Mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien usw!

Greifswald

Etappe 5 ~ Di. 21. bis Sa. 25.08.2007

 

Herrlich, so relaxt war ich bisher noch nicht an einen neuen Abschnitt meiner Reise herangegangen. Statt schon am Vorabend alles zu packen, habe ich es erst vorm Frühstück getan. Und das ohne jegliche Nervosität, die „normalerweise“ bei mir dazu gehört. Die Brötchen und alles was es dazu gab, mümmelte ich in aller Ruhe weg ~ gemeinsam mit den beiden vom gestrigen Frühstück, um dann meine Klamotten runter zu bringen, die Schlüssel abzuliefern, dem Herbergsvater ~ ob man den heute noch so nennt? ~ Tschüss zu sagen und mich die paar Meter zur Straßenbahnhaltestelle zu bewegen. Ein Novum fürwahr, was sich aber gut anfühlte.

Und dort saß doch glatt der ältere Herr ~ dieses Mal mit seiner Frau ~ den ich neulich in der Tram nach irgendetwas gefragt hatte. Er schaute mich an, erkannte mich ~ wie ich ihn ~ und gleichzeitig ging neben dem Guten-Morgen-Gruß ein Lächeln über unsere Lippen. Wohl auf Grund meiner Ausstaffierung wollte er wissen, ob es zurück nach Haus ginge. Was ich natürlich verneinte, um ihm dann auf seine nächste Frage nach dem Wohin, zuerst meine nächsten Schritte, Rügen, Litauen usw. anzubieten. Ich musste es einfach etwas spannend machen, wozu auch mein geflügelter Satz gehörte: Ich will mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien.“

Es machte halt jedes Mal einen Heidenspaß, die Energie zu spüren, die in und hinter diesem einfachen Satz lag. Sie wog all das auf, was z.B. in solchen Momenten, wie am Sonntag, meinem Traum schier das Lebenslicht ausblasen wollte.

Als die Bahn dann kam, verabschiedeten sich die beiden mit einem sympathischen Händedruck und den besten Wünschen. Auch hier wieder wildfremde Menschen, die einfach nur für ein kleines Stück in mein Reise-Traum-Boot eingestiegen und mitgekommen sind. Ein kleine Begegnung am Rande meines Weges, wie schon wenig zuvor die mit dem anderen Paar in der Juhe.

 

Nun folgte ich ein letztes Mal dem Schienenstrang der Linie 3 in Richtung Bahnhof / Demianiplatz usw. und stapfte dann, meine Fahrkarte in der Tasche, die ich ~ wie zuvor ~ schon am Vortag gekauft hatte, zum Abfahrtsgleis 12.

Stapfen, anders konnte ich meinen Gang, trotz aller bereits erfolgten Marscherleichterungen, immer noch nicht nennen. Von wegen leicht und federnd, ich kam mir vor wie ein schwergewichtiges Nilpferd o.ä., dass zwar nicht durch irgendeine Savanne stapft, aber immerhin durch eine Steinwüste namens Stadt. Mein Gepäck schaukelte mich bei jedem Schritt hin und her, und das immer noch ungewohnte, und nach meinem Dafürhalten immer noch zu hohe Gewicht, verlagerte meinen Schwerpunkt in einer Form, die mich schon manches Mal ein Stück weit in eine Richtung drängte, die ich eigentlich gar nicht angepeilt hatte. Nach den allgemeinen Empfehlungen für Backpacker ~ falls es so etwas gibt ~ hatte ich mich wahrscheinlich völlig falsch und mit zu viel bepackt.

Obwohl ich bereits eine ganze Weile vor der Abfahrtszeit (9 Uhr 51) eingetrudelt war, befand sich mein Zug bereits in Wartelaune. Und so konnte ich mir ganz gemütlich als allererster Fahrgast meinen Platz aussuchen, meine Klamotten verstauen und es mir bequem machen. Und auch wenn ich es noch nicht wusste, aber diese Fahrt (meiner bisher längsten), gestaltete sich etwas anders, als die bisherigen. Mal abgesehen davon, dass alles fahrplanmäßig lief, gab es während der Fahrt zwei Begegnungen, wie ich sie sonst noch nie auf Zugfahrten hatte.

Beide Male hockte ich in meinem second class Sessel und las. Beim ersten Mal saß ich in einem etwas kleineren Zugabschnitt gegen die Fahrtrichtung, weil die einzigen beiden Möglichkeiten, in der von mir bevorzugte Richtung zu sitzen, bereits von zwei Frauen besetzt waren. Einer jüngeren und einer älteren.

