Rumänien ~ Tag 4 bis 6

Di. 15. / Mi. 16. + 17. Mai 2012

 

Steffi führte uns sicher über Lugoj, der Geburtststadt des Dracula Darstellers Bela Lugosi / Lugosch nach Hunedora / Eisenmarkt und weiter nach Hermannstadt / Sibiu, 331 Kilometer entfernt. In Hunedora wollten wir uns das Postkarten-Motiv eines turm- und türmchenreichen Schlosses aus den Reiseführern anschauen, das sich inmitten alter Industrieanlagen befindet. Eine Kombination, irgendwie surreal.
Zwischendurch hatte es sogar aufgehört zu regnen, so dass der Schlossspaziergang nicht ganz so feucht war, wie die Hin- und Weiterfahrt. Immerhin saßen wir in unserer Dolly halbwegs im Trockenen, weil auch diese Ente ihre speziellen Punkte hat, an denen es bei Dauerregen dann doch durchsippt. Entenfahrer kennen das.

In Hermannstadt ~ nun schon in Transsylvanien ~ hatten wir uns in einem Haus aus dem 18. Jahrhundert einquartieren wollen, dem Flying Time Hostel, weil es sich sooo interessant las. Es sollte nicht weit von den 3 Marktplätzen, dem Piaţa Mare, dem Piaţa Huet und dem Piaţa Mică liegen. Als wir es nach mehreren Ehrenrunden durch die alten Gassen endlich gefunden hatten, war alles verriegelt und verrammelt und machte einen total verlassenen Eindruck. So, als hätte dort seit flying times niemand mehr genächtigt. Also entschieden wir uns um für das Old Town Hostel am Piaţa Mică, das in einem sogar 450 Jahre alten Gemäuer untergebracht war. Eine gute Wahl. Und obwohl es eigentlich an exponierter Stelle lag, war auch dieses Haus im ersten Durchgang nicht ganz einfach zu finden, da man mit dem Auto nicht so ohne weiteres auf den Platz fahren durfte und sich der Hostel Eingang in einem Durchgang befand, der wegen einer Baustelle leicht zu übersehen war.
Wir bekamen einen Tanzsaal als Raum für uns, mit Blick auf den „Kleinen Platz“, die Evangelische Kirche und die Lügenbrücke, einer elegant gebogenen gusseisernen Konstruktion von 1859. Warum soll sich nicht auch Gusseisen beim Lügen biegen? Es gab einen Vorraum, der nur mit einem Bunk Bed ausstaffiert war ~ von dem auch unser „privat bathroom“ abging ~ und den Raum zum Marktplatz mit 2 Einzelbetten und weiteren 3 Etagenbetten, die geschickt hinter einer rustikalen Spalierwand von Praktiker oder Hornbach versteckt waren und nur bei Bedarf zugänglich gemacht wurden.

Interessanterweise akzeptierten sie meine DJH Karte für uns drei, da sie das HI Hostel Symbol führten, so dass wir nur irgendwas um die 45 Leu (ca. 10 €) fürs Bett zu zahlen hatten. Hier hatten wir, trotz der vielen Betten, zum ersten Mal kein reines 3-Bettzimmer und losten darum, wer ins vordere Einzelzimmer durfte. The winner was: TORSTEN.
Dollyhatten ihren Parkplatz ganz in der Nähe in einer Seitenstraße, für den wir pro Tag zwei Tickets kaufen mussten. Eins, das von 8 bis 14 Uhr gültig war und das Anschlussticket bis 18 Uhr. Jeweils für 1 Leu, ca. 22 Cent. Ich konnte mich kaum mehr erinnern, wann ich irgendwann in der Vergangenheit bei uns so günstig mitten im Zentrum einer Stadt geparkt hatte.
Noch während wir unser Gepäck ausluden, entwickelte sich der bisherige Landregen zu einem Platzregen erster Güte, so dass wir uns schnell in einen Torbogen retteten ~ vielleicht 100 Meter vom Hostel entfernt ~ und auf ein Nachlassen der Flut warteten. Was unsere Geduld und einiges andere arg strapazierte. Zum Beispiel Hartmuts Blase. Die lange Autofahrt und der strömende Regen waren ein geeigneter Auslöser für das, was unweigerlich kommen musste. Nämlich die Erleichterung unter besagtem Torbogen hinter einem der großen Torflügel. Und das war etwas, was für ihn ~ trotz unserer Aufforderungen ~ so lange undenkbar war, bis es nicht mehr ging und es hieß, entweder in die Hose oder hinters Tor. Eine sogen. gute Erziehung erschwert doch wirklich manchmal das Leben ganz schön und ist vor allem hinderlich. Immerhin hatte Hartmut inzwischen seine frisch gekaufte Zahnbürste in der Jackentasche und nun gab es in Hermannstadt ein Hartmut-Gedächtnis-Tor, auch wenn es nicht in die Reihe der Sehenswürdigkeitenaufgenommen wurde.
Als dann wenig später der Platzregen wieder zum Landregen wurde, wagten wir es und kamen quietschnass bei unserem Hostel an, so dass erst einmal alles zum Trocknen ausgebreitet werden musste, was in unserem Tanzsaal natürlich kein Problem war. Und da es mittlerweile auf 21 Uhr rumänischer Zeit zuging ~ Rumäniens Uhren waren unseren eine Stunde voraus ~ mussten wir uns beeilen, um im nahegelegenen Billa Supermarkt noch etwas fürs Abendbrot kaufen zu können, incl. der Zutaten fürs CWR. Zur Erinnerung, unser Cola-Weinbrand-Ritual. Und so stiefelten Torsten und ich noch einmal los. Erst zum Bankomat für die Leu und dann ins Billa ~ dem „Billigen Laden“ aus Österreich, der heute zu REWE gehört, die sich fleißig auch in Osteuropa tummelt ~ um den Laden von allerlei leckeren Salaten, Aufschnitt, Brötchen usw. zu erleichtern. Der Kaffee fürs Abendbrot kam als Pulverkaffee 3 in 1 (Kaffee, Milchpulver, Zucker) in unsere Tassen, da das Hostel Kontingent für diesen Tag schon verbraucht war. Aber den „richtigen“ Kaffee am anderen Morgen, stellte dann das Old Town, und der schmeckte natürlich um einiges besser.
Passend dazu, läutete der andere Morgen bei strahlendem Himmel aber auch einen besonderen Tag ein. Meinen Geburtstag, der uns den ersten sonnigen Tag in Rumänien bescherte, was natürlich dazu und für unseren ausgedehnten Stadtrundgang u.a. zu diversen Kirchen, zur Casa Calfelor, der Herberge der reisenden Gesellen und einer Turmbesteigung gut passte. DankePetrus!

