Teil 2
Alle weiteren
Nächte im Leo Hostel waren natürlich genauso gesichert, zumal ich jeden zweiten Tag für zwei weitere Nächte bezahlte. Und das, obwohl ich hin und her überlegte, ob ich mein Quartier nicht
wechseln sollte, denn so schön es in dieser kleinen Gasse auch gelegen war, gab doch es etwas, was ich gerne anders gehabt hätte. Nämlich das Empfinden, hier komplett am falschen Platz zu sein,
nicht dazu zu gehören. Und damit meine ich, dass sich hier in diesem Hostel im Moment fast ausschließlich junge Traveller der Party-, Sauf- und sonstiger großspuriger
„Ich will Spaß um jeden Preis“ Mentalität zu befinden scheinen, die Menschen einer anderen Alters- und / oder Einstellungsklasse aus Prinzip nicht
wahrnehmen. Die großen Ausnahmen waren halt Steffen und Torsten, die sich zwar auch beide nicht mehr in den Zwanzigern befinden, aber offen für jeden Kontakt sind, bzw. waren, denn Torsten ist im
Begriff weiterzuziehen. Aber inzwischen hat sich das Bild altersmäsig ein wenig gewandelt, und es wird sich zeigen, wie es hier nun weitergeht. Ohne die beiden hätte ich mit Sicherheit das Hostel
gewechselt.
Aber so haben wir (Torsten ohne h, wie er mir später verklickerte) halt einiges gemeinsam unternommen. Wie z.B. die Fahrt zur Großen Mauer bei Mutianju und den Besuch der Verbotenen Stadt mit dem
dahinter liegenden Jingshan Park. Wir haben versucht, einen im Loose Reiseführer mit Adresse benannten Outdoor Laden zu finden, weil wir beide unsere Rucksäcke austauschen oder ergänzen wollten.
Leider vergeblich, da sich an dieser Adresse ein anderes, neues Gebäude mit neuen Firmen befand, und niemand uns sagen konnte, wo die Outdoor Leutchen geblieben waren. Dafür fanden wir aber ein
Zentrum der geballten Elektronik Branche, die dort alles, was zum Computer und Foto Bereich gehört, in insgesamt 5 zig-geschossigen Hochhäusern in tausendfacher Weise anbietet und verkauft. Dort
waren z.B. Nikon Profikameras, wie die D200, für unter tausend Euro zu haben. Bei uns liegt der Body preislich bei 2000. Bei Laptops war das Verhältnis ähnlich. Und wahrscheinlich hätte man noch
handeln können, wie es hier halt üblich ist. Dahin gekommen sind wir zuerst mit der Metro und dann noch zu Fuß, wobei es jedes Mal noch 'ne ganze Ecke zu laufen war, so dass wir uns für den
Rückweg zur Metro dann doch ein Taxi genommen haben.
Die Metro in Peking ist sowieso ein Beförderungsmittel der besonderen Art, da das Netz noch nicht sehr weit ausgebaut ist. Es gibt eine Ringlinie und zwei Linien, die diesen Ring kreuzförmig
schneiden und weitere, die im Bau sind. Sie sind alle recht nüchtern gehalten und bei weitem nicht so interessant, wie die in St. Petersburg und Moskau. Aber sie sind besonders zu den Stoßzeiten
knüppeldicke voll und werden noch voller gepropft, als seinerzeit die Busse in Irkutsk. Und dieses Propfen ist fast so etwas wie Nahkampf oder Wrestling, bei dem rücksichtslos von den Ellbogen
und dem ganzen Körper Gebrauch gemacht wird, wenn die Situation es erfordert. Und grundsätzlich wird auch bereits eingestiegen, während die anderen noch aussteigen. Am interessantesten ist es zu
beobachten, wenn es jemand nicht so recht zu schaffen scheint, die Tür zum Aussteigen rechtzeitig zu erreichen, bevor die Metro gnadenlos dieselbe wieder schließt und abfährt. Panik pur ist dann
im Gesicht desjenigen zu sehen und er oder sie rudert mit allem was beweglich ist in Richtung Ziel, ähnlich einem Spermium auf dem Weg zum Ei. Allerdings gehört in der Metro noch der Stimmeinzatz
dazu, wobei ich nicht weiß, ob Spermien nicht auch ein Stimmchen haben und es auf ihrem Weg einsetzen. Hihi, was für 'ne Vorstellung, ich höre mal lieber auf, bevor die Phantasie weiteres
produziert.
