Etappe 20 ~ v. Fr. 07.12. bis Di. 11.12.2007
Als für mich feststand, dass China ein Land auf meiner Reiseroute sein würde, war von Anfang an klar, dass ich auf jeden Fall
nach Schanghai wollte. Diese früher mal verruchte, aber immer noch irre Stadt ~ die der Matrosensprache den Begriff „geschanghait“für zwangsweise Anheuerung auf einem Schiff bescherte ~ mit dem riesigen Fluss, dem Huangpu, der mal eine der
Hauptverkehrsadern dieser Stadt war, ich wollte das alles sehen. Tja, und da bin ich dann halt einen Tag nach Nikolaus von Jinan per Express nach Schanghai gesaust und dort um 20:30 Uhr
eingetrudelt. D.h., dass mein Zug ~ wie vermutet ~ nach siebeneinhalb langweiligen Stunden in einem riesigen Hauptbahnhof einlief. Da ich aber diese Langeweile nicht gut beschreiben kann und mag,
versuche ich es auch erst gar nicht. Dieser Bericht fällt also aus, okay?
Aaaaber, 20:30 besagte auch, dass ich mal wieder im Dunkeln angekommen bin. Und zwar dieses Mal in einer wirklich heftigen, für mich bis zum Scluss kaum überschau- und einschätzbaren Stadt. Das
sollte ich schnell genug bemerken, nämlich sofort zu Anfang, auch wenn es mir da noch nicht klar war. Allein den Weg aus diesem Bahnhof heraus zu finden, war schon ein Akt, denn der hatte
Ausgänge wie ein Karnickelbau. Und bis ich auf den unübersichtlichen Schautafeln herausgefunden hatte, dass ich diesen verwinkelten und verzweigten Bau durch den Ausgang 1 zu verlassen hatte und
dann nach einem endlos lang erscheinenden Marsch durch diverse Gänge und über andere Bahnsteige auch tatsächlich verlassen konnte, war bereits eine halbe Stunde meiner Schanghaier-Zeit vergangen.
Aber danach stand ich erneut vor einem ähnlich unübersichtlichen Gebilde, das eine Art Bahnhofsvorplatz darstellen sollte und diese Funktion wohl irgendwie auch hatte.
Obwohl ich auf der Suche nach einem für mich brauchbaren Weiterkommen erst einmal nahezu hilflos wie eine Motte über diesen Platz schwirrte, versuchten mir weder diverse
„Abschlepp-Dienste“oder Taxifahrer ihre Dienste aufzudrängen, was mir zwar irgendwie seltsam
vorkam, aber nicht einzuordnen war. Aber ich wollte ja auch die Metro Station finden, um erneut mit Bravour mein spätes Hostel anzusteuern. Es gab zwar überall Schilder, die auf meine beiden
möglichen Metrostationen 3 + 4 hinwiesen, aber ich konnte weder einen Eingang entdecken, noch konnte ich den Schildern folgen, ohne über ein Gitter zu klettern, mit dem der gesamte Platz
eingezäunt war. Irgendwelche Öffnungen waren nicht sichtbar, aber irgendwie mussten doch sowohl die Taxen vor dem Gitter, als auch diese verflixte Metro Station erreichbar sein.
Und dann tauchte plötzlich eine kleine schmale Lücke auf, durch die hoffte, einen Weg auf die andere Straßenseite zu finden, um dort weiterzusuchen. Aber das war ein Ding X = nix. Es wäre nahezu
selbstmörderisch mit meinem ganzen Gepäck gewesen, an dieser Stelle den Versuch zu wagen. Also dachte ich ~ flexibel, wie ich nun mal bin ~ dann zeigste doch mal einem der Taxifahrer den Zettel
von Lin mit dem Namen und der Anschrift, obwohl die sich immer noch nicht für einen möglichen Fahrgast zu interessieren schienen. Und der erste schüttelte dann auch gleich ablehnend sein weises
Haupt und brachte mich zu einem Kollegen, der aber ebefalls dankend ablehnte. In welch exquisiter Gegend hatte ich mir denn da mein Hostel ausgesucht, auf dass gleich zwei Taxifahrer die Fahrt
ablehnten? Also doch die Metro? Nur wo sollte ich den Eingang finden, bzw. dahin gelangen?
