Etappe 21 ~ v. Mi. 12.12. bis 29.12.2007
Teil 2
Tja, und als ich dann geweckt wurde, befand ich mich bereits in
Chengdu, neben Wolong die zweite Stadt, die sich den Erhalt der Panda Bären auf die Fahne geschrieben hat. Sie ist zugleich Hauptstadt der Provinz Sichuan, bei uns wohl eher durch das
Theaterstück „Der gute Mensch von Sezschuan“bekannt.
Stockdunkel war es noch, um fünfuhrzweiunddreißig, und ich war gespannt, ob die Abholerei hier auch so gut funktionierte, wie in Xian. Wie schnell zu bemerken war, klappte es nicht, und so sah
ich mich wieder einmal auf mich gestellt und marschierte an den Marktschreiern der Hotels und Taxifahrer zu den wartenden Taxen, um mir selber mein Taxi auszusuchen, denn immerhin hatte ich ja
die Adresse in „chinese letters“von Soms bekommen. Und dann brauste mein taxidriver mit mir durch das noch nächtliche und kaum erwachte Chengdu, anscheinend genau wissend, wo er
mich hin zu bringen hatte. Interessanterweise wird in China bereits morgens um diese frühe Zeit, wenn es noch richtig dunkel ist, die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet, so dass einzig und allein
die Autoscheinwerfer für ein wenig Beleuchtung sorgen. Irgendwie ein gespenstisches Bild.
Mein Taxifahrer kannte wohl wirklich nur scheinbar das Ziel, und als das Taxameter dann die 20 Yüan Marke übersprang, intervenierte ich, denn das konnte nicht stimmen. Und nun schaute er auf
seinen Stadtplan, korrigierte den Kurs ein wenig, wusste aber immer nicht so richtig, wo es denn lang gehen könnte, denn er fragte nach, was aber auch kein brauchbares Ergebnis brachte. Auman,
was habe ich in solchen Situationen schon meine nicht vorhandenen Chinesisch Kenntnisse verflucht. Also, trat Plan B in Kraft. Handy raus, ihm das Teil + Telefonnummer in die Hand gedrückt und
anrufen lassen. Und siehe da, so weit daneben hatte er gar nicht gelegen. Allerdings musste er vorher mit mir um die halbe Stadt gegondelt sein, anders waren die 30 Yüan nicht zu erklären, die
ich zu bezahlen hatte. Nun denn, jedenfalls stand ich immer noch im völlig Dunklen vor einem Gebäude, das eine ehemalige Fabrik hätte sein können, wenn auch zwischen höheren Wohnblocks
eingeklemmt. Als einziges konnte ich erkennen, dass das Ganze „Café
Copenhagen“hieß, von „Loft Hostel“war nichts zu sehen. Auch war
nicht erkennbar, dass hier irgendjemand auf mich wartete. Still ruhte der See und mit einem dicken Vorhängeschloss abgeschlossen – wie in China überall üblich – war auch. Sollte ich hier etwa bis
wer weiß wann darauf warten müssen, dass mal jemand aufwacht und aufmacht? Gott sei Dank nicht, denn ich entdeckte an der Seite des Gebäudes eine Klingel und ein Schild „When door closed ring the bell.“Und die ließ ich dann auch ringen.