Zur Freude eines jeden Touristen, stehen auf allen Stationen alle Namen auch in Englisch auf den Anzeigeboards, sonst käme wohl kaum jemand von uns ans Ziel. Und auch auf den Wegweisern an den
Straßen ist das so, wie auch auf guten Stadtplänen. So dass ich oder wir immer und überall recht gut zurecht kamen. Und wenn es doch mal klemmte, dann fand sich in aller Regel jemand, der helfen
konnte. Und wenn er es noch nicht konnte, wurde jeder vorbeikommende zusätzlich ins Boot geholt, so lange, bis endlich einer etwas wusste. Freundlich und zuvorkommend sind sie wirklich, die
Chinesen. Auch wenn das so manches Mal beim Überquerungsversuch einer Straße ganz anders ausschaute. Hier könnte man sich wirklich fragen, warum es überhaupt Ampeln gibt, weil sich eh niemand
daran zu halten scheint. Denn es wird gefahren und gegangen, egal welche Farbe gerade dran ist. Das heißt also im Klartext aus meiner Fußgängersicht, dass ich sowohl bei Grün, als auch bei Rot
über die Ampel latsche, genau wie die Einheimischen auch. Und da ist es egal, ob nebendran ein Polizist steht und seelenruhig zuschaut. Und es funktioniert. Allerdings behalte ich die Autos, die
natürlich ebefalls bei Rot und Grün fahren, wie ein Schießhund im Auge. Nicht dass doch noch jemand auf die Idee kommt, so einen kleinen Ausländer wie mich auf die Hörner nehmen zu wollen. Auf
jeden Fall weiß ich hier in Peking das Training zu schätzen, dass ich zuvor in den anderen Städten beim Street-Car-Surfing genossen habe.
Die Fahrt zur Großen Mauer bei Mutianju haben wir auf eigen Faust unternommen, da wir beide für die organisierten Dinge an die „normalen“touristischen Orte nicht soooo viel übrig hatten und haben. Obwohl ich mit dem Gedanken liebäugle, auch noch nach Badaling ~
einem der überlaufendsten Orte zu fahren, um einfach mal den Unterschied zu sehen. Mal schau'n.
Torsten hatte sich schlau gemacht, welchen Bus wir zu nehmen hatten und heraus gefunden, dass dieser Bus in etwas mehr als einer Stunde bis zu einem bestimmten Ort fährt, von dem wir dann noch
eine halbe Stunde mit einem Minibus weiterfahren mussten, um ans Ziel zu gelangen. Die Schaffnerin im Bus wies uns rechtzeitig auf unsere Ausstiegshaltestellen hin, und die Fahrerin unseres
Minbusses wartete am Zielort sogar auf uns, da es ohne diese Zusage nicht ganz leicht gewesen wäre, am späten Nachmittag noch wieder zurück nach Peking, bzw. zu unserem Bus zu gelangen. Aber so
konnten wir unseren Spazierang ganz relaxt angehen und uns später, nach unserer Rückkehr unsere erste Peking Ente gönnen. D.h. eine zerlegte und in Scheibchen geschnittene mit allerlei Zutaten,
wie Gemüse und dünnen Lotusfladen, in die das Fleisch + Gemüse + einer Soße zum Reinsetzen eingewickelt und dann von uns aus der Hand gemümmelt wurde. Die Chinesen schafften das Gleiche nämlich
total gekonnt mit Stäbchen, und zwar ohne dass etwas aus diesem aufgerollten Fladen heraus fiel. Manoman, und ich habe ~ je nach Tagesform ~ nach wie vor Schwierigkeiten, meinen Reis, meine
Gemüse- und Fleischstückchen chinesenlike zum Mund zu bringen. Aber einen Löffel oder eine Gabel habe ich mir bisher nicht bringen lassen und kohldampfgeschoben habe ich auch noch nicht. Außerdem
wird meine Fingerfertigkeit mit diesen Eßgeräten jeden Tag besser.
