deutschland auch sein würden? Da mein momentaner Wohnort aber eher klein ist, wird sich das sicher nur als Wunschtraum erweisen.

Nach Beendigung unserer Fahrt wurde in Al Hoceima dann erkennbar, dass unser Kontrahent nur wenige Minuten zuvor angekommen sein konnte, da die Fahrgäste noch im Aussteigen begriffen waren. Was die alte ADAC Aussage auch in Marokko gültig werden ließ, dass beim Bleifuß nicht viel an Zeitgewinn herauskommt. Und so war ich nun ~ mit oder ohne diese Einwirkung aufs Gaspedal ~ am Samstag, dem 2. Juli in meiner viertletzten Stadt Marokkos angelangt, und so langsam begann sich der Kreis zu schließen. Am Sonntag, meinem zweiten Tag in Al Hoceima, befand ich mich dann seit zwei Monaten in Marokko. Nicht mehr lange, und ich würde, bzw. müsste mein Wunsch-Reise-Land wieder verlassen. Es blieben mir gerade mal noch 20 minus 5 Tage ~ wegen meines Besuchs beim Peter ~ dann war empty.


Bei meinen Überlegungen in Oujda ~ bezüglich meiner Weiterreise nach Tanger, Spanien & zurück nach Hause ~ war ich mir über die Orte, die ich noch sehen wollte und den Streckenverlauf noch nicht sicher. Zumal ich überlegte, wie sinnvoll es sein könnte, von Nador oder Al Hoceima mit der Fähre auf die andere Seite des Mittelmeers zu gelangen, statt von Tanger. Denn langsam kristallisierte sich heraus, dass ich mir zeitlich gesehen, Portugal komplett und Spanien zum größten Teil von der Backe putzen müsste, wenn ich weiterhin Freund Peter und
sin frou in Südfrankreich besuchen wollte. Unser ursprünglich abgesprochene Termin musste von seiner Seite aus vom 27. auf den 22. Juli vorverlegt werden. Und da ich ihn nun mal wiedersehen und endlich seine Frau kennen lernen wollte, versuchte ich halt umzudisponieren, auch wenn mir diese 5 Tage dann für Spanien und / oder Marokko fehlen würden. Wie war das doch gleich mit den Prioritäten?
Es war also beschlossene Sache, am 22.7. würde ich dem Peter und seiner Gabriele für ein paar Tage auf die Pelle Rücken. Dann wäre es auch nicht mehr lange hin, bis ich wieder in LH bin. Wann genau das sein wird, weiß ich aber noch nicht, zumal ich in Deutschland u.U. noch Sylvia und Joachim, die ich ebenfalls ewig nicht gesehen hatte, besuchen möchte, wenn es passt.
Im Moment habe ich mal wieder ein bisschen Schiss, wie ich das alles gestaltet bekomme, da ich ja für die europäischen Länder keinen Lonely Planet als Info-Krücke habe und noch gar nicht so recht weiß, wie ich dort von A nach B kommen kann, was es kosten wird usw. Denn used book shops, in denen ich nach LP's Ausschau halten könnte, habe ich bisher nicht entdeckt. Vielleicht in Tanger. Na ja, wird sich schon finden, war ja bisher noch immer so.
Sämtliche Überlegungen mit der Fähre waren daher im Moment ebenfalls wenig sinnvoll. Hätte ich doch zwischen Nador und Tanger hin & her juckeln, die Strecke also zweimal zurücklegen oder ~ aus der Verlegenheit geboren ~ noch einen Bogen ins Inland machen müssen. Beides reizte mich jedoch nicht sonderlich. Was mich aber von Anfang an gereizt hatte, war Melilla und Chefchaouen. Diese beiden Städte wollte ich sehen, und die eine lag ja nun bereits hinter mir.
Ceuta hatte ich ursprünglich zwar ebenfalls im Visier, klammerte es aber nach Melilla aus, weil mir eine spanische Exklave reichte. Und Al Hoceima und Tetouan kamen deshalb ins Spiel, weil der LP recht Nettes darüber zu berichten wusste, und ich nicht die knapp 500 Kilometer nach Tanger in Sammeltaxen und Bussen in einem Rutsch auf Straßen abreißen wollte, die noch nicht am Ausbau-Programm des Königs für den benachteiligten Norden partizipiert hatten.