Die jüngere saß mir schräg gegenüber auf der anderen Seite des Ganges. Sie hatte ähnlich viel Gepäck dabei wie ich, nur dass es kein Rucksack war. In meinen kleinen Lesepausen schaute ich immer mal wieder rüber. Nicht, weil sie besonders hübsch war, sondern einfach, weil ich in solchen Situationen schon immer gerne Menschen betrachtet / sie verstohlen beobachtet habe. Was mochten sie in dem Moment denken, fühlen? Wohin fuhren sie? Und was es ansonsten noch Wissenswertes gegeben haben mochte.

Als es wieder einmal soweit war, sah ich, dass sie weinte, sehr darum bemüht, es nicht zu zeigen. Entsprechend war auch meine Reaktion, ich schaute sofort wieder weg, um ihren stillen Wunsch zu respektieren. Aber dann reagierte ich anders, stand auf, ging zu ihr rüber und fragte etwas in der Richtung: Kann ich helfen, geht es Ihnen nicht gut? Sie schaute mich nur groß an, schüttelte den Kopf, und ich setzte mich wieder.

Ein paar Haltestellen später stieg sie aus, lächelte, neigte leicht den Kopf und sagte leise Dankeschön. Fast erschien es mir, als wäre sie stumm, denn ihre Lippen bewegten sich nicht einen Deut. Irgendwie hatte das Ganze etwas Unwirkliches und dennoch anrührend Menschliches, jedenfalls ließ es mich noch eine ganze Weile nicht los. Aber, um das Profane nicht außen vor zu lassen, durch ihr Aussteigen konnte ich auf ihren Sitzplatz umziehen. Auf diese Weise hatte ich mehr Platz ~ die BuBa orientiert sich anscheinend bei neueren Zügen an den engen Sitzabständen der Charterflieger ~ und saß in Fahrtrichtung, was noch eine Rolle spielen sollte. Und zwar in, bzw. sofort nach der Abfahrt von Berlin.

Hier wurde ein Zug zum ersten Mal, seit dem ich unterwegs war, so knüppeldicke voll, dass ich schon ein schlechtes Gewissen bekam, weil meine beiden Rucksäcke eine komplette Bank für sich beanspruchten, da es in diesem Abteil und im ganzen Zug keinerlei Gepäckablagen gab. Der moderne Zugreisende lässt sein Gepäck per entsprechendem Dienst vorausgeschickten, behauptete frech eine Werbung unserer Bahn.

Dass dem nicht so ist, war hier deutlich zu sehen, denn fast jeder hatte eine Tasche, einen Koffer, oder auch mehr dabei. Und all das musste nun irgendwie und irgendwo verstaut werden. So ähnlich muss es in Flüchtlingszügen aussehen, nur dass die Bagage der meisten Reisenden in diesem Zug in aller Regel aufwendiger daher kam, als ein schlichter Flüchtlingskoffer. Von meinen Rucksäcken mal ganz abgesehen.

 

In diesem Platz- und Gepäck-Verteilungskampf-Tohuwabohu hörte ich dann plötzlich eine Frauenstimme, die sehr bestimmt von sich gab, dass sie einen Platz in Fahrtrichtung brauche, weil ihr sonst schlecht würde. Und dann wollte sie von mir wissen, ob neben mir der Platz noch frei sei, obwohl auch er, der allgemeinen Not gehorchend, natürlich von jemandes Gepäck belegt worden war.

Naja, das war dann schnell erledigt, sie bugsierte sich und ihr Gepäck irgendwie in die verbleibenden Lücken und damit hatte ich nun statt einer nicht besonders attraktiven Tasche, eine bezaubernde Frau an meiner Seite. Gut hört sich das an, oder? Ich sage auch ganz bewusst nicht junge“ Frau, denn das war sie nicht. Was aber auch gar nichts daran änderte, dass sie diese Eigenschaft des Bezauberns hatte. Und genau damit lud sie mich zum Essen ein. Jawoll. Und das in einer Regionalbahn ohne Speisewagen und ähnlichem.