Also lief ich nun erst einmal in der anderen Richtung den Zaun ab, bis sich auch dort dann irgendwann wieder eine Lücke auftat, hinter der sich ebenfalls Taxis befanden. Und deren Fahrer wollten
mich auch nicht einfach nur passieren lassen, sondern boten sich doch glatt an ~ wie sich das für einen anständigen Taxidriver gehört ~ mich von A nach B zu bringen. Aber auch hier war erst der
zweite nach einem Blick auf meinen Zettel zur Fahrt bereit. Und nun spielte mir mein Zahlenschicksal ~ ich kann nun mal nicht gut mit Zahlen umgehen ~ und die Tatsache, dass ich der chinesischen
Sprache nicht mächtig bin, einen Streich. Ich verstand nämlich bei unserer Preisverhandlung etwas, was sich wie 16 Yüan anhörte. Ich stimmte zu und ließ es mir nicht aufschreiben, weil ich so
bepackt und damit zu faul war, nach meinem Kugelschreiber zu kramen. Und das sollte sich rächen. Denn am Ziel angelangt, das er erst nach einigem Fragen fand, stellte sich dann heraus, dass 60
Yüan gemeint waren, ein, für chinesische Verhältnisse fürstliches Honarar und damit stand das jetzt auf Platz 1 der Hitliste. Wahrscheinlich hat der Guteste hinterher gleich Feierabend gemacht.
Es sei ihm gegönnt, denn immerhin war ich dort, wo ich hin wollte, am „Le Tour Shanghai
Hostel“.Es warnicht nur von
außen gut anzuschauen ~ es wurde angestrahlt ~ sondern auch von innen. Es hatte ein wenig den Anschein, als wenn hier so etwas wie ein Fachmann am Werk gewesen war, denn es marschierte um einiges
an den üblichen, manchmal durchaus hübschen, aber hobbymäßigen Gestaltungen der Hostels vorbei.
Na, ich hoffe, das klingt jetzt nicht allzu versnobt, aber solche Dinge fallen mir natürlich sofort auf. Wäre wohl auch seltsam, wenn nicht, gelle?
Ahnlich kompliziert entwickelte es sich am nächsten und übernächsten Tag dann weiter. So gab die Umgebung des Hostels auf meinen Erkundungsgängen nicht viel her und alles machte einen deutlich
schmuddeligeren Eindruck, als die schmuddeligsten Ecken bisher. Hier mochte selbst ich nichts aus den durchaus vorhandenen Garküchen probieren und in vielen der kleinen Lokale ebenfalls nicht.
Zumal ich ja nun wieder vor dem Problem stand, nicht zu wissen, was ich mir da bestellt hatte. Selbst dann, wenn ich anhand von Fotos an den Wänden meine Entscheidung traf, sah das Ergebnis
anders aus. So dachte ich z.B. einmal, dass ich auf Grund so eines leckeren Bildchens ein kleines, aber feines Hähnchengericht bekommen würde. Das einzige was stimmte, war Hähnchengericht. Und
zwar in Form eines hin-gerichteten, sprich mit dem Hackebeil gevierteilten Unterschenkel mitsamt des Kratzefusses, den ich jedenfalls nicht abzunagen gedachte. Das alles schwamm in einer gut
gewürzten Soße mit Zwiebeln, Sellerie und Knobi und war an und für sich ganz lecker. Aber es gab nicht ein Stückchen Fleisch, das auf Grund dieser Hackebeilmethode ohne diverse Knochensplitter
daher gekommen wäre. Es war ähnlich wie bei grätenreichen Fischen, nur dass die kleinen Knochenstückchen pieksiger waren. Was mögen die Chinesen nur daran finden, zumal es nicht zu den
preiswerten, sondern zu den teureren Gerichten auf der Karte gehörte. Na ja, lassen wir das mal so im Raum stehen.