Hinzu kam, dass sie durch Landschaften, ihre Städte und Dörfer führten, wo der vom König geduldete Hanfanbau oft die einzige Einnahmequelle der Bevölkerung darstellt und es lt. Lonely Planet nicht ratsam ist, sich hier aufzuhalten oder gar zu nächtigen. Außer man kommt als Drogen-Spezi, um den Bedarf für die nächste Kampagne zu decken und kennt dieses Metier. Bei Schwierigkeiten, die vorprogrammiert seien, könne man nicht auf polizeiliche oder sonstige Hilfe rechnen, da es hier kaum Gesetzeshüter gibt. Was nicht gerade einladend klang. Und der Eindruck, den ich an der einen oder anderen Stelle auf der Fahrt durch die Hochburg des Hanf Anbaus bekam, schien diese Warnung zu bestätigen. Überall in Marokko habe ich mich besser aufgehoben gefühlt als hier, auf dem Weg von Al Hoceima nach
Chefchaouen.

Als kleinen Ausgleich hatte ich in Al Hoceima mal wieder Glück mit meiner Unterkunft, und das, obwohl ich einer LP Empfehlung gefolgt war. Sie war zwar trotz Verhandlung mit zuerst 380 (= 34 €) und dann 258 DH (= 23 €) etwas teurer als andere, aber jeder Dirham war es wert für das einladende Art déco Hotel mit seinem zum Place du Riff im Halbrund ausgerichteten Café.
Es war vor gar nicht langer Zeit renoviert und von
»Hotel Etoile du Rif« in »Hotel Villa Florido« umbenannt worden. Und damit war klar, warum ich anfangs erst einmal daran vorbei gelaufen war.
Wenn man mich gefragt hätte, was man aber nicht hat, wäre es eh beim ursprünglichen Namen geblieben.
»Etoile du Rif«, das zergeht einem doch auf der Zunge, oder? Zumal sich dieser Stern ja im oder am Rif Gebirge, sowie am Place du Rif befindet. Während sich »Villa Florido« für mich nach Stundenhotel anhört. Dabei dürfte das spanische „florido“ in seiner Bedeutung „verschnörkelt, blumig, kostbar“, möglicherweise in den Art déco Stilelementen der Fassade begründet liegen, die aber auch reichlich an vielen anderen Gebäuden der Stadt zu finden waren und für ein eigenwilliges jugendstilig-marokkanisches Stadtbild sorgten.
Die Straße, die zum Place du Riff führt, gabelt sich vor dem Hotel, bevor sie hinter ihm in den mit Taxen und anderen Autos zugeparkten Platz mündet. Das Hotel stellt somit eine Insel ~ oder vielleicht besser ein Schiff ~ in diesem Straßen-Delta dar. Und im Heck dieses Hotelschiffs bekam ich im oberen Deck mein eigenes Bad mit schönem, dazugehörigem Zimmer, das über 2 Balkone und 3 große Schiebetür-Fenster mit safran-gelben, samtigen Vorhängen verfügte. Geschlossen, tauchten sie meine „Schiffskabine“ in weiches, warmes Licht, das an ein Sonnenbad am späten Nachmittag erinnerte. Es gab sogar ~ das erste Mal überhaupt in einer meiner Bleiben in Marokko ~ einen Fan, was mir bei der Hitze natürlich gut gefiel, besser als jede Klimaanlage. Bei ~ wegen der Hitze ~ nur gelegentlich geöffnetem Fenster, waren, wie ein leises Murmeln der Wellen, die Geräusche des Place du Riff zu hören.
Kurz um, bis hin zum stets unsichtbaren Zimmerservice, der mein Bett machte, während ich im Café frühstückte und der nie vergaß, den Anfang der Toilettenpapierrolle jedes Mal neu in einem speziellen Muster zu falten, gehörte auch dieses Hotel zu den Highlights, in denen ich auf meiner Reise untergekommen bin.
Hinzu kam, dass Mohamed von der Rezeption, und zwei weitere Mitarbeiter des Hotels, ein passables Englisch sprachen, womit ich nicht ganz so
sprachlos dem Idom des Nordens, dem Tarifit und dem Spanischen ausgeliefert war. Auf sie konnte ich immer zurückgreifen, wenn ich nicht weiterkam. Z.B. beim Auffinden des Büros einer lokalen Bus Gesellschaft, das sich so geschickt in einer Ecke des Place du Rif hinter einer Hähnchenbraterei versteckte, dass ich ~ obwohl ich dort schon gegessen hatte ~ nicht ahnte, dass es dort noch etwas anderes geben könnte.
Die allgegenwärtige Busfirma CTM, deren Büro sich ebenfalls am Place du Rif befand, hatte ziemlich karierte Abfahrts- und somit auch Ankunftszeiten, dass ich mit einem lokalen Unternehmen fahren wollte. Denn wie immer, gehörte nun mal eine möglichst frühzeitige Buchung meines Tickets nach Chefchaouen dazu. Zumal ich bereits wusste, dass das Aussteigen an meinem nächsten Zielort eh mal wieder für ein wenig Ungewissheit sorgen würde. Hieß es doch, dass der Bus bei dem kleinen Ort Dardara mit einigen Kilometern Abstand an Chefchaouen vorbei knattern würde, und man von dort aus zusehen musste, wie man nach Chefchaouen kam. Der Busfahrer macht den Schlenker nämlich nur dann, wenn genügend Fahrgäste im Ort aussteigen wollen. Und ich allein, war nun mal ungenügend, als es dann soweit war.