 

Aber erst noch Folgendes:

 

Was ich immer wieder beobachte ist ~ auch bei mir ~ dass wir Menschen kaum anders gestrickt sind, als beispielsweise Hühner. Ja, ja, das animalische in uns. Krokodilhirn und Verwandtes lassen grüßen. Wie ich das meine? Nun, bezogen auf die Platzwahl und Platzfindung, kann ich nur sagen, beobachtet euch und andere mal, wenn sie ihren Platz gefunden haben, bzw. ihn einnehmen. Und beobachtet mal ein Huhn, falls ihr noch nicht das Vergnügen hattet. Dieses essenswerte Tier ~ wenn es denn tun darf, was es gerne tut ~ dreht und wendet sich so lange, bis es genau die Position gefunden hat, in der es nun die nächste Zeit verbringen möchte. Bei einem Hund lässt sich das auch beobachten. Und genauso auch bei einem Menschen. Wie auch hier. Es dauerte einen guten Moment und dann saß sie. Ein Bein über das andere geschlagen und den dazugehörigen, in schwarzes Lackleder gekleideten Fuß leicht auf die Vorderkante des gegenüberliegenden Sitzes gelehnt ~ irgendwie hatte das was ~ entnahm etwas ihrer fraulich großen Handtasche und wickelte dieses Etwas aus. Eine Pizza, zu der ich eingeladen wurde zuzugreifen. Ein bisschen Geziere ~ wie bei Muttern gelernt ~ und schon mümmelten wir gemeinsam und genüsslich die in kleine Stücke geschnittene Pizza weg.

Tja, sind diese Vorkommnisse nun etwas Besonderes? Eigentlich nein und dann wieder doch. Denn ich fragte mich eh schon die ganze Zeit, was gibt es oder gab es bisher an Besonderem? Mangels der abenteuerlichen Dinge, die manche Traveller zu berichten haben ~ ich aber bisher nicht ~ kann ich nur solch kleine Dinge berichten. Und dabei werte ich sie als einen wichtigen und besonderen Teil meiner ersten fünfundzwanzig Tage.

 

Auf dieser Fahrt galt es zweimal umzusteigen, bis ich dann ~ dieses Mal pünktlich ~ um 17 Uhr 19, doch etwas steif nach der langen Fahrt, in Greifswald aussteigen konnte und mich auf die Suche nach einem Bus der Linie 1 machte, der lt. Info in Richtung Juhe fahren sollte. Auch hier wieder eine leichte Abseitslage vom Gesamtgeschehen der Stadt.

Aaaaber, diese Juhe schien anders zu sein, als die vorherige und noch wieder anders als meine Hostels. Sie hatte draußen ein Schild mit 3 Sternen. Bei Hotels sicher noch nix Besonderes, aber hier? Ich wusste bis dahin nicht einmal, dass es so eine Klassifizierung gibt. Und auch, wenn ich keine Ahnung hatte woraus diese Bewertung resultierte, es war etwas dran. Vielleicht einfach nur, weil ich doch eine ziemliche Sensibilisierungsphase hinter mir hatte. Jedenfalls kam sie hell, freundlich und farbig daher. Hatte sich sogar auf Behinderte eingestellt. Der Eingangsbereich, einladend, nahezu feng-shui-like mit entsprechend geschwungener Theke, die zum Nähertreten aufforderte.

Diesem Bereich war eine Cafeteria zugeordnet, mit Sitzplätzen unter anderem unter einer Glaskuppel, alles ebenfalls sehr einladend. Genau wie der große, ebenfalls freundlich-helle Essensraum. Darin würde ich am nächsten Morgen ein so reichliches und vielfältiges Frühstück vorfinden, wie ich es auf meiner inzwischen 22-tägigen Reise noch nicht hatte. Und es gab einen Internetplatz, allerdings mit den bisher höchsten Preisen. Was wohl daran liegen mochte, dass jemand von Außen diesen Bereich betreute.

Greifswald sollte sich eh als WLAN-Wüste entpuppen, in der mein zartes Pflänzchen Internet, und alles was damit für mich zusammenhing, nur spärlich gedieh. Erst am letzten Tag fand ich ein neu eröffnetes Internet Café, in dem ich mit meinem eigenen Teil ins Netz durfte. Immerhin reichte es, um Skype wieder auf meinem Rechner zu installieren, sodass ich darüber ~ wenn ich denn ins Netz kann ~ mit ein paar Leuten telefonieren konnte.

 

Mein Vierbettzimmer war nur per Scheckkarte zugänglich und ganz in sonnigen Gelbtönen gehalten, die Bettwäsche ebenfalls. Und sie passte, war nicht an allen Ecken und Enden zu klein, verschlissen und / oder befleckt. Im Zimmer gab es ein Waschbecken mit Ablage und Haken. Die Flure endeten jeweils in einem sanitären Bereich mit jeweils zwei, immer sauberen Toiletten und zwei großzügigen, ebenso sauberen Duschen mit Vorraum. Auch hier plus Haken, plus Ablage. Nahezu perfekt. Was will ein verschwitzter Traveller mehr. Wobei alles noch recht neu aussah, bis ich vom Herbergsvater erfuhr, dass es dieses Haus bereits seit 8 Jahren gibt.

