Etappe 19 ~ v. Mi. 21.11. bis wahrscheinlich Nikolaus, Do. 06.12.2007
Teil 1
Und dann war es endlich, endlich so weit, dass mein Bummelzug in den Bahnhof von Jinan einlief, und ich Mali begrüßen konnte.
Nun sollte es erst einmal zum Hotel gehen, um meine Klamotten loszuwerden und dann Essen zu gehen. Aber dafür war es erst einmal erforderlich, die Hütte überhaupt zu finden. Denn Mali hatte
bisher nicht in Erfahrung bringen können, wo wir das Hotel denn wohl finden könnten, trotz Stadtplan und Nachfragen, denn es gab drei oder vier mit dem Namen „My
Hotel“ plus irgendeinem Zusatz (zwei davon habe ich
gesehen). Aber da sie recht gut Chinesisch spricht, und ich mir in Peking die Adresse in der Landessprache aufschreiben lassen hatte,
vertrauten wir uns einem Mann an, der uns zu seinem Taxi bringen wollte, welches sich dann aber als Privatwagen ohne Taxameter herausstellte. Die Preisverhandlung ergaben 10 Yüan, ein akzeptabler
Preis, lt. Mali, zumal unser Fahrer meinte, dass es weiter draußen läge. Egal, ich wollte ja auch nur diese eine Nacht dort bleiben, um dann ins Studentenwohnheim umzuziehen.
Als er dann aber schon nach kurzer Zeit vor einem anderen Hotel hielt, war klar, welches Spiel gespielt wurde. Und als wir darauf bestanden, zu meinem Wunschhotel gebracht zu werden, verlangte er
nun den dreifachen Betrag, weil es doch sooo weit draußen läge. Das wiederum hatte zur Folge, dass wir flugs mit meinen Siebensachen ausstiegen und ihn trotz seines Gezeteres ohne einen Yüan
stehen ließen, um uns gleich das nächste Taxi zu schnappen. Dieses Mal dann ein offizielles. Wobei alle Taxis innen vergittert sind. Taxifahrer leben in China gefährlich, wie man mir
versicherte.
Aber auch dieser Fahrer hatte seine liebe Mühe mit dem Namen und der Adresse, die anscheinend in dieser 5-Millionen Stadt wirklich jottwede lag. Schließlich landeten wir nach endlosem Gegurke und
lt. Zettel scheinbar an der richtigen Stelle ~ sogar die Hausnummer stimmte ~ nur leider war es eine Baustelle. Und nun, aber wirklich erst jetzt fiel mir ein, dass ich mir irgendwo auch die
Telefonnummer notiert hatte, die aber unser Fahrer, da in westlicher Zahlenmanier geschrieben, nicht lesen konnte. Ich erfuhr durch Mali, dass auch Zahlen als Symbole dargestellt werden können,
und dass wir wohl einen Chinesen erwischt hatten, der nur diese kannte. Aaaaber, sie konnte ihm die Zahlen vorlesen. Was hatte ich mal wieder für ein Glück. Und der Preis für diese wirklich
umständliche Fahrt, 19 Yüan (= 1,9 Euro ~ sorry, aber ich muss immer mal wieder auf diese unglaublichen Preise hinweisen) und keine 30. Wobei auch dieser Preis in Deutschland ein Schnäppchen
wäre, aber dafür fragt ein Taxifahrer nicht einmal nach, wo es denn hingehen soll.
Das Resultat dieses Telefonats sah dann so aus, dass wir den ganzen Weg wieder zurück brausten und mitten in der Stadt landeten, wo es mir doch gleich sehr viel besser gefiel, als da draußen am
Arsch der Welt. Der Knackpunkt war nur, dass dieses Hotel, mitten in der Stadt, an dem großem Platz lag, an dem sich auch eine der Hauptquellen, die Baotu Quelle in die Stadt ergießt, einer
exponierten Lage, die nach teuer aussah. Und hier sollte mein „My Hotel“ liegen? Na ja, immerhin stand es dran, sogar in
Englisch.