Leider war der Tag sehr diesig, so dass immer ein Teil der Mauer bei unserem Spaziergang auf ihr wegen Nebels ausfiel. Aber beeindruckend war das Teil schon. Vor allem auch, weil wir nicht die
Seilbahn genommen hatten, um erst einmal auf die Mauer zu gelangen, sondern den mühsamen Weg über die Treppen. Ich habe sie nicht gezählt, aber es müssen mehrere Hundert gewesen sein, zuzüglich
der, die wir auf der Mauer selber noch zu bewältigen hatten. Meine Puddingknie konnte ich noch zwei Tage später bei jeder kleinen Steigung oder Treppe registrieren. Aaaaber, wir hatten die Mauer
teilweise ganz für uns, da von Touristen um diese Jahreszeit nicht mehr viel zu sehen war.
Auf unserer Rückfahrt fuhren wir im Dunkeln kurz vor dem Busbahnhof in Peking durch eine Straße, in der es links und rechts nur so von Fressbuden, Garküchen und ähnlichem wimmelte, und wir
beschlossen ~ falls es uns gelingen sollte, diese Straße wieder zu finden, das am Abend drauf zu versuchen. Und wir schafften es, landeten damit aber in einem Bereich, in dem es keine Ausländer,
sprich Touristen zu geben schien, denn in keinem Lokal gab es eine Speisekarte mit englischem Text. Und so spielten wir das Spiel, mit einem Finger mit geschlossenen Augen über die Karte zu
fahren, bis er so schwer wurde, dass er wie eine Grammophonnadel auf ein Gericht fiel. Und das wurde dann bestellt. Torsten bekam einen höllisch scharfen Salat, während mein Finger die
glücklichere Wahl getroffen hatte und uns ein gut essbares Hühnchenfleischgericht bescherte, dass wir dann gemeinsam vertilgten. Zu trinken gab es nur chinesisches Bier in Riesenflaschen, die ich
immer kaum leer bekam. Obwohl ich gestehen muss, hier in Peking mehr Bier getrunken zu haben, als in Deutschland die ganzen letzten Jahre. Aber das Bier hier ist nicht so bitter, wie unseres und
vielleicht ein kleines bisschen süßlich, so dass ich es ganz gut trinken konnte. Ansonsten war dieser Schuppen, die bisher mitgenommenste Stube, die ich / wir bisher betreten hatten. Aber die
Küche war wie überall und man konnte zusehen, wie gekocht und gewerkelt wurde und das fertige Produkt, war gut. Außerdem hatten die Inhaber und die anderen Chinesen ihren Spaß an uns Langnasen,
wie wir für ihre Verhältnisse wahrscheinlich ziemlich ungeschickt mit den für sie gewohnten Werkzeugen umgingen.
Und Werkzeug wurde auch bei unserem nächsten Vorhaben gebraucht, auch wenn es nicht viel nützte. Wir hatten nämlich Fahrräder gemietet, um damit quer durch halb Peking zum Sommerpalast an der
Peripherie zu fahren. Bis zu dem Zeitpunkt hatten wir noch nicht wirklich eine Vorstellung von den Ausmaßen Pekings, denn wir benötigten incl, einiger Umwege irgendetwas zwischen 3 und 4 Stunden,
um dort hin zu gelangen und das auf Fahrrädern, die für Chinesen gemacht sind. Will heißen, der Sattel war so tief angebracht, dass wir uns wie die bekannten Äffchen auf dem Schleifstein
vorkamen. Und genau hier sollte das Werkzeug in Form eines Maulschlüssels helfen, um den Sattel zumindest etwas höher einzustellen. Was zuerst ja auch noch funktionierte, dann aber daran
scheiterte, dass das Rohr, auf dem so ein Sattel montiert ist, bereits bis zum letzten möglichen Zentimeter rausgezogen war und somit keinerlei Spielraum mehr hatte, um unsere anscheinend
längeren europäischen Beine bequemer in die Pedale treten zu lassen. Auch scheinen chinesische Hinterviertel besser mit unbequemen Sätteln klar zu kommen, unsere hatten nach einer Weile ziemliche
Probleme damit, entspannt auf diesen Martergeräten sitzen zu können. Aber hatten nicht schon die alten Chinesen die grausamsten Foltermethoden entwickelt, um ihre Mitmenschen zu quälen?
