Mit 'ner Ente nach Rumänien & zurück ~ Tag 1


Start: Sa. 12. Mai 2012 um 14:30


Rumänien, ein weiteres Fleckchen Erde, das bisher geduldig auf mich gewartet hatte. Wie immer, sollte mich der entsprechende Lonley Planet, der Kulturschock, den es auch für dieses Land gibt, das Kauderwelsch Phrasebook, sowie eine entsprechende Karte begleiten ~ alles aus dem Reise Know How Verlag ~ weil mir vor allem diese Karten wegen ihrer Beständig- und Genauigkeit gut gefallen.
Außerdem war der Reiseführer Rumänien & Moldawien dabei, ebenfalls aus dem RKH Verlag. Der kam allerdings per Fernleihe über unserer Bücherei zu mir, auch wenn er für einen Streuner wie mich nicht der ideale Begleiter ist, wenn es um Unterkünfte und andere praktische Dinge geht. Aber er lieferte ein paar Infos auf Deutsch, die ich im englischsprachigen LP oft nicht finden konnte. Literaturmäßig war ich also gut ausgestattet, trotzdem sollte auf anderem Wege noch weitere Literatur hinzukommen. Für den Anfang war es nun so weit, dass ich mich am Sa., dem 12. Mai 2012 in Bewegung setzen konnte, wenn auch anders, als ursprünglich mal angedacht.

Morgens um 7 Uhr 30 startete mein Zug in Richtung Chemnitz, um dort nach einer fast siebenstündigen Zugfahrt mit mehrmaligem Umsteigen pünktlich um 14 Uhr 25 Torsten & Hartmut mit seiner 26-jährigen Ente zu treffen, die uns ~ ähnlich wie Nils Holgersons Gans ~ den ca. 4000 Kilometer langen Weg hin und zurück im typischen Schaukelflug meiner Studentenzeit bringen sollte. Torsten hatte ihn grob ausgearbeitet, incl. unserer ersten Unterkünfte.
Wie sich schlussendlich herausstellen sollte, waren es dann ~ wegen ausgedehnter Schlenker ~ 5120 Kilometer, für welche die Ente ca. 341 Liter, bzw. 6,87 Liter Kraftfutter auf 100 Kilometer benötigte. Aber egal, ob 4 oder 5000 Kilometer, so oder so wurden erneut Erinnerungen wach, als ich von der Möglichkeit dieses Enten-Trips erfuhr, denn so manches Mal hatte ich im Laufe der Jahre an meine alte graue Wildente „
de Luxe“mit 26, statt der damals üblichen 21 PS gedacht und mir gewünscht, es gäbe, und ich hätte sie noch. Aber wie es nun mal war, hieß es damals für Entenfahrer irgendwann: Bis dass der Rost euch scheidet. Aber nun würde ich wieder mit so einem Vogel unterwegs sein, funtastisch!Schließlich hatte ich auf Torstens Frage, ob es nicht wegen des größeren Platzangebots lieber Hartmuts Golf sein solle, meine Stimme klar der Ente gegeben, die, wie ich dann erfuhr, das Sonder-Modell „Dolly“ war und über sagenhafte 29 PS verfügte, mit denen sie 120 Sächelchen fliegen konnte. Wenn auch nur bergab oder bei Rückenwind. Aber 100 oder 110 waren auf ebener Strecke immer drin, wo es bei meiner damals nur für 95 bis 105 unter guten Bedingungen gereicht hatte.