Selbst das Metrofahren hatten sie hier zu einer Abenteuer-Reise umfunktioniert ~ jedenfalls für Leute wie mich. Das, was in St. Petersburg, Moskau oder selbst in Peking kinderleicht war, war ohne
eine Art Einführungskurs für mich in dieser Stadt nicht nachvollziehbar. Schanghai hat nämlich ein komplett anderes System, als die drei anderen. Es baut auf Automaten, statt auf Ticketshops und
Personal. Und diese Automaten sind ~ genau wie ihre Brüder in Deutschland ~ angeblich so idiotensicher gemacht, dass ich wahrscheinlich auf dieser Skala noch dahinter rangiere, jedenfalls warf
ich schon bald das Handtuch, als ich es im ersten Durchgang alleine probierte und einfach nicht raffte, was diese technischen Mitarbeiter von mir wollten. Und das trotz englischer
Anleitung.
Beim nächsten Versuch hatte ich dann einen Hostel Mitbewohner im Schlepptau, der mir dann verklickerte, wie es ging. Und sie da, jetzt rückte ich auf der idiotensicheren Skala immerhin so hoch,
dass das Gerät tatsächlich ein Ticket rausrückte. So was aber auch, denn um eins zu bekommen, muss man ganz genau wissen, wo man sich befindet und wo man hinwill. Denn hier geht es nicht für 2
Yüan einfach quer durch die ganze Stadt, nein, das Ganze war in Fahrtarifzonen eingeteilt, die es auch erforderlich machten, die richtige Linie zu wissen und sie vor allem auch zu benutzen. Wenn
das nämlich nicht geschieht, hat man später schlechte Karten, wenn man ~ nachdem man es wie ich endlich bemerkt hat ~ in eine passendere Linie umsteigen will. Das funktioniert nämlich
nicht.
Dazu ist es wichtig zu wissen, dass das Ticket eine Art Scheckkarte ist, die man an der Sperre über einen Sensor schiebt, der dann ein Drehkreuz freigibt. Und wenn man dann seine Station erreicht
hat, schiebt man diese Karte in den dafür vorgesehenen, aber kaum sichtbaren Schlitz, ist die damit los und das Drehkreuz öffnet sich auch hier.
Da ich auf Anraten meines Einweisers in Richtung A gefahren war, stellte ich bald fest, dass ich an der gedachten Umsteigestelle nicht umsteigen konnte, ohne meine Karte zu opfern. Es gab einfach
keinen Zugang zu der anderen Linie, was aus maschinenlogischer Sicht vielleicht sogar Sinn macht, da der „eigentliche“Weg, den ich normalerweise hätte nehmen müssen, der kürzere war. Hatte ich aber nicht. Und in St. Petersburg, Moskau und
Peking war das auch nie ein Problem, ich konnte immer und überall umsteigen und U-Bahn-Hopping nach Herzenslust betreiben, um so eine falsch gewählte Richtung korrigieren. Hier war es nix mit
Hopping, es sei denn über die Absperrungen.
Als ich noch nach einer brauchbareren Lösung suchte, entdeckte ich zwei Metro Mitarbeiter in Uniform. Und die schlossen mir ~ nachdem sie sich beratschlagt hatten ~ nun ganz einfach ein Tor auf,
durch das ich dann zu meiner Wunschlinie hinüber wechseln konnte. Allerdings war ich damit noch nicht am Ziel, denn die gleiche Prozedur musste ich noch ein weiteres Mal durchstehen. Aber damit
gelangte ich dann an den Ort, an den ich von Anfang an gewollt hatte, nämlich die Nanjing Road, Schanghais fußballfeldbreite Einkaufsmeile, der ich bis zum Bund folgte. Das ist die alte und neue
Bebauung am Fluss, incl. der „Perle des Orients“, dem ca. 500 Meter hohen
Fernsehturm.