Aber wie dem auch sei, wir strampelten durch die Straßen unter Missachtung sämtlicher Verkehrszeichen, fuhren gegen den Strich, wie die Chinesen und taten alles, was sie auch taten. Nur auf die
reinen Autostraßen trauten wir uns genauso wenig wie sie, aber ansonsten waren wir total aklimatisiert und schlängelten uns so da döör. Und damit meine ich, dass auf diesen breiten beiderseitigen
Radwegen, die von den Straßen abgezwackt sind, hunderte von Radfahrern, Elektro-Mofafahrern, TukTuk Fahrern, sowie einigen Autos alle in beide Richtungen unterwegs waren, und dabei kamen sie
einem immer auf der ungewohnten Seite entgegen, genauso, wie man auch permanent auf der rechten Seite mit Schmackes + Geklingel oder Gehupe überholt wird. Also hieß es ein Auge für Vorne und eins
für Hinten anzustellen. Außerdem war das Ganze ein Slalomkurs in beiden Richtungen, und ich war immer wieder bass erstaunt,wieso es hier nicht andauernd schepperte. Bisher habe ich nur einen
Radfahrer gesehen, der einem anderen hinten drauf gefahren ist, weil der andere vielleicht abrupt gebremst oder er selber nicht aufgepasst hatte und zwei Elektro Mofas, die sich bei einem
Überholslalom in die Wolle kriegten, weil einer der beiden in diesem Vorgang plötzlich die Richtung änderte. Passiert ist in beiden Fällen nichts, außer vielleicht ein paar Kratzern im Lack. Die
Parteien wechselten ein paar Worte und fuhren weiter. Das wars. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch hier Unfälle mit anderen Folgen gibt, wahrscheinlich sogar ziemlich heftigen, zumal
es in den Autos keine Anschallpflicht zu geben scheint, denn ich habe trotz vorhandener Gurte noch niemanden gesehen, der sie benutzt hätte. Mich mit eingeschlossen. Denn wer weiß das schon,
vielleicht sind es ja nur Attrappen. Was dagegenspricht, ist, dass es immerhin zaghafte Versuche gibt, mittels Plakaten an den großen Straßen die Menschen zum Gurtanlegen zu bewegen. Aber das
wird wohl noch seine Zeit brauchen.
Na ja, irgendwann waren wir dann doch am Ziel angelangt und glaubten schon fast, nicht mehr in Peking zu sein. Und da wir unsere Drahtesel nicht mit in das Riesengelände nehmen durften, hobbelten
wir sie an und marschierten nach dem Kauf unserer Eintrittskarten los. Immer am Ufer des riesigen Sees entlang, den Palast am gegenüberliegenden Ufer permanent vor Augen. Als wir ihn dann
iiiergendwann erreicht hatten, stellten wir fest, dass wir inzwischen um den halben See gepilgert waren und es somit egal war, ob wir nun den gleichen Weg zurücklatschten oder die andere Hälfte
auch noch machten. Und am Ende hatten wir dann tatsächlich den Hauptsee komplett umrundet und bemerkten nun langsam zu unseren anderen Körperteilen auch noch unsere Füße. Außerdem aber auch, dass
wir es auf gar keinen Fall mehr schaffen würden, unseren Rückweg noch im Hellen zu schaffen. Prost Mahlzeit, und das auf unbekannten Straßen in einem Gewimmel, das schon am Tage aufregend genug
war und zusätzlich ohne Licht, da es kein einziges Fahrrad oder Mofa mit Licht gab, unsere eingeschlossen. Eine recht ungewöhnliche Voraussetzung für uns lichtverwöhnte Westler, aber lehrreich,
zeigte es doch, was alles möglich ist, wenn man mal ohne unser überfrachtetes Sicherheitssystem auskommen muss. Ich oder wir, fanden es jedenfalls herrlich. Und von mir kann ich sagen, dass ich
es nach wie vor mit jeder Faser meines Seins genieße, nicht mehr den Zwängen des mir schon lange viel zu engen Deutschlands ausgeliefert zu sein, selbst wenn es hier andere gibt, denen ich mich
zu beugen habe. Aber die sind neu und (noch) ungewohnt und damit leichter zu akzeptieren, wenn auch oft genug genauso wenig nachvollziehbar.
