Rumänien ~ Tag 8 + 9

Sa. 19. und So. 20. Mai 2012

 

So liebevoll versorgt, konnten wir nun die andere Seite der Transfăgărăş in Angriff nehmen und fuhren mal wieder bei schönerem Wetter, um nicht zu sagen, schönem Wetter, zum Staudamm des Vidraru Sees hoch. Ein sagenhaftes Panorama mit den teilweise noch schneebedeckten Bergen und dem See im Vordergrund stimmte uns gnädig, obwohl auch hier nach zwei, drei weiteren Kilometern das Aus für die Weiterfahrt kam. Gründlichst abgesperrt mit mehreren Ladungen grobem Kies quer über die ganze Fahrbahn verteilt und ein paar quergestellten Leitplanken. Nur ein Monstertruck oder ein Panzer hätte hier noch eine Chance gehabt.
Am Staudamm merkte man dann ein weiteres Mal an den Bussen und Autos ~ zumal Sonntag war ~ dass doch auch im Mai schon jede Menge Leute unterwegs waren, wenn auch nur auf Hauptstraßen. Auf einer Nebenstraße, die am anderen Ende der Staumauer am See entlang lief, sah das anders aus. Auf ihr fuhren wir nur ein kurzes Stück, zu abenteuerlich schien uns der Straßenzustand. Zumal uns in einen Tunnel Holzabtransport-Fahrzeuge entgegen kamen. Hier konnten wir noch gut zurücksetzen, was womöglich später auf der schmalen und holprigen Straße nicht mehr so gut möglich gewesen wäre.
Zurück also wieder ins Tal, mit einem Stopp an der Dracula Burgruine Poienari, der Burg des Fürsten Vlad Ţepeş, wo man, erinnerungshalber, zwei Schaufensterpuppen gepfählt hatte. Schließlich soll es diesem grausamen Brauch des echten Grafen Dracula zu verdanken gewesen sein, dass die Türken ihre Eroberungspläne aufgaben.
1480 Stufen führten zur Ruine hoch, die ungefähr ab der tausendsten Stufe dann wieder im heftigen Regen lagen, mitsamt der Ruine. Obwohl diese Anzahl Stufen nichts zu den über 12.000 waren, die ich seinerzeit in China auf den heiligen Berg Tai Shan hochgekraxelt war, fielen sie mir dennoch deutlich schwerer. Hatte ich doch, bildlich ausgedrückt, mehr als 3 x 5 Kilo Beutel Kartoffeln zusätzlich mit mir herum zu schleppen, als damals. Es war kaum zu glauben, dass mich das so beeinträchtigen könnte.
Aber oh Freude, wegen dieser und anderer Anstrengungen, habe ich, wie mir die Waage später zuhause dann zeigte, immerhin 4 Kilo weniger mit zurück gebracht. Wenn ich also weitere 7 oder 8 Wochen unterwegs sein würde, hätten sich die gesamten 18 Kilo wieder verdünnisiert. Manoman, im Moment erst mal ein Gedanke, an dem ich noch arbeiten muss.