Manoman, diese Straße hat was ~ man mag es mögen oder nicht ~ die teuersten Läden + riesige Menschenmassen, die sich auf ihr entlangwälzen, sodass ich mich fragte, ob es in einem anderen Teil der
Stadt auch noch Leute gäbe. Und natürlich jede Menge Touristen. Und damit meine ich die westlichen, da ich die chinesischen nicht immer als solche zu erkennen vermochte. Soooo viele europäische
Gesichter hatte ich in China zuvor noch nicht auf einem Haufen gesehen. Aber hier gab es noch etwas anderes, was mir bisher noch nicht begegnet war: Frauen, junge Frauen, die auf der Straße
rauchten und Pärchen, die engumschlugen vor aller Augen rumknutschten. Nicht viele, aber es gab sie. Beides hatte ich weder in Peking, geschweige denn in einer der anderen Städte finden können,
denn so etwas schickt sich auch im heutigen China (noch) nicht. Wie ich aus berufenem Mund in Jinan erfahren hatte, dauert es in aller Regel mindestens vier Monate, bis sich ein Pärchen das erste
Mal küsst. Alles weitere geschieht ~ wenn überhaupt ~ erst noch viel später. Für „normale“Chinesinnen ist
es auch kaum nachvollziehbar, wie schnell im Westen Partner ausgetauscht werden oder es zur Scheidung kommt. Genauso, wie das Zusammenleben ohne Trauschein höchste Verwunderung
auslöst.
Tja, und hier gab es sie dann auch wieder, die Studenten, die mir ihre Austellung oder was auch immer schmackhaft machen
wollten. Zig mal bin ich daraufhin angequatscht worden, deutlich öfter als in Peking in so kurzer Zeit. Und etliche Male ~ ein Novum, das mich weiter begleiten sollte ~ wurde ich zu wilden
Massagesessions eingeladen. Ein junges Mädchen – wenn sie denn 18 war – fiel da besonders aus dem Rahmen. Sie brauchte anscheinend unbedingt Geld und unterbot ihren Preis immer weiter, wobei
zugleich das Angebot der Möglichkeiten wuchs. Ich kam mir schließlich ziemlich hilflos vor und war froh, als sie endlich von mir abließ.
Eine andere, äußerst schnuckelige – Lim Lim hieß sie angeblich – kam äußerst charmant und liebreizend daher (ähnlich der, damals in Peking), vermied das Thema sogar lange und wollte nur ihr
Englisch trainieren. Wogegen ich ja nichts hatte. Aber ich machte ihr klar, dass unser Gespräch sofort beendet sein würde, wenn sie irgend etwas in der üblichen Richtung versuchen würde. Wir
haben dann über alles mögliche geredet, Tanzen, Sport, Familie, Scheidung und, und, und. Interessant wurde es, als sie fragte, ob ihre Schwester nicht auch dazu kommen könnte, um sich zu dritt zu
unterhalten. Und schon rief sie sie an. Tja, ab jetzt lief es dann gaaaaanz langsam doch in eine bekannte Richtung, obwohl es immer noch sehr diffus war. Tanzen gehen, Essen gehen, Kaffee
trinken, all diese Optionen kamen gaaanz vorsichtig auf den Tisch, die ich alle abblockte. Und dann kam sie schließlich doch, die Gretchenfrage, ob ich Massagen möchte und verwies dabei auf sich
+ ihre Schwester. Ich musste lachen und erinnerte sie an unsere Abmachung. Aber sie meinte es ernst, so dass ich ihr dann erzählte, dass sie eine der bezauberndsten jungen Cinesinnen sei, die ich
getroffen hätte, aber dass weder Zeit, noch Ort stimmten, da ich es vorziehen würde, solche Dinge mit einer Frau zu teilen, die ich liebe und die mich liebt. „Do you
understand what I mean?“, war meine letzte Frage, die sie immerhin bejahte und dann war mein Tschüss fällig. Aber auch hier diese traurig-enttäuschten
Augen, in die ich dabei blicken musste. Aumannoman, das war schon heftig.
Aber ansonsten machte es schon Spaß, auf dieser Straße in dieser Menge zu baden, auch ohne zu shoppen, einfach nur dazusein, mit dem Strom zu schwimmen. Was natürlich am besten später im Dunkeln
kam, als alles an Licht aufgeboten wurde, was die Stromleitungen nur hergeben konnten. Und spätestens jetzt fielen sie dann auf, die auf weihnachtlich getrimmten Geschäfte und ihre
Verkäuferscharen mit roter Zipfelmütze + weißem Bommel. Und ein kleines Chinesen Kind stand wie selbstverständlich vor einem übergroßen Weihnachtsmann und benutzte wahrscheinlich das chinesische
Wort dafür, als es auf ihn zeigte und etwas sagte. Nicht anders als bei uns. Ich bin ja was gespannt, wie es sein wird, wenn diese Tage dann tatsächlich gekommen sind, denn eigentlich ist es kein
Fest dieses Kulturkreises.