Und was soll ich sagen, diese Darklightfahrt war irgendwie noch interessanter, als die Tagesfahrt. Fast möchte ich sagen, romantischer, weil die Straßenbeleuchtung und die Lichter aus den
Geschäften eine Art Martinszug Atmosphäre erzeugten. Erschwerend kam nur hinzu, dass wir eine andere, kürzere Route über die großen Hauptstraßen gewählt hatten, die Straßenschilder nicht mehr gut
lesen konnten, und wie die Blindfische immer ganz dicht an die Schilder ranfahren mussten, da die englische Bezeichnung um einiges kleiner geschrieben war, als die chinesischen Hieroglyphen. Aber
wir haben es gepackt, Peking bei Nacht einmal ganz anders.
Um aber noch einmal auf dieses Ensemble Sommerpalast zurückzukommen. In Torsten habe ich eine verwandte Kulturbanausen-Seele getroffen, die es ebenfalls nicht weiter interessiert, was in den
Häusern und Gebäuden an möglichen Schätzen zu bestaunen wäre. Und so ergänzten wir uns prima, weil unser beider Neugier halt auf all die anderen Dinge ausgerichtet war, die es um die
Sehenswürdigkeiten herum geben mochte oder auch nicht. Und so konnten wir uns in diesem Gelände herrlich vorstellen, wie vor Zeiten der oder die Kaiser sich in dieser Traumlandschaft mit und ohne
ihre tausend Konkubinen verlustierten. Und das ohne zu wissen, von welchem kostbaren Porzellan gegessen wurde oder welche Prätiosen gesammelt wurden und nun bestaunt werden konnten. Oder einem
toten Staatsführer in seiner Glaskiste auf die mumifizierten Gebeine zu starren ~ egal ob Mao oder Stalin ~ war wenig, bis gar nicht reizvoll. Endlich wusste ich, dass ich doch nicht der einzige
so empfindende / denkende war und konnte mein Unwohlsein zumindest ein wenig korrigieren.
Klar war das schon vorher bei unserem früheren Besuch in der Verbotenen Stadt, die für uns nicht zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten zählte. Zum einen, weil sie so was von überlaufen ist,
bzw. war dass es einfach keinen Spaß machte, durch dieses Gelände zu laufen und zum anderen, weil es Bereiche gibt, für die zusätzlich Eintritt verlangt wird. Und so machte es uns natürlich einen
Heidenspaß, als es uns gelang, uns in diesen Bereich hineinzumogeln. Es war fast wie früher, wenn es mir mit einem Kumpel gelungen war, uns ins Kino zu mogeln. Hinzu kam, dass dieser Bereich ~ im
Gegensatz zum Rest ~ tatsächlich Interessantes zu bieten hatte, wie alte Bäume, Felsformationen, Figuren usw. Dieser Teil der Verbotenen Stadt wäre sein Eintrittsgeld tatsächlich wert gewesen,
wenn wir es denn bezahlt hätten.