Ich hatte mich für dieses Loft Hostel entschieden ~ obwohl mir Soms ein anderes empfohlen hatte ~ weil es sich im Internet so schön las, dass dieses Hostel in einem ehemaligen Fabrikgebäude von
einem Architekten der „Chengdu Highschool for Architecture“ins Leben gerufen wurde und außerdem ein Youth Hostel war. Meine fachliche und sonstige Neugier war jedenfalls
geweckt und wollte gestillt werden. Aber um diese frühe Zeit und der Abholpanne war ich mir nicht mehr sicher, ob meine Idee wirklich so gut gewesen war. Aber wie sich später herausstellte, war
es wirklich ganz interssant, hier abgestiegen zu sein. Zumal jetzt im Hof das Licht an ging, und ich schlurfende Schritte hören konnte, die zu einem älteren Chinesen gehörten. Im ersten Moment
nahm ich an, doch falsch zu sein. Denn ältere Mitarbeiter hatte ich bisher in keinem Hostel getroffen. Aber er bat mich mit verschlafenen Augen und ebensolcher Stimme rein, und dann stand ich
endlich vor der Rezeption des Loft Hostels. Hier sah es dann auch tatsächlich überall so aus, wie man sich halt eine stillgelegte Fabrik vorstellt. Zumeist unverputzte Wände, ein alter
unbehandelter Bretterfußboden mit allen Macken der früheren Nutzung, incl. der Reparaturen mit aufgenagelten Blechstücken usw. usf. Ich war jedenfalls gelandet und bekam auch gleich mein
gebuchtes 4-Bett Zimmer, das ich erst einmal wieder allein für mich hatte. Also nahm ich noch 'ne Mütze voll Schlaf, um mich später dann ein wenig meiner Lieblingsankunftsbeschäftigung zu widmen,
dem Erkunden des näheren Umfeldes.
Am gleichen Morgen buchte ich dann nach dem Aufwachen aber auch für den nächsten Morgen 7 Uhr 30 meine erste geführte Tour, die Panda-Tour. Und mein Ticket nach Chongqing, sowie meine Bootsfahrt
auf dem Yangtze Fluss + Hostel in der Nähe des Anlegers, John's little nest. Wenn dieser Name kein gutes Omen war?
Ich ließ mich von Viktor ~ einem charming boy ~ gekonnt überreden, statt der ursprünglich angedachten 2. Klasse mit 4-Bett-Koje, die 2-Bett-Koje der chinesischen 1. Klasse zu nehmen, obwohl mein
Konto nicht mehr so fröhlich aussah, wie noch kurz zuvor, hatte es doch ein paar etwas happigere Abbuchungen gegeben. Etwas komisch war mir schon dabei zumute, war diese Kabine doch fast doppelt
so teuer. Aber dann hatte ich den oder das Voucher in Händen und konnte nicht mehr zurück. Und um es vorwegzunehmen, als ich an Bord war und diese winzigen Puppenstübchen sah ~ in denen sich zum
einen nur 2 Betten befanden, aber zum anderen auch 4 und 6 ~ da war ich dann doch ganz froh, ein wenig mehr Raum zur Verfügung zu haben. Zumal die 2-Bett Kabinen jeweils ein kleines Duschbad
hatten, und die anderen halt nicht.
Aber noch war ich nicht auf dem Schiff, noch nicht einmal in seiner Nähe, denn die Pandas warteten auf mich. Oder ich auf sie. Und das war nun eine Tour ~ ich hätte es nicht vermutet und war
reichlich skeptisch ~ die mir sagenhaft gut gefallen hat. Also, die Panda Bären meine ich. Es war schon ein wunderschönes Ereignis, diese Tiere mit ihren schwarzen Augenrändern ~ was die bloß
nachts immer machen, das solche Ränder erzeugt? ~ in solcher Zahl und in verschiedenen Altersklassen, von den Erwachsenen runter bis zu den im letzten Jahr geborenen Jungen zu sehen. Und so früh
raus mussten wir, weil die Tiere bis ungefähr 10 / 11 Uhr ihren Bambus verputzen und sich dann eine Astgabel suchen, um dort auf Panda-Art den Rest des Tages abzuhängen. Wer wollte, konnte ich
übrigens mit einem Jung-Panda auf dem Schoß ~ Gewicht ca. 25 bis 30 Kilo ~ mit der eigenen Kamera ablichten lassen. Diejenigen, die das machten, bekamen einen Ganzkörperkondom übergestülpt +
Einweghandschuhen für die eigenen Pfoten ~ mit teddyweichem Kuscheln o.ä. war es also nichts ~ und dann setzte man ihnen das putzige Kerlchen auf den Schoß. Der bekam Bär ein Leckerli in Form von
Obst und hatte somit von der Prozedur halt auch etwas. Kostenpunkt der Aktion: 100 €uro, bzw. 1000 Yüan, die dem Panda Projekt zugute kamen.