Wieder einmal etwas durchnässt, kletterten wir dann in unsere Ente und fuhren über Cortea de Arges und Piteşti die 232 Kilometer parallel zur Autobahn nach Bukarest, das wir gegen 18 Uhr erreichten. Einen Tag früher als ursprünglich geplant, weil wir schneller durchgekommen waren, als gedacht.
Mit dieser Botschaft hatte ich Amedeo schon am Morgen eine SMS geschickt, um unser Treffen zu organisieren und evtl. eine Hostel-Empfehlung von ihm zu bekommen. Leider meldete er sich nicht. Genauso, wie er es zuvor auch schon erst nach meinem zweiten Versuch getan hatte. Auf weitere Spielchen dieser Art hatte ich keinen Bock und so blieb es beim Wiedersehensversuch.
Auch was andere Dinge anging, die Bukarest betrafen, lief es nicht so, wie wir es bei so einer Stadt gerne gehabt hätten. Im Nachhinein möchte ich sagen, dass wir die Stadt mit dem linken Vorderrad zuerst befahren haben. Es ging schon damit los, dass wir die Straße nicht finden konnten, in der sich das Midland Hostel 2 befand. Wir zweifelten und verzweifelten fast an unseren Fähigkeiten, Steffis Angaben zu interpretieren. Und das, obwohl sie wie immer alles richtig gemacht hatte. Aber wir schnallten einfach nicht, dass sie uns am Piaţa Romana in eine winzige Seitenstraße lotsen wollte, die es scheinbar nicht gab, weil sie sich gekonnt hinter einer Taxi-Herde versteckte. Beinahe hätten wir bei unserer x-ten Rundfahrt durch den Kreisel und dem Abbiegebefehl „Nehmen Sie die nächste Ausfahrt“ noch einen Mini geknutscht, der uns davon abhalten wollte, besagte Ausfahrt zu nehmen. Als wir es dann doch in diese kleine Straße geschafft und sogar einen Parkplatz bekommen hatten, mochten wir zuerst kaum glauben, dass wir unser Ziel tatsächlich erreicht hatten. Hochherrschaftliche Häuser, eine Schule, die französische Botschaft, Wachleute, alles schien darauf hinzudeuten, dass unsere Odyssee noch nicht zu Ende war. Bis wir das gut versteckte Hostel Hinweisschild entdeckten und die restlichen Meter zu unserem Hostel schwimmen konnten. Denn wie meistens, regnete es. Na ja, so dolle, wie in Sibiu war es wenigstens nicht.
Einchecken plus Einweisung in die Hostel-Gepflogenheiten, unsere Klamotten ins 10-Bett Zimmer und aufs Bett befördert und ab ging es mit einer Kopie des Hostel Umgebungsplanes in Richtung Altstadt. Vorbei an Jugendstilhäusern, dem Museum usw., um im Hellen noch so viel wie möglich zu sehen und ein passendes Restaurant zu finden. Leider konnten wir weder unterwegs, noch in der Altstadt inmitten der unzähligen Schickimicki Lokale keine dieser kleinen, von uns so geliebten einheimischen Kneipen finden, so dass wir uns dann für eines dieser großen Touri Schuppen entschieden. Es brummte wie ein Bienenkorb und entsprach der Kategorie rumänisches Hofbräuhaus, war aber Gott sei Dank nicht bayrisch angehaucht und hatte sogar einen gewissen Charme, der es insbes. mir erlaubte, ohne Gruseln dort Platz zu nehmen.
Hier gab es dann ~ wie in solchen Häusern üblich ~ die klassischen Bier- und Schnapsmeter und wagenradgroße Essensportionen, die man sich mit mehreren Leuten gemeinsam einverleibt. Da meterweise Bier nur für uns drei nicht infrage kam, bestellten wir die bevorzugten Maßkrüge, wie immer mit der Maßgabe, dass Hartmut & Torsten sich dessen erbarmten, was ich von dem Liter, weil zu bitter und zu viel, nicht trinken mochte. Mir hatte ich auf Anraten der Bedienung ein dunkles Bier, das Ursus Bere = Bärenbier bestellt, das nicht so bitter sein sollte. Und tatsächlich, ich konnte es ganz gut trinken, obwohl Bier zum Essen und überhaupt einfach nicht mein Ding ist.
Um dann nicht auf dem gleichen Weg zum Hostel zurück laufen zu müssen, wollten wir unser Ziel in einem Bogen durchs nächtliche Bukarest erreichen. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen uns, die besagte, möglichst nicht den gleichen Weg zum Ausgangspunkt zurück zu nehmen, um so vielleicht noch etwas Neues zu entdecken. Und in der Tat, wir entdeckten etliches, denn unsere innere Steffi schickte uns an irgendeiner Stelle in die Irre, so dass aus dem angepeilten Bögelchen ein riesiger Bogen wurde, der uns stundenrund mal mit, mal ohne Regen überall hinführte, nur nicht zum Midland Hostel 2 oder der französischen Botschaft.
Schließlich hatten wir keine rechte Ahnung mehr, wo wir uns befanden und wussten nur, dass wir uns links halten müssten. Wobei andere Passanten kaum mehr Durchblick hatten. Was aber eine Verständigungsfrage gewesen sein mag. Und als ich mich dann schließlich in einem Hotel erkundigte, hieß es, dass wir nur noch eins links und eins rechts an McDov und am Nike Store vorbei durch ein paar kleine Gässchen zu gehen hätten. Trotz runder Füße gönnten wir uns aber doch noch einen weiteren Schlenker, weil zu befürchten war, dass wir uns in besagten Gässchen erneut verfransten, zumal sie nur spärlich beleuchtet waren. Und als man uns dann im Hostel erzählte, dass an diesem Abend in dem Museum ~ an dessen Toren wir ja gewesen waren ~ die Museumsnacht stattgefunden hatte, waren wir endgültig bedient.