Wir also rein, ich mit etwas Beklemmung. Zumal sich auch noch herausstellte, dass hier Chinesisch, statt Englisch gefragt war. Und so konnte Mali ein weiteres Mal an diesem Abend zeigen, was es
wert ist, die Landessprache zumindest so weit zu beherrschen, um so eine Situation mit Bravour zu meistern ~ sie fanden nämlich zuerst meine Buchung nicht. Wie ich das nur mit
meinem „phrasebook“geschafft hätte ~ keine Ahnung. Aber mein deutscher Engel mit chinesischen
Sprachkenntnissen kriegte es hin. Und dann hatte ich endlich mein Zimmer. Einen Riesenraum mit Duschbad, in Folie eingeschweißten Badelatschen, genauso eingeschweißter Zahnbürste + Mini
Zahnpastatube. Er hatte einen Erker, in dem ein kleiner Tisch mit Stühlen stand. Es gab einen Schreibtisch mit Kabel für mein Notebook und einen großen Fernseher, sowie einen Trinkwasserspender
für kaltes und heißes Wasser + gefüllter Teedose + Becher + Tageszeitung. Halt allem, was in China in dieser Preiskategorie (180 Yüan = 18 Euro pro Nacht) dazu gehören mag. Juchheißa, jetzt
konnten wir zum angenehmen Teil des Abends, dem Essen übergehen, und zwar in einem dieser kleinen Lokale, in denen ich mein Essen bisher immer mit der bereits beschriebenen Fingertechnik bestellt
hatte. Dank Mali, erfuhr ich nun vorher, was ich auf Grund meiner Bestellung bekommen würde. Was mir zugegebener Maßen besser gefiel.
Und am nächsten Morgen, besser Mittag, bin ich dann in mein kleines Einzelzimmer (für 40 Yüan) auf dem Campus gezogen. Es war immerhin größer, als es bei uns Kinderzimmer im sogen. sozialen
Wohnungsbau sein durften. Aber es hatte natürlich nicht die beim Hotelzimmer beschriebene Ausstattung, bis auf den Internet Zugang. Hier hatte ich sogar statt des LAN's wieder meine geschätzte
WLAN Möglichkeit.
Jetzt darf man sich aber auf gar keinen Fall seine eigene Studentenbude in Erinnerung rufen, in der der ein oder andere mal in einem Studentenwohnheim gehaust hat, das waren ~ und wenn sie noch
so bescheiden daher gekommen sein mögen ~ die reinsten Luxusunterkünfte. Nicht so hier, auch wenn es von außen ganz nett ausah. Ich habe mehr als eine Weile überlegt, ob ich diese Details
überhaupt mit reinnehmen soll. Pauschal möchte ich sagen ~ ohne es allerdings wirklich zu wissen ~ dass dieses Gebäude in unseren westlichen Ländern auf Grund seiner inneren Gegebenheiten längst
geschlossen worden wäre.
Mal abgesehen von meinem Einzelzimmer, wurden die anderen, gleichgroßen oder gleichkleinen Räume von vier Studenten bewohnt. Das heißt, dass es in diesen Räumen 2 Etagenbetten + kleinen
Schreibtischen + etwas Stauraum gab. An den Betten waren zig Haken angebracht, um dort zusätzlich Jacken usw. aufhängen zu können. Die Räume quollen regelrecht über. Und alles, was drinnen keinen
Platz fand, fand ihn auf dem Flur. Außerdem waren die Zimmer ~ meins eingeschlossen ~ derart verwohnt, dass ich mich fragte, wann die Wände das letzte Mal neue Farbe gesehen haben könnten.
Wahrscheinlich zur Ming Zeit. Schalter, Steckdosen, Wände, alles war irgendwie pekig von vielen tausenden Fingern und Händen, die sie bereits berührt hatten. Teilweise saßen die Steckdosen lose
in ihrer Unterputzdose oder waren gar nicht mehr vorhanden. Schränke hatten keine Türen mehr und Schubläden waren aus den Führungen gefallen, ließen sich aber auch nicht wieder einfädeln. Der
Fußbodenbelag war verschlissen, und die Heizung ließ sich nicht regulieren, das Fenster im Gegenzug nicht öffnen, da die Fugen mit Klebeband verklebt waren.