Tja, und nachmittags wurde ich doch glatt im sogen. „Peoples Park“zu einen, nein, zwei Tänzchen aufgefordert. Und wenn ich mich nicht standhaft ge- oder verweigert hätte, hätte ich
auch noch ein deutsches Lied zum Besten geben können / sollen / müssen.
Zu diesen chinesischen Parks muss man wissen, dass sie ganz anders genutzt werden als unsere. Hier brummt immer der Bär und alle denkbaren Aktivitäten finden hier den ganzen Tag über ihren Raum.
Das beginnt mit dem frühmorgendlichen Tai Chi und geht über Musizieren (einzeln und als Band), Singen (einzeln und in Gruppen), Kartenspielen, Brettspielen, Teetrinken, Relaxen, einfach nur
Spazierengehen und Tanzen nach CD's oder Life Band und was weiß ich hinaus. Alles unter freiem Himmel und überall war was los, so dass ich kaum vom Fleck kam. In diesem Park gab es gleich 2
ziemlich große Tanzflächen an deren Rand ich stand, zuschaute und heimlich zu fotografieren versuchte. Und an der zweiten Fläche passierte es dann. Der Geiger bewegte sich spielenderweise durch
die Tanzenden auf mich zu, um mir freundlich lächelnd klar zu machen, dass ich mit dem Fotografieren aufhören sollte. Und um zu erfragen, woher ich denn käme. Und dann nahm er mich ins Schlepptau
und brachte mich zu seinen Mitmusikanten, von denen doch glatt einer Deutsch sprach. Der Typ hatte lange für HOCHTIEF China gearbeitet und ist auch in Deutschland gewesen, als die Firma noch
existierte.
Er war es auch, der mich zum Singen bringen wollte. Aber als ich ihm klar machte, dass anschließend der Platz leer wäre, gab er auf. Stattdessen wurde ich nun an eine der weiblichen Anwesenden
weitergereicht und befand mich zur Freude aller Anwesenden so schnell auf der Tanzfläche, dass ich kaum wusste, wie mir geschah. Na ja, und das mit meinen Tretern. Aber es ging, auch wenn ich mit
dieser Partnerin nicht ganz so gut klar kam. Dafür aber mit der nächsten. Und dann schwoften wir linksrum, rechtsrum, mit und ohne Ausdrehen über die Betonplatten. Zu irgendwas mussten all die
Tanzkurse ja gut gewesen sein. Dann gab es noch Applaus, und ich verließ den „chinese
dancefloor“.
Und genauso verließ ich am nächsten Tag Chengdu, wenn auch ohne Applaus, dafür mit dem Zug ~ für den ich bei der relativ kurzen Distanz und dieses Mal der Wahl eines etwas schnelleren Zuges ~
wieder einen Hart Seat Platz gebucht hatte. Nur dass es in dem Wagon keine harten Sitze gab. Alles war gut gepolstert, so dass ich schon dachte mal wieder falsch gelandet zu sein. Aber es
stimmte. „What a difference“, nein, „not a day“macht, sondern ein Buchstabe vor der Zugnummer.
Und was auch wieder stimmte, war die Tatsache, dass, wie jedes mal in letzter Zeit, dass Wetter sonnig und angenehm war, wenn ich abreiste und nicht grau und nebelig, wie während der Tage, die
ich mich in der Stadt aufgehalten hatte. Schon putzig, oder?
