Mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien usw!

 

Fähre

25.08. bis 26.08.2007

 

Wieder einmal die Klotten geschultert und vorm Bahnhof Sassnitz die Abfahrtmöglichkeit zum Fährhafen Murkau gesucht. Um die Taxis einen Bogen in Richtung Busbahnhof geschlagen ~ ach, wie relaxt ich solche Dinge inzwischen doch mache und finde. Selbst mein Gepäck, dass immer noch kein Leichtgewicht ist, folgt mir fast von alleine.

 

Fährhäfen ähneln sich alle irgendwie, machen auf mich einen unpersönlichen Eindruck. Wenn man sich mal Fotos anschaut von Auswanderungshäfen ~ die ja im Grunde genommen auch nix anderes waren, als Fährhäfen in eine neue Welt ~ bekommt man da einen anderen Eindruck, da brodelte das Leben, auch wenn es für die meisten vielleicht erst einmal nicht das glücklichste gewesen sein dürfte.

 

Die pure Sachlichkeit breitet sich hier dahingegen überall aus. Alles, was nicht unbedingt geöffnet sein muss, ist geschlossen. So gibt es nicht einmal die Möglichkeit einen Kaffee zu schlürfen, oder 'ne Kleinigkeit zu essen. Dabei habe ich Kohldampf, denn die Pizza liegt schließlich schon eine kleine Ewigkeit zurück, meldet mein Magen. Neidisch schaue ich denen zu, die vorsorglicher gehandelt haben. Bei einem älteren Paar sieht es aus, wie beim Picknick. Ein Deckchen auf die Bank gelegt und darauf diverse Leckereien, 'ne Thermoskanne gepackt und alles, was dazu gehört, um noch einmal im alten Land zu speisen. Die Glücklich-Satten.

 

Mir bleibt nur der Weg über eine Art Geheimgang ~ besser Geheimtreppe, den mir die Checkin-Dame verriet ~ zwei Geschosse mitsamt Gepäck abzutauchen, um dort in einem Laden für die nordischen Schnapsdrosseln zu schauen, ob sich vielleicht außer flüssigem Brot und härteren Sachen, auch andere nahrhafte Dinge in den Regalen befinden.

 

Kaum zu glauben, aber meterweise Alkohol, aber nur einen Meter mit Bonbons, Smarties, Schokoladen und Riesentüten mit gemischten Keksen, die ich nicht mag. Was soll's. Tapfer nach den praktischen Quadraten gegriffen ~ eine mit Nougat und eine mit Mandelsplittern ~ und fürs gleiche Geld wieder hochgestapft und fast noch in die falsche Richtung getapert, da bereits das erste Quadrat geschlachtet war und verzehrt wurde. Das zweite Quadrat fristet noch heute (28.08.) sein einsames Dasein in meinem Rucksack und wartet auf den Tag seiner Bestimmung.

 

Warten kann lang sein, selbst wenn sich eine selbstlose Tafel Schokolade opfert und einem das Dasein versüßt. 16 Uhr Abfahrt der Fähre, 3 Stunden vorher einchecken, zuzüglich die Zeit, die ich wegen Bahn und Bus früher dort sein musste. Das nervt schon, und ich begreife bis heute nicht, warum das sein muss. Aber dazu bin ich vielleicht einfach nur zu dumm. Wenigsten hamse hier noch nicht den in meinen Augen überkandidelten Quatsch mit den Zipp Beuteln usw. eingeführt.

 

Und dann endlich ~ LEINEN LOS. Aber vorher schon das Schiff um seine Bekanntschaft gebeten. So nach dem Motto: „Zeigst du mir, wohin dieser Gang führt, damit ich ihn nie wieder betreten muss.“ Und „Wo komme ich da hin, wenn ich dort langgehe?“ Das Schiff ist ein Irrgarten von engen Gängen, steilen und engen Treppen, denen ich irgendwie in der Hoffnung folgte, dass mir möglichst wenig Menschen entgegen kamen, da ich mit meinem Dopelwopper den Gang und auch die Treppen blockierte. Aber nicht nur die Verbindungsmöglichkeiten, auf dem Schiff von A nach B zu gelangen waren eng, auch der Raum mit den Pullmannsesseln. Extra Aufenthaltsräume, wie ich sie von anderen Fähren kannte, gab es hier nicht. Wenn man mal die Käptenslounge und den Speiseraum außen vor lässt. Aber beide wurden nur zu festen Zeiten geöffnet, und mit dem Käpten mussten man saufen, nur so da sitzen ging nicht.

 

Apropos saufen, das wurde großgeschrieben. Zum einen von den russischen und litauischen LKW Fahrern und zum anderen einer Motoradgang, die sich erst über ihr mitgebrachtes Fässchen hermachten, es tassenweise im Schnelldurchgang austranken, um dann noch die Bestände des Schiffes zu dezimieren. Heidewitzka, man gönnt sich ja sonst nichts. Aber wenigstens wurden keine schmutzigen Lieder zur Laute ~ oder noch heftiger, typische Trinklieder „Warum ist es ... „ usw. ~ angestimmt, auch wenn es manchmal, insbesondere im LKW-Fahrerlager schon ganz schön laut zu ging. So gut geölte Kosakenkehlen geben da schon ganz schön was her und vor allem alles. Auch OhroPax ist da nur noch so etwas wie ein Schalldämpfer, der aber immerhin ein Wegduseln ermöglicht.