Der Gipfel aber waren die Sanitärräume. Sie standen permanent einige Millimeter unter Wasser, da es überall aus irgendwelchen Undichtigkeiten tropfte oder gar lief. Die Wasserspülungen und
Wasserhähne taten das Tag und Nacht, weil die Dichtungen im Eimer gewesen sein dürften. Die Trennwände waren aus einer Art Sperrholz, das sich in der Feuchtigkeit natürlich verzogen hatte und
sich im Auflösungsprozess befand. Die Duschen hatten keine Duschköpfe mehr, so dass es eher Schwallduschen waren. Wobei warmes Wasser nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stand. Die auf der Wand
liegenden Leitungsrohre waren mehr oder weniger verrostet. Und ich dachte, in den kleinen Orten in der Gobi schon alles auf diesem Gebiet gesehen zu haben.
Für einen Moment habe ich tatsächlich überlegt, ob ich nicht doch in mein 18 Euro Hotelzimmer zurückgehen sollte, mich dann aber entschieden zu bleiben. So nach dem Motto, was diese Studenten und
Studentinnen können, das kannst du auch. Zumal es mir etwas verdeutlichte, was wir in unserem Wohlstandsdeutschland schon lange nicht mehr nachvollziehen können. Dass es junge Menschen gibt, die
unter solchen Bedingungen ihre Ausbildung machen müssen, weil sie oder ihre Eltern einfach nicht über das nötige Kleingeld verfügen, um sich z.B. ein Zimmer in einem der anderen Gebäude leisten
zu können, in dem fast nur ausländische Studenten untergebracht sind. Dort sind dann für ein Einzelzimmer mit Bad irgendwas um die 1000 Yüan = 100 Euro fällig. Ein Betrag, der für die meisten
Einheimischen nicht finanzierbar ist. Und wenn man sie hier sieht, sie machen das Beste draus, haben ihren Spaß, treffen sich zu Xt auf den Buden und sind nicht anders, als junge Menschen
überall.
Bevor ich mich aber weiter und vor allem näher auf diese Gegebenheiten einstellen konnte, machte Mali mich im Büro der Uni mit den entsprechenden Leuten bekannt, die mir möglicherweise bei meinem
Visum behilflich sein sollten oder könnten und das war's dann erst einmal für den Anfang. Sie musste wieder ins Krankenhaus, und ich ging Stromern, was sonst?
Im Unterschied zu Peking wurde hier auf den Straßen nicht ein einziges Mal versucht, mich zum Betreten eines der kleinen Geschäfte oder Lokale zu motivieren. Kein
„hello, come in, looke Miste“oder „cheap DVD“klang mir entgegen. Trotzdem war
überall Leben und Trubel reichlich. Aber irgendwie hatte ich das Empfinden, dass mich in Jinan anderes erwartete, als „action“und vieles
Herumstromern. Ruhe schien angesagt zu sein. Und das merkte ich u.a. daran, dass ich zum ersten Mal seit Reisebeginn Lust auf ein kleines Mittagsschläfchen hatte, es mir dann auch gönnte und die
ganze Zeit beibehielt, wenn ich oder wir nicht gerade irgendwo unterwegs waren. Und ich verspürte ein starkes Interesse, mir hier in dem chinesischen Krankenhaus für meine kleinen Wehwehchen ein
wenig aus der Trickkiste der TCM zu gönnen, zumal es im Gegensatz zu ähnlichen Einrichtungen in Deutschland gnadenlos preiswert war. Akupunktur + ärztliche Tunima Massage könnten nicht schaden,
schließlich machten mir hin und wieder der LWS Bereich, der Ischias und Krämpfe im Unterschenkel ein wenig zu schaffen.
Zuvor musste jedoch ein Behandlungsheft und die Anzahl der Sessions an einem kleinen Schalter gekauft werden und damit ging's dann incl. Mali und ihrer Übersetzerin zu dem entsprechenden Onkel
Doktor zur Anamnese und dann auf eine der drei Liegen. Zuvor wird von dem Behandlungsschein noch der Abschnitt für die erste Behandlung säuberlich abgerissen und nicht irgendwo im PC oder sonst
wo vermerkt. Und alles lief ganz öffentlich ab, denn auf jeder der nicht weiter abgetrennten Liegen befand sich ein Patient, sämtliche Türen waren offen, andauernd schauten irgendwelche Leute
vorbei, und die Studenten wuselten drum herum, um ja alles mitzubekommen, zumal dann, wenn sich mal ein Ausländer auf die Liege packt.