Es gibt sie in Rumänien noch, diese Handwerker, die durchs Land ziehen ~ wir haben sogar einige gesehen ~ und die in dieser Herberge dann nächtigen können. Etliche haben sich dort an einem Gedächtnis-Totem-Pfahl mit ihren speziellen, auf ihr Handwerk bezogene kleine Arbeiten verewigt. Sogar deutsche Handwerker waren darunter. Solche Dinge irgendwo zu entdecken, macht mir einen Heidenspaß. Wie auch die Tatsache, dass es hier noch die deutsche Buchhandlung Schiller am Piaţa Mare, dem Großen Platz gibt. Hier fand Hartmut dann auch sein irgendwo auf der Strecke gebliebenes Buch über die Wehrkirchen Siebenbürgens, so dass wir nun gut gerüstet waren, um auf unsere doch unterschiedliche Weise an diese Gebilde heranzugehen. Unterschiedlich insofern, weil sich mein Interesse an diesen und allen anderen älteren Gebäuden doch von Hartmuts unterschied. Fand er Namen, Jahreszahlen, Baustile usw. interessant, ließen diese Infos mich eher kalt, denn mein Interesse galt eher dem „Genius Loci“. Also dem, was mir das jeweilige Gebäude bereit war zu erzählen. Oder auch nicht.
Da ein geplanter Geburtstagskaffee mit Kuchen ausfiel, weil das Mittagessen durch unserer Aktivitäten erst relativ spät erfolgte, wurde daraus ein entsprechendes Abendessen im gleichen Lokal in der Fußgängerzone. Zwangsläufig, schien es doch außer in dieser Zone keine Essenslokale zu geben, jedenfalls konnten wir keins finden. Aber es hatte einheimisches auf der Karte, womit es sich schon mittags als guter Griff herausgestellt hatte, incl. der Weine aus der Region.
Ob des Essens wegen, oder aus anderen Gründen, vermag ich nicht mehr zu sagen, aber wir gönnten uns eine weitere Nacht in unserem Tanzsaal im schönen Sibiu, in der Hoffnung, dass mein Geburtstagswetter anhielt. Was aber nicht der Fall war, denn schon auf unserem abendlichen Heimgang begann es wieder zu tröpfeln.
Anderntagswar dann schnell klar, dass Petrus mein Schönwetter Geburtstagsgeschenk leider nur auf den 16ten beschränkt hatte und so war halt auf der Weiterfahrt wieder einmal Regenangesagt.
Als erstes war ein Abstecher nach Cisnădie / Heltau etwas unterhalb von Sibiu zu unserer ersten Wehrkirche in der weiten Kirchenburg-Landschaft fällig (irgendwas um die 150 Stück soll es davon noch geben). Das trutzige Gemäuer triefte vom Regen, dennoch konnte man sich gut vorstellen, wie es in der Vergangenheit immer wieder den Angreifern standhielt. Ein Deutsch sprechender junger Rumäne hütete für einige Leu den Eingang und ließ uns und andere, nun friedliche Besucher passieren.
Dann ging es zurück über Hermannstadt weiter nach Axente Sever oder Frauendorf, wo der Turm der dortigen Wehrkirche nur von Frauen erbaut wurde. Diese Führung bekam ich allerdings nicht mit, da T. & H. ~ wie im Märchen ~ unbemerkt von mir von der Burgfee in die Wehrkirche entführt wurden, während ich mutterseelenallein draußen herumirrte. *Schluchz*