Und genauso eine Doppelwirkung hatte auch die Fluss-Szenerie mit dem Leuchturm und der anderen Bebauung. Zuerst im Hellen und dann später im Dunkeln. Faszinierend, zumal wir bei uns ja solche
Arrangements eher selten finden. Vielleicht in Hamburg, wenn auch mindesten drei Nummern kleiner.
Da aber zwischen hellem Tag und dunklem Abend noch einige Stunden lagen, bin ich mal wieder einfach drauflosgezogen, und zwar in Richtung Altstadt, wenn auch mit einem Stadtplan in der Tasche.
Dieser Teil sollte sehr ursprünglich sein, was zum Teil auch stimmte. Zu einem anderen Teil aber genauso touristisch vermarktet wurde, wie wohl alles in dieser Stadt. Und in diesem Teil hatte ich
wieder den Eindruck, in einer westlichen Chinatown zu sein. Dennoch war es natürlich interessant. Vor allem, als ich dann die touristisch ausgetretenen Pfade verließ und weit und breit keine
anderen Europäer mehr zu sehen waren. Irgendwie hatte mich der Ehrgeiz gepackt, meinem Gespür zu folgen und den Weg quer durch die tatsächliche Altstadt in Richtung Nanjing Road zu finden. Nur
leider wurde es dämmeriger und dämmeriger, so dass ich mich dann doch entschloss, dieses Experiment abzubrechen und in Richtung der hohen Gebäude am Fluss zu schwenken. Wie ich dann aber später
feststellen konnte, stimmte mein Gespür, denn die Hochhaussilouetten, auf die ich mich zubewegt hatte, gehörten zur Nanjing Road. Es hätte also funktioniert, aber das
„Und wenn nicht?“überwog halt bei diesem ersten Versuch dann doch, denn das reine Vergnügen wäre es in richtiger Dunkelheit sicher nicht mehr
gewesen. Und wie hatte mir doch in der Metro wieder einer meiner hübschen hilfreichen Geister eindringlich mit auf den Weg gegeben, als sie mich zum richtigen Ausgang
brachte: „Please, be carefull!“
Apropos Ausgang, der musste ja auch zwangsläufig wieder mein Eingang in die Unterwelt sein. Aber der war, wie alles andere vorher auch, was zur Metro gehörte, nicht leicht zu finden. Er ging ~ so
klein und winzig wie er war und dann noch in Kombination mit Geschäfts- und Lokaleingängen ~ ziemlich in diesem Gewirr unter. Zwei- oder dreimal muss ich in diesem ganzen Gewusel daran vorbei
gelaufen sein, bevor ich ihn dann doch entdeckte und abtauchte, um mich erneut der Ticket- und der restlichen Metroprozedur zu stellen. Ich hatte mir vorgenommen, mir die Streckenpläne und alles
an Informationen, die mir irgendwie weiterhelfen könnten, genauestens anzuschauen, um nicht wieder so zu enden, wie auf der Herfahrt. Zumal jetzt am Abend sicher keine Diensthabenden mehr zum
Öffnen irgendwelcher Tore zur Verfügung stehen würden.
Ich ließ also erst einmal drei Züge fahren, bevor ich mich in den nächsten traute und mich unter den Streckenplan mit den einzelnen Stationen stellte und vor allem auch die Umsteigestellen sehen
konnte. Und dabei machte ich eine entsetzliche Entdeckung. Trotz allen Anschauens fuhr ich demnach lt. diesem Plan in die Falsche Richtung. Und das, obwohl ich auf dem Bahnsteig genau meinte
gesehen zu haben, dass es nur in diese gehen könnte. Ich begann langsam an meinen Wahrnehmungen zu zweifeln und stieg an der nächsten Station aus, nur um dort erneut festzustellen, dass es die
richtige Richtung sein müsste. Nur wie konnte das sein, dass im Zug etwas anderes stand? Ausländerverarsche oder war ich einfach nur zu blöd?