Und wie in einer Juhe üblich, habe ich dieses Mal, da ich ja hier kein Einzelzimmer hatte, meine ersten Nächte seit Reisebeginn nur mit Männern geteilt, denn gemischt lief hier nichts. Es sei denn jemand bucht als Paar ein Doppelzimmer, das ist heute immerhin möglich.

 

Aber ~ nur um das mal gesagt zu haben ~ es geht mir hier nicht ums Meckern oder das Schlechtreden irgendeiner dieser Beherbergungsinstitutionen, irgendwelcher Menschen, Situationen oder sonstigem. Dazu bin ich viel zu wenig Pingelkopp oder jemand, der sich an allem und jedem stört ~ meine Toleranzgrenze ist groß genug, um nahezu alles, jedes und jeden zu tolerieren. Und wenn sich das eventuell an der einen oder anderen Stelle doch so oder anders angehört haben mag, dann bitte ich zu bedenken, dass (fast) alles, was ich z.Z. erlebe, relativ neu für mich ist, und ich im Grunde nur Fakten / Erfahrungen sammle, wenn ich feststelle, hier ist es so und dort ist es anders, um damit in irgendeiner Weise mein weiteres Abenteuer zu bestreiten.

Nicht umsonst hatte ich mir ~ neben dem Kennenlernwunsch meiner familiären anderen Hälfte ~ den Osten unseres Landes als Übungsfeld ausgesucht. Dass es nicht immer ganz leicht gewesen ist, habe ich gerne und bereits zugegeben, aber ich kam damit mehr als gut klar und genau das hatte ich schließlich gewollt, denn u.a. waren das die Herausforderungen, denen ich begegnen wollte. Wobei ich mir sicher war, dass es durchaus noch eine Steigerungsmöglichkeit auf meiner persönlichen Richterskala diesbezüglich geben könnte, wenn ich Good Old Gemany erst einmal den Rücken gekehrt haben werde.

 

Packmers, wie Otmar, mein allererster Skilehrer damals im Bayrischen Wald immer vor jeder noch so kleinen Herausforderung zu sagen pflegte.

 

Und anzupacken hatte ich vorm endgültigen Verlassen Deutschlands noch ein paar Dinge, von denen zwei mir besonders wichtig erschienen. Zum einen eine bessere Organisation meines Gepäcks, und zum anderen mein verloren gegangenes Handy. Und da sich bisher noch nichts brauchbares ergeben hatte, marschierte ich in den Telekom Shop und kaufte mir das preisgünstigste Gerät für 29,95 €, das meinem Wunsch entsprechend, nur telefonieren und SMS verschicken und empfangen konnte. Allen anderen Schnickschnack brauchte ich nicht. Damit dachte ich, sei ich bestens bedient.

Was mein Gepäck anging, fand ich einen Outdoor Laden, in dem ich 2 schmale, längliche Taschen fand, die ich seitlich, außen an den dafür vorgesehen Schnallen befestigen konnte. Dahin sollte der Kleinkram, der mir im Rucksack immer durcheinander purzelte und so schwer wieder zu finden war, wenn ich nicht alles ausräumte. Dadurch wuchs ich zwar in die Breite, aber auch da dachte ich, dass ich damit gut bedient sei.

Wäschewaschen war auch noch angesagt, wer weiß, wie das im Ausland funktionieren würde, zumal ich bisher nur mit Rei in der Tube für blütenreines Weiß und buntestes Bunt in meiner Traveller-Garderobe gesorgt hatte. In einem Waschsalon, auf dem Weg in die Innenstadt, gelang das vorzüglich. Genauso auch der letzte verbleibende Punkt meiner Liste, ein Haarschnitt, ein paar Häuser weiter. Hier konnte ich noch klar sagen, nicht so kurz bitte, oder hier noch etwas weg und dort auch noch. Aber wer weiß, wie es sein würde, wenn ich mich auf meinem weiteren Reiseverlauf diesbezüglich artikulieren müsste. Und wie das Wäschewaschen, gelang auch das zu meiner Zufriedenheit.

Und dann begegnete mir auf einem meiner Rundgänge auch noch ein anderes Phänomen, dass ich als weiteres gutes Omen für meine Reise einstufte, wie schon zuvor die beiden Sydneysider und die Inderin in Leipzig. Am Giebel des Hauses, in dem die Ostsee Zeitung residierte, entdeckte ich in großen, fetten Lettern ihr Kürzel OZ“ mit einem kreuzförmigen Stern oben drauf. Wenn das nichts ist, vielleicht zeigte sich da ja schon das Kreuz des Südens? 

 

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