Seit ich Amedeo aus Bukarest 2007 gleich zu Anfang meines großen Trips in Klaipeda / Litauen getroffen hatte und mit ihm nach Vilnius weiter gezogen war, gab es den Wunsch, sein Land und seine Leute im Südosten Europas näher kennen zu lernen, möglichst im Verbund mit den Nachbarländern. Und natürlich auch, um ihn wieder zu treffen, was ~ voraus greifend ~ allerdings nicht gelang.
Bei meiner Vorliebe für langsames Reisen hätte es bedeutet, dass ich, ähnlich meiner Reise nach Marokko, allein und bis zu 3 Monaten unterwegs gewesen wäre. Das dem nun nicht so sein würde, lag schlicht und ergreifend daran, dass Torsten mir im März via Skype erzählte, dass Hartmut und er im Mai für 2 bis 3 Wochen nach Rumänien fahren wollten, ihrer beider Wunsch folgend, die Wehrkirchen, das ein oder andere Kloster, die Karpaten und anderes zu sehen.
Noch während des Gesprächs ergab sich, dass ich, wenn Hartmut einverstanden sei, mit von der Partie sein könne. Und da dieser
nochUnbekannte einverstanden war, und ich für einen kleineren Trip die erforderlichen Taler bereits wieder zusammen hatte, entwickelte sich alles entsprechend.
Nachdem dann auch schon bald der Ab- und Rückreisetermin stand, buchte ich zu diesem frühen Zeitpunkt ~ statt ... mitfahrgelegenheit.de zu nutzen ~ ruckzuck mit meiner kürzlich erstandenen Bahncard25 mein erstaunlich preisgünstiges Bahnticket für 43,50 €. Hin & zurück, versteht sich.
Damit konnte zusätzliche Freude aufkommen, zumal es mir die ganze Zeit bis zur Abreise wie immer erging: Ich war höchstgradig zufrieden und glücklich, weil ich wusste, dass ich bald wieder unterwegs sein würde. Und ich wurde von Tag zu Tag kribbeliger, obwohl ich das schon Dutzende von Malen geübt hatte. Mich würde mal interessieren, warum ich dieses Gefühl in der Intensität nur vor und während einer Reise empfinden kann und weniger im normalen Alltag. Bin ich wirklich und immer noch der alte Nomade, wie mir in einem Channeling mal gesagt wurde? Es muss wohl so sein.

Wie aber würde es nun werden, zu dritt, mit einem Travelmate, den ich noch nicht kannte und einem, den ich zwar kannte und gut leiden konnte, der aber qualmte, wie der Marlboro Cowboy. Nur dass er noch unbehelligt durch die Gegend lief. Und dann die ganze Reise in einem Tempo, das neu für mich war, angefüllt mit einem Programm, das anders ablaufen würde, als mein eigenes es tun würde?
Nun, ich wusste in dem Moment, als das Angebot quasi auf dem Tisch lag, dass ich mich gut darauf einlassen könnte und mit all den Vorgaben auch genauso gut klar kommen würde. Denn es gibt da eine Instanz o.ä. in mir, die meistens sehr schnell weiß, ob das, was da auf mich zu kommt, für mich zumindest so weit akzeptabel ist, dass ich mich, ohne mich zu verbiegen, darauf einlassen kann. Und das musste ich dann auch bei keinem der Punkte, obwohl mein Hals und meine Lunge doch hin und wieder das Empfinden hatte, dass sie trotz offener Fenster, sowie anderer Vorkehrungen und Torstens Bemühungen, genug Rauch abbekommen hatten.

Am Tag vor meiner Abreise habe ich noch mit einer Freundin ausgiebig „Wolken geschoben“. Und zwar dergestalt, dass wir ein leckeres Stückchen Lemon-Käse-Kuchen mit meinem ebenfalls leckeren vietnamesischen Kaffee vertilgten. Ein Brauch, den ich aus meiner Bremer Zeit übernommen habe ~ wenn auch ohne den Vietnam Kaffee ~ weil er für gutes Reisewetter sorgen soll. Das war auch dringend nötig, da es die ganzen Tag und den ganzen Tag über immer wieder gepladdert hatte. Was laut Wetterbericht auch so bleiben sollte.