Nach gut 20 Minuten war die erste Session vorbei, und ich bemerkte, dass ich nicht gut von der Liege runter kam, und dass mir der Ischiasnerv mitteilte, dass es ihn auch noch gab. Aber beides
wurde vom China-Doktor als positives Zeichen gewertet, was ich wenig später dann auch akzeptieren konnte, denn ich spürte ein Leichtigkeitsgefühl, das vorher in dieser Form noch nicht da war. Und
auch der leichte Ischiasschmerz hatte sich verdünnisiert. Na ja, Mali hatte mir halt den Kontakt zu einem der Könner am Krankenhaus verschafft. Und das Ganze für ein Taschengeld (60 Yüan für 3
Behandlungen + 7 Yüan für das Heft, summasummarum 6 Euro siebzig ~ und unsere Ärzte kratzen bei ganz anderen Honoraren teilweise am Existenzminimum, der Stadtort BRD ist halt teuer). Die Tunima
Massage habe ich von ihrer Ärztin sogar geschenkt bekommen. Allerdings hatte diese ~ neben den angenehmen Momenten ~ auch ihre strapaziösen, in denen ich am liebsten von der Liege gehüpft wäre,
weil sie halt einen der entsprechenden Triggerpoints erwischt hatte. Aber hinterher fühlte ich mich dann erst einmal ganz leicht, fast so, als könnte ich fliegen. Auch wenn sich das gegen Abend
dann noch einmal änderte, da spürte ich dann jede Gräte. Trotzdem ein schönes Geschenk, würde ich sagen. Die Chinesen sind einfach großzügig und herzlich, was ich bereits an anderer Stelle zu
spüren bekommen hatte.
Nämlich bei Lin, einer Chinesin mit deutschem Pass, da sie in D verheiratet ist, Deutsch spricht, hier ebenfalls TCM studiert und genauso wie ich ein Visum braucht, um sich in China aufhalten zu
können. Mali und Lin lernten sich im Büro der Uni kennen, und sie bot sich sofort an, mich bei ihrem Visagang zum PSB Office mitzunehmen und zu betreuen. Was dann Dank ihrer Hilfe auch soweit
klappte, dass ich endlich mal genauere und brauchbarere Aussagen erhielt; wie das Ganze laufen, was es kosten und wie lange es dauern würde. Vor allem aber, wann der beste Zeitpunkt zur
Verlängerung sein würde. Speziell über den Punkt gab es nur widersprüchliche Aussagen. Einmal hieß es, dass das neue Visum ab dem letzten Tag gilt, dann hieß es wieder, es gilt ab
Ausstellungsdatum. Und das hätte bedeutet, dass man mir bei zu frühem Antrag den Rest meiner jetzigen 30 Tage gekappt hätte. Ein Gedanke, der mir gar nicht gefiel.
Der Beamte empfahl, so spät wie möglich zu kommen, weil tatsächlich gekappt wird und meinte außerdem, dass ich keine Strafe zu zahlen hätte, wenn dadurch meine erlaubten 30 Tage überschritten
würden. Eine beruhigende Aussage. Aber leider bestätigte auch er, dass ich keine weiteren 60 Tage bekommen würde, womit entweder zum Jahresende endgültig Schluss mit China sein wird oder Hongkong
aushelfen muss. Zumal ich mir eh noch überlegen muss, wo und wie ich denn in diesem Jahr die berühmt berüchtigten Feiertage verbringen will / möchte. So eine richtig zündende Idee habe ich (noch)
nicht. Und bisher dachte ich, es wäre mir egal, wie zuhause auch. Ist es aber nicht, wie ich merke, denn ich denke immer wieder darüber nach. Weihnachten könnte ich noch in China sein ~ nur wo? ~
aber für den Jahreswechsel reicht es dann nicht mehr. Ich müsste dann das Land der Chinaböller vorher verlassen, denn auch unser Versuch, über die Uni ein Halbjahresvisum mit
„multiple entry“zu bekommen, scheiterte daran, dass ich mich dazu als Student hätte einschreiben lassen müssen, worauf auch die nicht ganz so
niedrigen Studiengebühren fällig geworden wären. Und ich hätte das Studium auch antreten müssen, mit Reisen wäre es dann für den Zeitraum vorbei gewesen. Immerhin hat mir die Uni die
erforderliche Einladung ausgestellt und Lin hat ihre Wohnung als Adresse zur Verfügung gestellt. Das ist doch auch schon was. Sie würde mich am Tag vorm Ablauf meines Visums erneut begleiten und
mich sicher durch den Behörden-Parcours bringen.