 

Viel mehr wäre aber auch ohne die allgemeine Geräuschkulisse kaum möglich gewesen, denn Pullmansitz ist nicht gleich Pullmannsitz. Und diese hier waren zusätzlich noch eine Klasse für sich. Wenn ich das mal so sagen darf. Die Sitzfläche zwar verstellbar, aber ab einem bestimmten Grad kippte die Sitzfläche weg. Dafür blieben die Armlehnen gleich fest an ihrer Stelle, so dass sich kaum Gestaltungsmöglichkeiten ergaben zumindest ein wenig Bequemlichkeit ins nächtliche Dasein zu bringen. Bis ich die Faxen dicke hatte, meine selbstaufblasende Isomatte sich aufblasen ließ und mich auf dem Fußboden breit machte. Selten auf dieser Überfahrt so gut geschlafen, wie ab diesem Moment.

 

Andere hatten noch bessere Einfälle, zumal auch dieser nicht meinem Mist entwachsen war, sondern dem eines jungen Mannes, der mir schon beim Einchecken auffiel, weil er neben seinem Rucksack noch eine nicht ganz kleine, entsprechend gewichtige Alu Kiste dabei hatte. Ich sollte später noch erfahren, was es damit auf sich hatte. Er, wie die anderen verfügten aber wohl nur über mehr Erfahrungen. Zwei Frauen hatten sich gleich komplett abgesetzt und im weit entfernten Kinderspielraum einquartiert. Ein etwas jüngeres, aber dennoch „älteres“ Paar hatte noch eine Kabine nachgebucht, was mein Stolz aber nicht zuließ. Und mein junger Freund, Merlin des Namens, hatte sich im Raucherzimmer einquartiert, in dem nachts ja eh niemand mehr qualmte. Und die Erkenntnis daraus? Auf der nächsten Fähre werde ich glatt früh genug nach dem Kinderspielraum oder ähnlichem Ausschau halten, um dann derjenige welcher zu sein. Wie man sieht, Reisen bildet zweifelsfrei und sei es nur eine praktische Ader.

 

Trotzdem hatte der beginnende Morgen dann für all diejenigen, die keinen Rausch auszuschlafen hatten, etwas zu bieten, nämlich die Fahrt unserer Fähre nach Osten, genau in einen Sonnenaufgang auf der Ostsee. Traumhaft, anders ist es nicht zu bezeichnen. Und damit waren wir auch fast schon am Ziel, um 11, statt um 12 Uhr, wie es auf meinem Ticket noch hieß. In Litauen gehen die Uhren nämlich etwas anders ~ 1 Stunde Zeitverschiebung = Zeitgewinn.

 

Und dann betrat ich baltischen, genauer litauischen Boden, nachdem die Fähre nun nach 18 Stunden langsam in den Hafen einlief. Vorbei an einer Skyline, die zuerst aus der Landzunge des Kurischen Haffs bestand ~ was ich zu dm Zeitpunkt aber noch nicht wusste ~ und dann der typischen Hafenoptik aus Kränen, Docks und Schiffen, hintermalt von der Silhouette Klaipedias.

 

Wir verließen gemeinsam das Schiff, Merlin ~ der Zauberer ~ und ich glaube, er ist einer, so, wie er mit den Gegebenheiten umging. Wie hatte ich mir nur verkneifen können, ihn auf seinen Namen anzusprechen? Wahrscheinlich deshalb, weil er das sicher oft genug hört. Er wird für mindestens ½ Jahr in Vilnius leben, an der Uni zu tun haben und seine Diplomarbeit schreiben. Daher die Kiste, schließlich benötigt man ja das ein oder andere für so ein Unterfangen. Mannomann, ich könnte diese jungen Menschen glatt beneiden, um die Möglichkeiten, die sie haben und wahrnehmen. Tu ich aber nicht. Bin ich doch selber nun endlich dort, wo ich wahrscheinlich schon sooo lange hin wollte und mir dennoch immer nur selber im Wege stand.

 

Wie konnte es sonst sein, dass ich mich die ganze Zeit, und zwar ab dem Moment, als ich verinnerlicht hatte, dass ich tatsächlich auf der Fähre bin, und diese auch genauso tatsächlich durch die Ostseewellen dümpelt, endlich so fühlte, wie ich es mir bereits für meine allererste Zugfahrt von Hannover nach Leipzig gedacht hatte? Ich fühlte mich so frei und mir selber, dem Leben so nah, wie ich mich noch nie gefühlt hatte. Das wurde aber in Klaipeda noch deutlicher. An der Stelle also dazu später noch etwas mehr.

 

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