Also wieder rein in die nächste Bahn, nur um wieder zweifelnd vor diesem scheiß Plan zu stehen. Bis ich dann auf die Idee kam, mal auf den Plan über der gegenüberliegenden Tür zu schauen. Und da
fiel der Groschen, denn der zeigte das Gleiche, was ich auf dem Bahnsteig gesehen hatte. Da hatten doch dieses Döspaddels glatt die gleichen Streckenpläne genommen und auf beiden Seiten
aufgebappt. Das dabei natürlich einer in die richtige Richtung zeigen würde und einer in die falsche, wurde mir jetzt klar. Aber dennoch stellte sich mir die Frage, wie so etwas Hanebüchenes in
Schanghai gemacht wird, während es in den drei anderen Metrostädten anders gehandhabt wurde, so dass sogar ich Landpomeranze damit auf Anhieb klar kam. Die hatten sogar den Teil, in den die Bahn
garantiert nicht fuhr, grau hinterlegt, während der andere Teil in der Farbe der jeweiligen Linie dargestellt wurde + Pfeilen, die in Fahrtrichtung zeigten. Idiotensicher.
Aber nun wusste ich immerhin, dass ich auf dem richtigen Weg nach Haus war und mir eine weitere Odyssee erspart blieb. Allerdings hat das Ganze auch zu einer Art Vermeidungshaltung geführt. Als
ich mich nämlich auf Grund der Tatsache, dass meine Erwartungen an Schanghai nicht das brachten, was sie hätten bringen sollen oder können, entschlossen hatte, dort nach meinem vierten Tag die
Zelte abzubrechen und nach Xian weiterzufahren, traute ich mich nicht, die Metro zum Bahnhof zu nehmen. Zumal es nicht der gleiche sein sollte, an dem ich angekommen war. Erneut musste also ein
Taxi her. Dieses Mal vom Hostel zu einem frühen Zeitpunkt bestellt, um wie immer alles relaxt hinzukriegen. Natürlich war ich nach meinem ersten Versuch schon ganz gespannt, was diese Variante
nun kosten würde. Aber das werde ich wohl nicht mehr erfahren, da trotz Vorbestellung kein Taxi aufkreuzte. Und so musste der Minibus des Hostels herhalten ~ immerhin für 10 Yüan weniger. Das ist
doch auch schon was. Na ja, und nach einer Wahnsinnsfahrt ~ wenn ich deutsche Maßstäbe anlegen würde ~ lieferte mich mein Privatchauffeur nach ca. einer halben Stunde am richtigen Bahnhof ab, und
ich unterzog mich der üblichen Prozedur, Gepäckkontrolle, Wartesaal + Platz darin finden und darauf zu warten, dass sie alle losstürmten, wie die Lemminge. Und ich mittendrin.
Da ich einen Schlafplatz gebucht hatte, landete ich wieder in einem der obligatorischen Kupees, das ich mit drei Chinesen teilte, die außer „Jes“und „No“kein Englisch sprachen. Also war mal wieder
Sprachlosigkeit angesagt, zumal auf der anderen Seite die Neugier zu fehlen schien. Sei's drum. Aber was zumindest einer der drei gut und laut konnte, war dann später das Schnarchen, wenn auch
durch das Rattern der Räder zumindest etwas gemildert. Nichtsdestotrotz war diese Nacht auf Rädern ~ wie alle vorherigen ~ keine sehr erholsame, zumal ich wieder Probleme mit der Enge und anfangs
der Wärme hatte. Und so fragte ich mich seit langem wieder einmal allen Ernstes, warum ich mir das immer noch antue, statt umzukehren.
Mit eine Rolle spielte dabei auch sicher einerseits der Verlust der Komfortzone, die Jinan nun mal erzeugt hatte. Denn ich vermisste allen Ernstes das Vertraute, dass sich dort aufgebaut hatte.
Und andererseits, dass ich mit Schanghai nicht in der erwarteten Form klargekommen war. Aber kaum hatte ich mein neues Ziel erreicht, lösten diese unguten Gefühle wieder in Nichts aus. Ich sollte
~ auch wenn es eine längere Fahrt sein sollte ~ beim nächsten Mal nur einen Soft Seat buchen, schlechter schlafen werde ich darin garantiert nicht. Schließlich hatte ich das schon auf längeren
Flugstrecken kennen gelernt und war damit immer ganz gut klar gekommen.