Und als Dankeschön dafür, dass SIEmich begleiten durfte und zusätzlich in mir und mit mir hier in China eine
Gelegenheit gefunden hatte Deutsch zu sprechen, lud sie mich zu einem einfachen Essen ein, wie sie das nannte. Sie wollte partout nichts davon wissen, dass ich sie als Dankeschön einzuladen habe,
und so lernte ich dann noch eine ganz andere Variante kennen, in der man jemanden zum Essen einladen kann. Wir gingen nämlich zu einer der kleinen Garküchen in der Nähe ihrer Wohnung und kauften
all das ein, was wir essen wollten. Suppe, Reis, Gemüse, Tomaten-Ei und vor allem was Süßes zum Nachtisch, da für sie, wie sie sagte, ein Essen ohne Nachtisch nicht vollständig sei. Und dieser
Nachtisch bestand aus einem riesigen Stück Kuchen in Form einer Biskuitrolle, wie es sie auch in unseren Bäckereien zu kaufen gibt, nur drei- oder viermal so groß. Wobei der Knackpunkt war, dass
sie sich davon mit ihren Stäbchen dann nur ein Ministück abprokelte, ~ nachdem wir zuvor die Tischdecke ausgiebig mit Suppe und Tomaten-Ei bekleckert hatten, weil wir ja alles, auch die Suppe,
wie üblich in den neckischen Plastiktüten mitbekommen hatten ~ und ich mit dem Rest zu kämpfen hatte. Lecker war es trotzdem.
Die Stadt Jinan verfügt nicht nur laut ihres Names über angebliche 1000 Quellen, sie hat auch einen 1000 Buddha Berg, den Quianfo Shan. Die Quellen sind zum großen Teil nicht mehr vorhanden, da
ausgetrocknet oder total verdreckt. Ob es jemals 1000 waren, weiß wahrscheinlich eh niemand. Aber die, die noch intakt sind, sind recht schön. Wobei ich mir allerdings nur zwei näher angeschaut
habe, während ich von den 1000 Buddhas auf meinem mehrstündigen Marsch durch den Park schon einige mehr zu sehen bekommen habe. Dieser Park ist riesig und man muss schon ganz gut zu Fuß sein, vor
allem aber trittsicher, um die vielen krummen Stufen, die auf die einzelnen Berge führen, rauf und runter zu kommen. Es ist schon seltsam, ich habe bisher noch keinen Hügel bestiegen, auf den
nicht Treppen geführt hätten. Wobei sich diese Treppen teilweise endlos den Berg oder Hügel hinauf winden. Jedenfalls hatte dieser Bergpark etwas, selbst wenn ich mal wieder durch Dunst und Nebel
laufen musste und so den wahrscheinlich bezaubernden Anblick vom Gipfel nicht so richtig genießen konnte. Von Jinan waren jedenfalls nur die ersten Häuser zu sehen.
Ganz anders bei meinem nächsten Berg, dem Tia Shan, dem östlichsten der 6 Heiligen Berge Chinas. Einem Berg, auf dem es immer kalt und windig sein sein soll, so dass entsprechende Kleidung +
Schuhwerk empfohlen wird. Der Wetterbericht hatte für den Sonntag, an dem wir ~ Mali, Penda, eine weitere Chinesin und ich ~ den Berg erklimmen wollten, 17 Grad angesagt, die allerdings während
der gesamten Anreise mit dem Bus über 100 Kilometer und den ersten Teil des Aufstiegs erst einmal von Nebel begleitet wurden. Allerdings lichtete der sich dann aber Stück für Stück, bis wir fast
dunstfreien Sonnenschein hatten. Trotz Nebels war es nicht kalt, so dass ich meine warmen Klamotten im Daypack lassen und nur mit einem kurzärmligen Hemd + Jacke gehen konnte. Teilweise sogar
ohne diese. Es ist schon sagenhaft, welch ein Glück ich bisher mit dem Wetter hatte. Aber wie war das doch noch gleich mit den Engeln, die reisen? Danach müsste ich sogar ein Erzengel sein. Aber
der mit den unsichtbaren Hörnchen.