Aber es kam noch besser. Ich fuhr quasi in den Sommer. Draußen lachte die Sonne bei blauem Himmel in eine Landschaft, die ~ wenn es die Terrassierung der Felder nicht gegeben hätte ~ so
mediterran aussah, dass ich mich auch in Spanien oder Italien hätte befinden können. Die Bäume hingen voll mit Minimandarinen und Pamelos, diesen riesigen Supergrapefruits. 19 Grad zeigte das Zug
Außenthermometer. So konnte es bleiben, denn ich war dieses ewige Schmuddelwetter der letzten Zeit ziemlich leid. Außerdem müsste meine Allwetterjacke und meine Fleecejacke endlich mal gewaschen
werden. Aber solange ich sie auf Grund des Wetters noch täglich brauche, war daran einfach nicht zu denken.
Leider blieb es nicht bei diesem Urlaubsbild da draußen. Denn je näher ich Chongqing kam, desto weniger Sonne war draußen zu sehen, dafür aber noch mehr grauer Nebel als je zuvor. Der große Fluss
produzierte davon jede Menge, denn mit Sicherheit waren es draußen 15, 16 oder mehr Grad.
Als direkte Nachbarin hatte ich in diesem Zug eine Chinesin, mit der ich mich ~ da sie Englisch sprach ~ gut unterhalten konnte, wenn sie nicht gerade schlief. Wahrscheinlich war das Wochenende
etwas anstrengender gewesen. Wie das halt so ist.
Als Nachbarn auf der anderen Gangseite hatte einen dieser Männer erwischt, die immer und überall zu zeigen haben, ja müssen, wie „busy“sie sind. Er telefonierte pausenlos
sein Telefonbuch rauf und runter und bekam zwischendurch auch noch Anrufe von draußen. Gelinde gesagt, es konnte einem auf den Keks gehen, was es auch tat. Und nicht nur mir, wie ich an den
gequälten Gesichtern ringsherum erkennen konnte, denn der Typ telefonierte so laut, dass jeder bis in den letzten Winkel des Wagens bestens informiert war über den Inhalt der äußerst wichtigen
Telefonate dieses Herren „Wich Tig Wie Nix“.
Da es in China kaum üblich zu sein scheint, in solchen Situationen auf andere Rücksicht zu nehmen, aber auch nicht, jemanden zu bitten, doch etwas rücksichtsvoller zu sein, hatte ich einen
Gedanken, den ich gemeinsam mit einem schräg vor mir sitzenden Australier umzusetzen gedachte. Wir würden uns ~ wenn er gleich wieder so laut schreiend telefonieren würde ~ uns schräg an ihm
vorbei mindestens so lautstark, noch besser lauter unterhalten ~ weil ohne diese Maßnahme eh kein Gespräch zwischen uns möglich war.