Ganz anders dahingegen der hinter der Verbotenen Stadt liegende Jingshan Park, für den zwar auch Eintritt verlangt wurde, aber dafür auch gärtnerisch und auch sonst interessant war. Es machte
Laune, auf den künstlichen Hügel zu klettern und die sich dort oben befindende Pagode mitsamt einem großen schwarzen Buddha anzuschauen. Leider durfte er nicht fotografiert werden, was
wahrscheinlich eh die Grenzen meiner kleinen IXUS gesprengt hätte, da dieser Buddha nicht nur schwarz, sondern zusätzlich noch in vornehmes Dunkel gehüllt war, in dem die Gläubigen sich
nacheinander auf die Knie begaben und ihren Obulus in ein großes, bereits gut gefülltes Glasgefäß gaben. Passend zu dem im Dunkeln kaum sichtbaren Buddha war auch Peking mal wieder kaum sichtbar,
da es im Dunst lag. Ansonsten wären sicher einige schöne Fotos möglich gewesen, zumal die Sonne bereits unterging. Aber man kann nun mal halt nicht alles haben, gelle?
Daher meinte nun auch das Wetter, mal wieder einen Regentag zu den wenigen meiner Reise einschieben zu müssen. Es war nicht zu überhören, das Trommeln der Tropfen auf dem Dach beim Aufwachen,
womit dann gleich klar war, dass der Tag etwas anders gestaltet werden musste, als geplant. Und so fiel dann eine erneute Fahrt an eine andere Stelle der Großen Mauer damit buchstäblich ins
Wasser und wir legten einen Internet-Tag ein, der unter anderem dafür sorgte, dass ich endlich mal wieder mit meinen Texten für mein Diary weiterkam. Die hatte ich doch auf Grund der vielen
Aktivitäten etwas vernachlässigt. Allerdings sorgte dieser Regentag auch dafür, dass es sich deutlich abkühlte. Und am nächsten Tag war es dann so, dass es auch hier in Peking zum ersten Mal so
richtig frisch war, was leider dann auch die nächsten Tage so blieb, wenn auch bei strahlendem Sonnenschein. Die blaue lange Unterhose kam nun wieder zum Zug und ebenfalls mein Schlafsack als
zusätzliche Zudecke, da sich mein Zimmer nur über ein Klimagerät heizen ließ, und die anderen 3 Mitschläfer diese nachts konsequent abschalteten, wenn sie denn dann irgendwann eintrudelten,
während ich bereits schlief.
Und auch meine Mütze kam zwangsweise wieder zu Ehren, da ich leider den Fehler begangen hatte und einem chinesischen Friseur meine inzwischen schon wieder ganz schön gewachsenen Haare anvertraut
hatte. Seitdem kann ich nur noch im Dunkeln oder mit Mütze das Hostel verlassen, denn sie sind so kurz, wie ich sie mal zu Anfang meiner Grundausbildung bei der Bundeswehr hatte ~ damals auch
zwangsweise. Aber das mit der Mütze ist schon ganz schön lästig, denn ohne kann ich draußen kaum rumlaufen und mit wird es mir überall zu warm, wenn ich z.B. in der Metro bin oder in einem
Geschäft oder überhaupt in geschlossenen Räumen. Soon Schiet aber auch. Aber einen Vorteil hat das Ganze doch, den der morgendlichen Pflegeleichtigkeit, was die
„Verschandelung“allerdings nicht aufwiegt. Aber Gott sei Dank wachsen die Borsten ja wieder nach. Zusätzlich bemerke ich bei
diesem „Kälteeinfall“~ der eigentlich gar keiner ist ~ dass sich bei mir seit der Gobi ein Schalter
umgelegt zu haben scheint, denn ich habe das Gefühl, sehr viel anfälliger gegen Kälte zu sein, als jemals zuvor. Und das gefällt mir überhaupt nicht. Und so überlege ich, wann, wie und wohin ich
so langsam mal entfleuchen könnte, und zwar in eine Richtung, in der es wärmer ist, als hier. Vielleicht auf die Insel Hainan, die in der Nähe Hongkongs liegt. Von ihr heißt es, dass sie
tropische Temperaturen + Traumstrände zu bieten hat. Mal schau'n, was sich da entwickelt.