Dass dieser magische Eingriff zumindest zeitweilig funktionierte, zeigte sich dann am Abreise-Samstag. Es blieb trocken und die Sonne freute sich mit mir auf diesen Trip. So konnte es bleiben, und ich ging davon aus, dass es in Rumänien, das ja 'ne ganze Ecke südöstlicher liegt, so ähnlich weitergehen würde. Was aber leider nicht der Fall war, denn es reichte nur für den ersten Teil der Anreise durch die Tschechei, Österreich und Ungarn. Dann noch für meinen Geburtstag, den ich nun zum vierten Mal nicht in Deutschland begangen habe und noch ein paar kürzere Abschnitte. Ansonsten war so manches Mal beinahe Land unter angesagt. Nicht umsonst hieß es noch vor einigen Tagen in den Nachrichten, dass Bukarest mehr oder weniger überschwemmt sei. Das war dann aber nicht mehr der Fall, als wir dort ankamen. Dafür regnete es selbst an den wenigen Sonnentagen am späten Nachmittag oder frühen Abend. Der Ente und uns wuchsen langsam Schwimmhäute.
Hartmut, der mir als sympathischer Enten-Eigner begegnete ~ ich hatte mir auch nicht vorstellen können, dass ein Freund Torstens anders daher käme ~ startete den Vogel auf dem Parkplatz vorm Chemnitzer Hauptbahnhof, nachdem auch mein Gepäck im ~ wie sich noch zeigen sollte ~ nur mit Bitten oder Flüchen verschließbaren Kofferraum verstaut war und fädelte sich in den Verkehr stadtauswärts ein, wo uns Steffi, unsere Navigationsbraut, über Stadt, Dorf & Land ohne Autobahnen und Mautstraßen erst einmal in Richtung Erzgebirge und Prag führen sollte.
Unterwegs löste ich ihn dann nach einer Weile ab, um mein Gefühl für die Ente, ihre Schaltung und sonstige Eigenheiten wieder zu entdecken. Was Torsten ~ als Enten-Neuling ~ dann für den letzten Teil unserer ersten Etappe (insges. 258 Km) bis Kutna Hora, ein Stück hinter Prag, ebenfalls tat. Er machte seine Sache so gut und genoss das Enten Feeling in einer Weise, dass zum Schluss unserer Reise feststand, dass er den allergrößten Teil der gesamten Kilometer hinterm Steuer gesessen hatte. Three cheers for the driver!
Aber nicht nur Torsten und ich unterlagen besagtem Feeling, sondern auch die Menschen, die uns begegneten, im Auto überholten oder entgegen kamen, als Polizist und Grenzer extra anhielten, um sich diesen Exoten im allgemein üblichen Auto-Brei näher anzuschauen. Die Handy- und sonstigen Kameras blitzten, die Daumen gingen hoch und sämtliche Mundwinkel von groß & klein, jung & alt verzogen sich in Richtung Ohren. Standing Ovations, wie bei einem gelungenen Konzert o.ä. waren an der Tagesordnung und somit unsere ständigen Begleiter.
Nie hätte ich für möglich gehalten, dass unsere betagte „blonde“ Dolly ~ blond, weil in hellem sand-beige lackiert ~ mit ihrem sexy Hüftschwung und dunkel-braun-roten Kotflügeln, Kofferraum Klappe und Scheinwerfern, die Massen während der ganzen Fahrt so begeistern könnte. Allein das sorgte auch bei uns bereits von Anfang an für einen Spaßfaktor, den wir während der gesamten Fahrt mit den Menschen unterwegs teilten.
Mit den ersten Erfahrungen dieser Art sind wir dann in Kutna Hora, dem ehemaligen Kuttenberg gelandet. Genauer gesagt in Sedlec, einem Stadtteil, in der Pension Sedlec, unspektakulär am Bahnhof gelegen. Dort versuchte eine äußerst freundliche, etwas ältere Frau uns auf Tschechisch alles zu vermitteln, was wir für eine Übernachtung in unserem ersten 3-Bettzimmer wissen mussten, einschließlich des Preises von 308 tschechischer Kronen, was umgerechnet mit ca. 12 € als günstig zu bezeichnen ist.