Danach lag Wurmloch, heute Valea Viilor (Tal der Weingärten) an unserem Weg, wo die beeindruckende Kirchenburg steht, die den momentanen Lonely Planet vorne auf dem Umschlag ziert. Über Medias und Biertan erreichten wir dann unser heutiges Ziel, das reizvolle Städtchen Sighişoara / Schässburg, das Dolly nach nur 163 Kilometern anflog.
Der originale Graf Dracula, Vlad Ţepeş ~ der das Land von den Türken befreite, nicht der vom Bram Stocker ~ wurde hier geboren. Aber es gibt hier fast nur die üblichen Dracula Hinweise für die Touris und anderes zuhauf, was auf den Blutsauger hinweist. Bis hin zu einem ziemlich großen Lokal, dem Casa Dracula, das sich auf unserem abendlichen Streifzug durch die Gemeinde, sprich Zitadelle, einfach nicht übersehen ließ. Aber noch ließ sich mangels Masse, niemand mit Dracula Blut und anderen beliebten Genre Schmankerln abspeisen.
Aber auch die wirklichen Sehenswürdigkeiten der Zitadelle waren nicht zu übersehen. Z.B. die Häuser um den Piaţa Cetăţii und der Uhren-Turm, der zugleich Eingang in die Zitadelle ist. Oder die „Biserica din Deal“, eine gotische lutheranische Kirche auf dem höchsten Punkt der Stadt mit einer deutschen Schule, einem alten deutschen Friedhof und dem Goldschmiede Turm. Erreichbar ist dieses Arrangement über den langen überdachten sogen. „Gang der Schüler“ mit zig Stufen, über die sie täglich zu ihrer ebenfalls dort oben gelegene Schule hoch steigen müssen. Stramme Waden muss es demnach hier reichlich geben.

Leider hatten alle für uns interessante Lokale nicht extra für uns und die anderen Leutchen geöffnet, obwohl wir uns doch alle außerhalb der Hauptsaison hierher bemüht hatten. Oder sie hatten keine Abendkarte.
Außer einiger Pizzerien und Junkfood Lokalen konnten wir in der Altstadt nur zwei Hotel Restaurants ausmachen, um die wir eigentlich gerne einen Bogen gemacht hätten. Da uns aber weder rumänische Pizza, noch Junkfood lockte, entschieden wir uns für das Hotel Casa Wagner mit seinem Kreuzgewölbe Restaurant und verspeisten die kleinen aber feinen Portionen, wie sie zu einem Haus dieser Art passen und probierten eines der edlen Tröpfchen aus den Tiefen des Weinkellers.
Da in einer alten Zitadelle üblicherweise alles dicht an dicht aufeinander hockt, standen unsere Betten nicht weit vom Casa Wagner im Kula Bed&Breakfast, dem 400 Jahre alten Haus eines deutlich jüngeren, wenn auch ebenfalls älteren Ehepaares, wo wir für die Nacht ein weiches Bett und am anderen Morgen ein prima Breakfast serviert bekamen. Und zwar in einem, der Küche vorgelagerten Wintergarten. Bei schönem Wetter hätten wir auch unter den Weinreben frühstücken können, die den Gartenhof überspannten.
Erreichbar war dieses niedliche Hostel nur über die engen alten Kopfstein Gassen gewesen, in denen wir sogar unsere Dolly dem Haus schräg gegenüber stehen lassen durften; dicht an eine Hauswand geschmiegt.
Die beiden äußerst freundlichen Alten hatten uns zwei Zimmer zugewiesen, ein kleines Wohnzimmer und ein 3-Bettzimmer ~ gleich einer Suite, die auch meinen Großeltern gehört haben könnte ~ mit Heiligenbildern, anderen Devotionalien und weiteren erinnerungsträchtigen Dingen aus damaligen Zeiten. In Rumänien sind solch religiöse Dinge in einer fast kindlich anmutenden Weise bei den lutherisch und sonst wie angehauchten Gläubigen noch überall zu finden. Damit kam ich prima zurecht und noch wurde in mir nichts gegen den Strich gebürstet. Immerhin bei jemandem, der mit Religionsgemeinschaften jeglicher Art nichts am Hut hat. Erst spätere orthodoxe Erlebnisse sollten mir Nackenhaare & Fußnägel kräuseln.

 

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