Ein Sammeltaxi schied aus, da sich beim Herumfragen herausstellte, dass es für die weite Strecke ~ immerhin ca. 6 Stunden Fahrt ~ zu teuer sein würde. Zumal die Chance, es mit anderen zu teilen, gegen Null ging. Über 1000 Dirham, mehr als 100 €, wollte man für ein Solo-Taxi sehen. Sicher ein guter Preis für die 220 Kilometer, aber dagegen war das Busticket mit 60 DH plus 5 DH fürs Gepäck (ca 5,50 €) geschenkt.
Ein freundlicher alter Herr, mindestens 80, wie ich schätzte, verkaufte es mir. Und bei unser beider Mangel, die Sprache des anderen zu sprechen und zu verstehen, konnte ich nur darauf vertrauen, dass es das richtige war. Immerhin verstand ich, dass ich irgendwie früh morgens zuerst noch zum einige Kilometer entfernten Busbahnhof gelangen müsse. Was aber bei den vielen petit taxis zum gegebenen Zeitpunkt kein Problem sein dürfte. Und so wollte ich mich bis dahin erst einmal den Gefühlen & Empfindungen ausliefern, die mich hier in Al Hoceima noch einmal um einiges verstärkt erwischten.
T
rotz der gar nicht stillen Wehmut, schon bald wieder zurück zu müssen, fühlte ich mich hier nach wie vor glücklich & zufrieden beim Herumzigeunern. Verrückt, gelle? Und das, obwohl ich in Marokko ja weit & breit ~ bis auf Marrakesch ~ keine anderen Traveller getroffen habe und fast nur mit mir alleine war. Abgesehen von den wenigen möglichen Kurz-Kontakten mit Einheimischen. Aber die Menschen hier sind einfach goldig, besonders die älteren. Sie schauen mich an und fragen: Ca va? Und wenn ich dann darauf antworte und zugleich sage, dass ich nur wenig Französisch spreche, legen sie erst richtig los und freuen sich wie ein Kind, mir etwas erzählen zu können, von dem ich nur einen Bruchteil kapiere.
Ich wünschte mir, nach meiner Rückkehr den einen oder anderen Marokkaner in meiner Umgebung zu finden, um von dieser Freundlichkeit ein wenig zurück geben zu können. Da mein momentaner Wohnort aber eher klein ist, wird sich das wohl als Wunschtraum erweisen.
Mir begegnete sogar, als ich vom Hafen zurückkam, ein Marokkaner-Vater mit Sohn, die sich auf Deutsch unterhielten. Vatern im typischen, gebrochenen Deutsch, und Sohnemann ohne jeglichen Akzent. Leider hörten sie wegen des Straßenlärms nicht, dass ich sie ansprach, und ich mochte nicht hinter ihnen her rennen. Kurz vorher hatten mich zwei junge Mädchen angesprochen, von denen eine „marokkanische Holländerin“ war, die den marokkanischen Teil ihrer Familie für 14 Tage besuchte und nun mit ihrer Cousine die Stadt unsicher machte. Die sprach nur Französisch & Arabisch, während die „Holländerin“ auch des Englischen mächtig war. Die Kurze hatte die Nase von Marokko, der Stadt und den jungen Männern mit ihrem Macho-Gehabe incl. ihrem andauernden Sich-ans-Gemächt-greifen, so was von voll, dass sie, wie ein Kind auf Weihnachten, sehnlichst auf den Rückreisetag wartete.

Dass sich ein junges Mädchen aus Holland ~ selbst wenn es marokkanischen Hintergrund hat ~ es nicht gerade anregend findet, dass Jungs ab einem bestimmten Alter ~ und Männer sowieso ~ meinen, permanent und überall mit gezielter, großartiger Geste und sicherem Griff kontrollieren zu müssen, ob sich der ach so wichtige kleine Unterschied noch an Ort und Stelle befindet oder vielleicht doch auf geheimnisvolle Weise abhanden gekommen sein könnte, kann ich gut nachvollziehen. Es sei denn, dass sie durch die Bank von Filzläusen befallen sind. Wer weiß?
Im Gegensatz zu ihr fand ich diese Macho-Geste auch in anderen Ländern immer zum Piepen, zumal dieses Ritaul ja im Laufe eines Tages unzählige Male ausgeführt werden muss. Möglicherweise ist es ja eine genetisch bedingte Ersatzhandlung, weil es sich nicht mehr schickt, wie ein Hund sein Revier mit ein paar Urinspritzern zu markieren.