Aber bei diesem Wetter traf ich „unseren“Paparazzi-Chidee wieder, der inzwischen in seiner kanadischen Botschaft
gelandet war und hier mit Sonderausweis und allen möglichen Sonderrechten ausgestattet rumlief. Wir fuhren dann gemeinsam mit dem Taxi zur Marco Polo Brücke raus, über die dieser Mann damals
Peking betreten hat. Auch sie liegt irgendwo am Stadtrand und ist kaum anders als mit dem Taxi erreichbar, das Freund Chidee spendierte, da die Fahrt wohl aufs Spesenkonto ging.
Man muss diese Bridge aber nach meinem Dafürhalten nicht unbedingt gesehen haben, zumal es dort anscheinend nichts anderes an Sehenswürdigkeiten gab ~ Chidee hätte es gewusst, denn er weiß alles
über solche Dinge. Allerdings steht vor der Brücke ein interessant gemachtes ziemlich großes Flachrelief, aus dem Figuren herauswachsen und mit weiteren kombiniert ist und so besonders plastisch
wirkt. Aber auch das alte durch die Jahrhunderte ausgeformte, vielleicht besser, verformte Pflaster, hat was. Und wenn man sich vorstellt, wer und was bereits im Laufe der Jahrhunderte alles
darüber getrampelt und gerollt ist, dann kann man sich nur ehrfurchtsvoll einreihen und sich seinen Teil denken, z.B.: Marco Polo und ich ...
Etwas darf ich aber auf gar keinen Fall vergessen zu erwähnen. Und das ist das Outfit der chinesischen Kleinkinder, die schon laufen können, aber ~ wie das bei uns so schön heißt ~ noch nicht
sauber und damit heute in aller Regel Pampers-Kinder sind. Diese Kinder tragen lange Hose, die hinten über dem Po einen durchgängigen Schlitz haben und somit offen sind was je nach Bewegung auch
immer wieder offensichtlich ist und zum Piepen aussieht, wenn der kleine Po da plötzlich rausblitzt. Und immer, wenn's mal drückt, und das Kind schon allein dazu in der Lage ist, hockt es sich
hin, der Schlitz öffnet sich automatisch, und ab geht die Post. Ansonsten hilft Mama oder Papa bei dem Geschäft. Bisher habe ich mich nicht getraut so einen Blitz-Po zu fotografieren, um nicht
unter falschen Verdacht zu geraten. Weiß ich, was die Chinesen von einem Ausländer denken, wenn er so eine Situation fotografiert? Aber es wäre zu schön, wenn ich das Bild auf meine Speicherkarte
bekommen könnte. Na ja, noch ist nicht aller Tage Abend, obwohl ich jetzt, nachdem es auch in Peking kälter geworden ist, meine Chancen ~ wie die Temperaturen ~ eher gegen Null gehen sehe. Es
wird also wirklich langsam Zeit, dass ich weiterfahre, zumal ich mein erstes 30 Tage Visum bereits zur Hälfte verbraucht habe.
Wenn ich doch nur schon wüsste wie und wohin, denn dieses Riesenland ~ das wird mir erst so langsam klar ~ fordert mich wie keins zuvor. Die vielen, vielen interessanten Informationen im
Reiseführer machen es mir auch nicht leichter, verwirren mich mehr, als dass sie für Klarheit sorgen. Und Freund Torsten ist nicht mehr, er hat sich in Richtung Terrakotta Armee in Xian und den
River Yangze in Bewegung gesetzt, um diesen Fluss noch zu sehen und auf ihm rumzuschippern, bevor der ganze Drei-Schluchten-Komplex geflutet wird. Er kann mir mit seinen Erfahrungen also nicht
mehr zur Seite stehen. Na ja, bisher habe ich auch immer alles allein gemanagt, warum also nicht auch jetzt.
Sonnenuntergang an meinem ersten Abend in Beijing am Tianamen Square