Am liebsten hätten wir Bukarest bereits am anderen Morgen den Rücken gekehrt, sofort nachdem wir dem riesigen Palast des Volkes unsere Aufwartung gemacht hatten. Dieser Klotz ist schier unglaublich, so dass, von seiner Größe auf die Ceauşescus geschlossen, der Diktator maximal 140 groß gewesen sein darf. Wenn man zu dicht davor stand, bekam man Genickstarre und begann zu schielen, um das linke und das rechte Ende sehen zu können. Wir brauchten eine kleine Ewigkeit, um ihn zu umrunden, da sich der Touri Eingang auf der Rückseite befindet, an der bereits etliche Busse und Autos angedockt hatten. Von den Insassen war nicht all zu viel zu sehen, da sie im Schichtbetrieb durch den betretbaren Teil des Gebäudes geschleust wurden. Für einen saftigen Eintrittspreis, incl. Passkontrolle, Registrierung, Hundemarke, Abgeben des Fotoapparates, und was sonst noch so dazu gehörte. Nichts was uns locken konnte. Unter dem Gebäude soll sich sogar noch ein riesiger Atombunker befinden, in dem nicht nur Nicolae C. & seine Frau Elena, sondern auch alle Bonzen mit Anhang im Falle des Falles ihren Platz gefunden hätten.
Irgendwie schien diese Stadt nicht unsere zu sein. Leider hatten wir, da wir 2 oder gar 3 Nächte bleiben wollten, gleich 2 Übernachtungen bezahlt. Und so blieb uns nichts anderes übrig, als uns auch noch den abgekupferten Triumphbogen (Arcul de Triumf) und den dahinter liegenden regennassen Park Herăstrău anzuschauen, in dem eine Ansammlung wichtiger, daher überdimensionierter Politiker Köpfe aus Bronze darauf wartete, dass das mehr oder weniger vorhandene Haar in der Sonne wieder trocknete.
Sogar Adenauers übermannshohes Haupt hatten die Kopf-Jäger dort aufgestellt. Allerdings hätte ich ihn ohne Namensschild nicht erkannt. Dabei habe ich ihn ja noch erlebt. Da war De Gaule, dem man an anderer Stelle gleich eine ganze Statue gewidmet hatte, deutlich besser getroffen. Ach ja, dem bukarester Underground haben wir uns mit der Metro auch noch für ein paar Fahrten anvertraut.
Auf dem Weg zu Ceauşescus Arcul de Triumf passierten wir einige Botschaften, darunter auch die amerikanische. Man erkannte sie allein schon an dem Aufgebot an Sicherheit in der amerikanisch paranoiden Form von schwerst bewaffnetem Wachpersonal in schwarzer Uniform, mit Knarre unterm Arm, Kampfstiefeln und hohen Mauern, wie bei einem Hochsicherheitstrakt. Die anderen Embassies sahen dahingegen eher parkähnlich und frei zugänglich aus. Vielleicht waren die Wachhunde ja auch nur besser getarnt.

 

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