Bevor die Mädchen mich ansprachen, bekam ich mit ~ ohne zu wissen, ob der Greifmechanismus zuvor erfolgt war ~ wie die emanzipiertere der beiden ein paar Jungs verbal in die Flucht schlug. Ich schätze, mein Schmunzeln dürfte der Grund zur Kontaktaufnahme gewesen sein.
Dieser Weg zum Hafen & zurück, der mich durch die Stadt und um die halbe Bucht führte, war eh etwas, was ich mir genauso gut auch hätte sparen können, wenn es nicht das ein oder andere zu beobachten und zu sehen gegeben hätte. Z.B. die blühenden Agaven, die mich auf Grund der Tatsache, dass sie vorher einen, im Vergleich zur Größe der Pflanze riesigen Trieb ausbilden, an dem dann filigran, wie mit der Nagelschere getrimmte Dolden wachsen. Prächtige Scherenschnitte der Natur, die ich schon oft bewundert und fotografiert hatte. Aber dass an deren äußeren Enden gelblich grüne Blüten aufbrechen, sah ich hier zum ersten Mal.
So, wie ich hier auch zum ersten Mal junge Burschen in schwarzen Hochglanz Karossen mit dem Stern zu sehen bekam, die ich ebenfalls zuvor nie auf unseren oder anderen Straßen gesehen hatte. Keine Sportwagen, sondern zweitürige Limousinen mit sportlichem Charakter, mal als Cabrio, mal als Coupe. Und alle mit NL oder B am Heck, was in mir den Verdacht aufkommen ließ, dass diese Jungs die Einkäufer des Hanfs sein könnten, der dann in Amsterdam, Antwerpen oder wo auch immer wieder vertickt würde.
Dabei wollte ich am Ende meines Spaziergangs nur im vom LP gepriesenen Hafenrestaurant Club Nautique leckeren, fangfrischen Fisch essen. Was jedoch gründlich misslang. Denn dort habe ich den wohl am wenigsten gut schmeckenden Fisch serviert bekommen, der je auf meinem Teller gelandet ist. Sämtliche Bestandteile der bestellten Fischplatte waren fast so dröge, wie Trockenfisch in meiner Vorstellung schmecken dürfte. Der „frische“ Salat schmeckte wie aussem Glas und reklamieren war auf Grund ungenügender Sprachkenntnisse kaum möglich. Meine kleinliche Rache war, es gab kein Trinkgeld, keinen einzigen Dirham, obwohl der garcon ja sicher wenig bis gar nichts dafür konnte.
Das einzige, was gut war, war der Blick von der Terrasse im Obergeschoss auf den Hafen und dass auch alkoholisches zu haben war. Dabei hätte ich vorgewarnt sein sollen, ob der gähnenden Leere des gesamten Restaurants, die ich leider auf die Nicht-touristische-Zeit schob.
Ganz anders dahingegen war das Espace Miramar (auch eine LP Empfehlung), das dem Club Nautique auf der anderen Seite der Bucht ~ also ziemlich in der Nähe meiner Bleibe ~ gegenüber lag. Das ist eine Art Freiluft-Lokal, das sich über 5000 qm² auf den Klippen über dem Meer erstreckt, in dem sich unterschiedliche Restaurationen an unterschiedlich gestalteten Plätzen abwechseln. Hier habe ich mehrmals versucht, einen Platz direkt am Klippenrand zu bekommen, aber nie ist es mir gelungen. Ich musste jeweils die zweite oder dritte Reihe akzeptieren oder mir ein anderes Lokal suchen. Was natürlich ebenfalls interessant war, zumal die anderen kleineren Lokale erst dann ihren Reiz zu erkennen gaben, wenn man von der Straße aus bis in den hintersten Bereich durchmarschiert war, um feststellen zu können, ob dieser Raum auch hier über die Klippen ragte. Was halt nicht in jedem Lokal der Fall war. Und wenn ich dann das Glück hatte, einen Platz direkt am Fenster zu ergattern, fehlte nur noch die Brise.
Alles in allem war und ist Al Hoceima eine niedliche, teilweise recht hübsche Stadt, deren Besuch nicht zwingend nötig gewesen wäre, wenn die zuvor beschriebenen Überlegungen mich nicht dorthin geführt hätten. Denn in den nahegelegenen National Park wollte ich mal wieder nicht, weil mir so etwas alleine nun mal keinen Spaß macht. Und nach Badeurlaub an den drei möglichen Stränden war mir auch nicht, so verlockend sie auch sein mochten.

 

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