Der Klopfer ist, dass der Gipfel dieses Bergs nur mittels Seilbahn oder Stufen erreichbar ist. (Ersteres erst ca. ab der Hälfte.) Und das bei einer Höhe von immerhin 1500 Metern. Penda ~
Inhaberin einer Jahreskarte und daher in diesem Jahr schon einige Male oben gewesen ~ erzählte uns, dass es ab einem bestimmten Punkt, dem Himmelstor (wenn ich mich richtig erinnere), noch 6400
Stufen bis nach oben sind. Und da dieser Punkt etwas unterhalb der Mitte der gesamten Strecke liegt ~ bei der Seilbahnstation ~ dürften es für den ersten Teil nur unerheblich weniger sein. Aber
diese Zahl wusste Penda nicht. Und so vermute ich mal, dass es auf dem ersten Stück zwischen 5000 und 6000 Stufen sein könnten. Was für einen Weg auf den Gipfel dann im günstigsten Fall 11400
Stufen bedeuten würde. Stufen, die es in sich hatten, denn sie sind mit unseren nicht vergleichbar. Zum einen haben sie ein höheres, manchmal sogar wechselndes Steigungsmaß und zum andern eine
kürzere, ebenfalls in den Abmessungen wechselnde Auftrittsfläche. Sie führten insbesonders im letzten Abschnitt so steil nach oben, dass einem beim Runterkucken fast schwindelig werden konnte.
Das erstere machte mir beim Aufstieg Probleme und das zweite beim Abstieg, weil ich mit meinen Quadratlatschen halt oft diagonal auftreten musste, um ein halbwegs sicheres Gehgefühl auf den
Stufen zu haben. Aber nicht nur ich benutzten diese Technik, sondern auch viele andere. Einer ging sogar an den ärgsten Stellen rückwärts.
Für die Eventualität eines Abstiegs im Dunkeln war zwar Beleuchtung vorgesehen, aber die war „out of order“,genau wie der Reiseführer es
prophezeit hatte. Und wir mussten in der Dämmerung, bzw. dann in der Dunkelheit runter, da ich ~ wie immer bei solchen Ausdauerleistungen ~ das Aufstiegstempo der beiden doch etwas drosselte. So
dass ich sie schließlich irgendwo 'ne Ecke jenseits der 1000 Meter allein vorzockeln ließ, um ihnen in meinem Tempo zu folgen. Das gefiel mir eh besser, als der Stress, andauernd das Schlusslicht
zu sein. Und so kamen sie mir dann schon wieder entgegen, als ich noch ca. 200 Höhenmeter bis zur Spitze vor mir hatte. Soooo viel schneller waren sie daher auch nicht. Irgendwie
beruhigend.
Da es inzwischen komplett dunkel war, und wir uns eh im Vorfeld entschieden hatten, ab der Seilbahnstation mit dem Bus ins Tal zu fahren, mussten wir nun nur noch einen der letzten Busse
bekommen. Und den teilten wir dann mit einer Gruppe Studenten, die samt und sonders den Berg per Seilbahn erkundet hatten, und die natürlich nun ihren Spaß an uns Ausländern hatten, die ihren
Heiligen Berg ~ im Gegensatz zu ihnen ~ erklettert hatten. Sie boten uns sogar an, zusammen mit ihrem Bus, der in Taian (dem Ort am Fuße des Berges) wartete, nach Jinan zurückzufahren, was
natürlich um einiges komfortabler, schneller und vor allem lustiger war, als in dem „local bus“. Alles drängte sich um uns,
lachte und redete auf uns ein, wie ich es schon auf der Zugfahrt erlebt hatte. Nur mit dem Unterschied, dass sie Englisch sprachen. Einer sogar ein wenig Deutsch. Wir spürten wieder so richtig
den Puls des chinesischen Volkes in seiner ganzen Lebendigkeit, Fröhlichkeit, Schwatzhaftigkeit, Herzlichkeit. Wir haben zusammen gelacht und geglabkert, dass es eine Pracht war. Es war so
genial, dass wir auf der gesamte Fahrt unsere Auf- und Abstiegsstrapazen komplett vergaßen. Aber dann ...
... dann war für jeden von uns nur noch das Bettchen das einzige Ziel.