Es war zum Piepen. Der Typ war so was von irritiert, dass er aus dem Tritt kam und nicht mehr recht zu wissen schien, was er uns und seinem Telefonpartner eigentlich erzählen wollte. Aber das
Schönste war, er wurde leiser, und wir mit ihm. Was dann folgte, war eine erste längere Telefonpause, in der es angenehm still blieb. Bis er dann sein „mobilephone“wieder ans Ohr nahm und telefonierte; in einer akzeptablen Lautstarke. Und das blieb auch so bei allen weiteren Telefonaten. Meine Chinesin neben mir, der
Australier und ich schauten uns leise feixend an, so nach dem Motto: „Siehste, es geht
doch.“
Vor Chongqing hatte ich ein wenig Bammel, da man mir verklickert hatte, dass ich den Bus 706 bis zur Endstation in der Nähe des Schiffsanlegers und John's littel Nest, meinem Hostel nehmen
sollte, da ein Taxi daraus zu teuer sei. Sicherheitshalber hatte mir Freund Viktor wieder irgendwelche Zauber-Runen auf einen Zettel gekritzelt, die ich dem Busfahrer unter die Nase halten
könnte, bzw. sollte. Aber wie bei uns, vermag nicht jeder jede Handschrift zu entziffern, denn erst einmal ging das große Rätselraten los, an dem ich mich zwecks Aufklärung erst beteiligen
konnte, als eine neu zugestiegener Fahrgast sich des Englischen mächtig erwies. Zuvor wurde mir wieder in der bereits bekannten Form geholfen, die Schaffnerin schnappte sich meine schweren
Rucksack, deponierte ihn hinter dem Fahrer, sinnigerweise etwa im Genickbereich und nötigte mich gemeinsam mit anderen Fahrgästen in dem überfüllten Bus auf einen Sitzplatz, der allerdings erst
noch freigemacht werden musste. Will heißen, sie befahl dem dort Sitzenden, für mich seinen Platz zu räumen, was mir sehr peinlich war. Dann kam sie immer mal wieder vorbei, um nach dem Rechten
zu sehen, mich keiner geklaut hatte oder was weiß ich warum. Mal ganz im Ernst und unter uns, bin ich bereits so alt und klapperig, dass man mir nicht einmal mehr zutraut, eine Busfahrt stehend
zu überstehen?
Na ja, da hockte ich nun auf einem völlig durchgesessenen Sitz, und wir fuhren und fuhren durch eine weitere Riesenstadt Chinas ~ die Kernstadt soll 2 Millionen Einwohner haben und alles drum
herum, was auch noch dazu gehört, noch einmal das Fünffache. Das sind vielleicht jedes Mal Dimensionen. Aber so langsam ahnte ich, warum Viktor mir von einem Taxi abgeraten hatte. Wir waren dann
etwas über ein Stunde unterwegs ~ natürlich auch wegen der vielen Haltestellen ~ bis wir endlich am Ziel waren. Und dort verblüffte mich die chinesische Art ein weiteres Mal. Denn als ich
ausstieg ~ wobei man mir meine Gepäck rausreichte ~ wurde ich von einem Chinesen gefragt, ob ich Hans sei, er sei John von John's little Nest. Da stand dieses Kerlchen doch bereits vor mir,
obwohl meine Instruktion lautete, ihn anzurufen, wenn ich angekommen sei, um mich dann abzuholen. Er wüsste halt, wann mein Zug ankommen und wie lange der Bus brauchen würde, erzählte er mir auf
meine doch etwas erstaunte Frage.
John's little Nest befand sich in einem 23-stöckigen Hochhaus in der achten Etage, mit einem sicher traumhaften Blick auf und über den Yangtze und einen Teil der Stadt, wenn denn der Nebel sich
verflüchtigt hätte, was er natürlich nicht tat. Dafür hatte ich das ganze Nest für mich, denn ich war auf Grund der Konstellation ~ die ich erst noch kennen lernen sollte ~ der einzige Gast. Und
das quasi mit Familienanschluss, denn John bewohnte sein Hostel zusammen mit seiner Frau und einem kleinen einäugigen Hund, der sein reches Auge bei einer Beißerei eingebüßt hatte.
Familienanschluss bedeutete, dass ich zusammen mit ihnen das Wohnzimmer teilen konnte, wenn ich z.B. das WLAN nutzen wollte, ich es mir sonstwie gemütlich machen wollte oder dass ich bei den
beiden Abendessen als ihr Gast mit ihnen an ihrem Tisch saß.
John hatte eine Firma, die sich u.a. darum kümmerte, Fahrgäste für eine bestimmte Yangtze Fähre zu bekommen. Und so hatte er sich mit allen möglichen Hostels in Verbindung gesetzt und ihnen wohl
klar gemacht, dass es ihr Schaden nicht sei, wenn sie für ihn die Tickets verscherbeln, egal, ob sie sich in Schanghai, Xian, Chengdu oder wo auch immer befinden. Im Gegenzug kümmert er sich um
diese Gäste und nimmt sie in seinem kleinen Hostel für ein oder zwei Übernachtungen auf, die natürlich bezahlt werden müssen, wobei das vermittelnde Hostel auch dafür noch eine kleine Provision
bekommt. Zwar nur 10 Yüan, aber immerhin. Und die für das Ticket kommt ja auch noch dazu. Es läppert sich also.