Hartmut waltete als designierter Kassenwart gekonnt seines schweren Amtes, das auch dadurch nicht leichter wurde, dass er sich eines dieser angeblich so praktischen Safes bediente, die um den Hals getragen und zwecks Unsichtbarkeit unterm Hemd verschwinden. Es war ein ledernes (vielleicht auch nur kunstledernes) Werbegeschenk ~ sein ganzer Stolz ~ das dort dann so stark auftrug, dass Hartmut ~ weil er als schlanker und ranker Typ nicht als dick erscheinen wollte ~ dieses Teil nur noch für alle sichtbar trug und jedes Mal so hektisch mit den hundert Fächern hantierte, dass ihm einige Male der Inhalt an Karten und Münzen heraus purzelte. Die Geldscheine mussten beim Bezahlen jedes Mal komplett herausgenommen und somit allen Neugierigen gezeigt werden, weil sie sich einzeln nicht gut entnehmen ließen. Was sehr praktisch in Ländern ist, in denen ein paar Hunderter der Landeswährung bereits ein kleines Vermögen darstellen.
Was hat sich der arme Kerl von uns deswegen nicht alles an Hänseleien gefallen lassen müssen. Besonders, als sich der Safe einmal nächtens nach einem kleinen Gelage auf der Straße entleerte, und wir mittels Torstens Handylampe die Straße nach seinem Gedöns absuchten.
Sein „Mir ist alles heraus gefallen“ auf der nächtlichen Straße, kam so ähnlich rüber, wie ein „Mir ist alles aus dem Gesicht gefallen.“ Was ja durchaus zur Situation hätte passen können, wenn wir noch einiges mehr gebechert hätten. Unsere Reaktion war entsprechend. Die Krönung aber war, dass sich dann erneut am anderen Morgen alles unter seinem Bett wiederfand, weil ihm noch einmal alles heraus gefallen war. Diesem Safe hatte er es später auch noch zu verdanken, dass ihm beim Tanken die Brille runter sauste, weil sie sich in den Fallstricken dieses (un)praktischen Geräts verfangen hatte, und sich ein Glas in viele kleine Hologramm-Splitter zerlegte. Da aber das Glas vor dem sehschwachen Auge ganz geblieben war, beeinträchtigte ihn das Geschehen nicht sonderlich, außer dass es immer ein wenig zog.

Um den späten Nachmittag noch zu nutzen, machten wir uns auf den Weg in die Stadt, um die St. Barbara Kathedrale aus der Nähe zu sehen, deren interessante Dachform von überall von weitem aus zu sehen war. Sie schien aus riesigen, aneinander gereihten Pavillon- oder Party-Zelten mit geschweifter Firstlinie und hochgezogener Spitze zu bestehen, etwas, was ich bei Kirchen noch nie gesehen hatte. Aber wir wären beinahe gescheitert, weil sich das Schmuckstück so geschickt hinter den Häusern der Stadt versteckte, dass wir es erst nicht finden konnten und eine Runde nach der anderen durch die Einbahnstraßen drehten. Dabei wurde es dunkler und dunkler, so dass von dem günstigen abendlichen Fotografierlicht nicht mehr viel zur Verfügung stand. Geschlossen war die Kirche leider auch schon und vor dem Portal hatte man ein Gerüst aufgebaut, das den frontalen Anblick mehr oder weniger versaute. So ist das Reise-Leben, wenn auch trotzdem interessant.
Interessant war auch ~ wie Torsten wusste ~ dass sich in der Nähe unserer Bleibe ein Schädelgewölbe in einem anderen, alten kirchenähnlichen Gebäude befand, dessen Turm dem schiefen Turm zu Pisa Konkurrenz machte. Hier wollten wir am anderen Morgen unbedingt noch in die Gewölbe eintauchen.
Als kleiner leckerer Ausgleich nach unserer abendlichen Irrfahrt war ein tschechisches Fresschen angesagt, Schweinebraten mit Weinkraut und Knödeln; seeeehr lecker. Anschließend fielen Hartmut & ich auf Torstens Verführungskünste herein und schlürften im ersten Zimmer auf unserer Reise unsere erste Cola mit einheimischem Weinbrand, was mich mächtig an meine Bundeswehrzeit erinnerte, während der wir das Zeug als sogen. „Hässliche“ tranken. Nur dass die Mischung und Wirkung damals eine andere war. „Hässlich“ nämlich deshalb, weil der andere Morgen entsprechend war, je nach Menge. Für uns war es nun ein Betthupferl, das sich zu einem Ritual entwickeln sollte, bevor wir uns Morpheus Armen überließen. Einerseits glücklich wie ein paar kleine / große Jungs, die sich auf großer Abenteuerfahrt befinden, anderseits um herauszufinden, wer denn dem Anspruch genügen würde, der größte Schnarchhahn zu sein.
Von Torsten und mir wusste ich, dass wir für ganze Wälder gut sind. Und so hatte ich mich mit Ohropax eingedeckt, vorsorglich wie auf jeder Reise. Hartmut behauptete, ein Nicht-Schnarcher zu sein, was in der ersten Nacht auch stimmte, sich dann später aber relativierte. Zumindest hin & wieder. Laut Hartmuts Äußerung am anderen Morgen, verdiente Torsten die Auszeichnung, was ich naturgemäß nicht beurteilen konnte, da unser Konzert nicht aufgezeichnet wurde.

 

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