Er arbeitet aber auf Wunsch auch komplette Touren oder Weiterreisen aus, mit allen Buchungen der Tickets und Übernachtungen, die dazu gehören. Und das machte er auch gleich für mich, als er
hörte, dass ich als nächstes nach Guilin wollte. Da aber meine Zeit für irgendwelche noch so interessante Abstecher zu kurz geworden war, kamen wir nicht ins Geschäft. Was auch gut war, wie sich
noch zeigen sollte. Aber das Gnaze muss wohl recht gut laufen, sonst wäre so eine Hostel-Wohnung in dieser Wohnanlage sicher nicht möglich.
Das Einschiffen am nächsten Morgen auf dem chinesischen Dampfer – made 1970 – war dann auch kein Problem, bis auf die Tatsache, dass wir Londoner Verhältnisse hatten, was das Wetter anging. Der
Nebel war so dicht, dass ich den Eindruck hatte, mich auf hoher See zu befinden, denn von den Ufern war erst einmal nichts zu sehen. Und nebelig sollte es auch die ganze Fahrt bleiben, wenn auch
nicht mehr soooo suppig.
Ein anderer Punkt, der auf einem rein chinesischen Schiff wohl ganz normal sein dürfte, war der, dass ich zunächst erst einmal niemanden fand, der des Englischen mächtig war. Aber das klärte sich
Stück für Stück, in dem mir zunächst Steph über den Weg lief, der sich mit seiner Freundin Jil ebenfalls auf dem Schiff befand. Ich hatte die beiden schon in Chendu kennen gelernt und so konnten
wir unsere Begegnung weiter vertiefen. Dann tauchten noch zwei Schweizer, eine Französin und eine in Australien lebende Chinesin mit ihrer Tochter auf, womit sichergestellt war, dass es keine
sprachlose Fahrt werden würde.
Ansonsten war diese Fahrt nicht das, was ich mir davon versprochen hatte. Es mag am Wetter gelegen haben, denn diese spektakulären Bilder, die dieser riesige Fluss zusammen mit den Felsen links
und rechts in Bildbänden und Filmberichten zu liefern vermag, ich fand sie nicht wirklich. Okay, es war allerdings trotz des Nebels irgendwie beeindruckend, durch die Schluchten zu gleiten, diese
Landschaften, Felsformationen und all das zu sehen / zu erleben und dabei zu wissen, dass es das alles bald nicht mehr geben wird, da ja in 2008 das endgültige Aufstauen beginnt. Aber spätere
Flussfahrten auf dem Li und Hulong River haben mich mehr vom Hocker gehauen. Und auch dort war es diesig. Und die Marken, die an den Ufern des Yangtze den zukünftigen Wasserstand anzeigten,
hatten schon auch etwas Bedrückendes, weil sie erkennen ließen, welche Häuser, Dörfer, Brücken usw. demnächst verschwunden sein würden. Schon jetzt ist der Pegel seit 2003 so hoch gestiegen, das
ganze Dörfer und Städte nicht mehr sichtbar sind und teilweise ~ wenn nicht an andere Orte zwangsumgesiedelt wurde ~ weit oberhalb komplett hässlich, aber neu wieder aufgebaut wurden. Das
Beispiel hat mir wieder sehr deutlich gezeigt, zu was Politiker fähig sind, wenn sie ihren Machtanspruch um jeden Preis durchsetzen. Und dann war meine Bootstour auch schon beendet, und es ging
weiter mit Bus + Bahn ihn Richtung Wuhan.