Mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien usw!

 

Hanoi

 

Etappe 22 ~ v. Sa. 29.12.2007 bis So. 13.01.2008

 

Der Bus, mit dem ich aus Nanning gekommen war, hielt und es hieß Endstation, alles aus- und umsteigen in kleine offene Wägelchen, die uns mitsamt Gepäck zum Grenzübergang brachten. Auch hier die bereits bekannte Prozedur. Die Aus- und Einreiseformulare mussten ausgefüllt werden, der Pass wurde kontrolliert, um dann in ein vietnamesisches Wägelchen einsteigen zu dürfen, das uns zu einem vietnamesischen Bus brachte. Und dann rollten wir auch schon die ersten Kilometer auf vietnamesischen Straßen.

Schlagartig sah vieles ganz anders aus, die Menschen, ihre Dörfer und ihre Häuser. Sogar die Luft schien irgendwie anders zu sein. Das waren vielleicht Kontraste. Die Gesichter hatten nichts chinesisches mehr, sondern etwas, was mich eher an Thailand erinnerte. Die Häuser waren im Handtuchformat gebaut, schmal und hoch. Anders als chinesische Häuser, schnuckeliger, lebendiger. Ich weiß nicht recht, wie ich Letzteres beschreiben soll. Und wenn ich sagte schmal, dann meine ich, dass sie nur ein Zimmer breit waren, vielleicht 4 Meter ~ manchmal weniger ~ und damit schmaler als jedes Reihenhaus bei uns. Aber dafür lang und mindestens zwei oder drei Stockwerke hoch. Das höchste, was ich gesehen habe, hatte 6 Stockwerke und stand da wie ein Zahnstocher in der Gegend. Und farbig waren sie, sogar äußerst farbenfroh, von gelb, über blau, grün, lila und gemischt. Mit Türmchen und kleinen Erkern und sonstigen verspielten Details. Charmant halt. Es erinnerte ein wenig an Karibik mit französischem Einschlag aus der Kolonialzeit. Interessanterweise war nur die Front farbig gehalten. Die Seitenwände, die meistens keine Fenster hatten, waren nur zementgrau. Und überall herrschte das reinste Chaos in Form von herumliegenden Gegenständen, von brauchbar, bis unbrauchbar, also Müll. Ein herrliches Sammelsurium.

Dabei befanden wir uns noch im mehr oder weniger ländlichen Bereich. In den Städten ~ auch in Hanoi ~ rückte das alles einfach näher zusammen, so dass sich ganze Straßenzüge bildeten. Ein schmales Handtuch neben dem anderen. Mal höher, mal weniger hoch. Mal quietschfarbig, mal dezent oder ohne Farbe, weil verwittert. Deutsche Bauämter sollten hier einmal Nachhilfeunterricht nehmen, dann wüsste sie, wie eine lebendige Straße, eine lebendige Stadt aussieht. Hier gab es nichts von dem deutschen Einheitsbrei deutscher Siedlungen. Hier gab es stattdessen von allem mehr, als ich es bisher erlebt hatte. Es gab mehr Menschen, mehr Mopeds, Motorroller, Rikshas und Motorräder, aber weniger Fahrräder, Autos, Busse, LKW's. Und vor allem weniger Platz, denn jedes noch so kleine Fleckchen war mit irgendetwas zugestellt, belegt, genutzt.

Der Bürgersteig und die Straße gehören allen, heißt es hier. Und so standen auf den Bürgersteigen so viele parkende Mopeds quer zur Gehrichtung, Miniverkaufsstände, Minirestaurants, die Auslagen der Geschäfte, dass auf ihnen kein Durchkommen war. Dafür befanden sich sämtliche Fußgänger und Lastenträger auf der Straße zwischen den irrsinnig hupenden Fahrzeugen aller Art. Hatte ich bisher gedacht, dass die Natur uns mit unseren Sinnen komplett und ausreichend ausgestattet hat, musste ich hier feststellen, dass es besser gewesen wäre, wenn wir ein paar Augen mehr bekommen hätten ~ 2 vorne, 2 hinten und zur Seite. Das Ganze ergänzt durch ein Abstandsradar und Gummiknochen wie die chinesischen Akrobaten, um diversen Lenkern, Frachtgut auf den Fahrzeugen und Menschen jederzeit ausweichen zu können.

In Irkutzk und danach in Peking und Schanghai hatte ich ja schon den Eindruck, den verrücktesten Straßenverkehr kennen gelernt zu haben. Aber hier wurde ich gaaaanz fix eines Besseren belehrt. Es gibt anscheinend doch noch immer eine Steigerung. Und wenn das stimmt, bin ich jetzt schon gespannt, wie die aussehen wird, und wo ich sie vorfinde.

Aber Steigerung hin und her, ich wusste bereits im Vorfeld, dass ich Freund Torsten in Hanoi wieder treffen würde, auch wenn sich das erst einmal nicht so ganz einfach gestalten sollte. Er hatte von mir im Vorfeld den Namen des Ankunftsbusbahnhofs wissen wollen, um mich dort abzuholen. Nur leider befanden wir uns dann an zwei unterschiedlichen Plätzen, da sich das chinesische Wort nicht mit dem vietnamesischen deckte. Und da hatten wir den Salat. Ich stand irgendwo in dieser 3,5-Millionen Stadt und hatte keine Ahnung wo. Und die chinesische SIM Card in meinem Handy streikte hier natürlich zurecht. Also fuhr ich auf Anraten der Reisebegleiterin mit bis zum Busabstellplatz, weil es dort eine Möglichkeit zum Telefonieren geben sollte. Was ich (noch) nicht wusste, ist, dass Vietnamesen noch einen ganzen Zacken smarter sind, als Chinesen. Und das egal, was es ist, am Ende nur die erfolgreiche Einnahme von Dollar oder Dong steht. D.h. Euro gehen mittlerweile auch. Und das ist jetzt nicht böse gemeint, sondern einfach eine Tatsache. Nur galt es, das für mich erst einmal zu erkennen und mich darauf einzustellen.

In China hätte mich eine Reisebegleiterin in der gleichen Situation ohne weiteres mit ihrem Handy telefonieren lassen. Diese hier zitierte mich, als der Bus dann endgültig hielt, mit unklaren, aber vielversprechenden Äußerungen in ein Hotel an der Endstation, obwohl sie zuvor im Bus noch behauptet hatte, dass sich dort das Office ihrer Gesellschaft befände, in dem ich anrufen könnte. Aber dort gab es nur das Hotel, nix mit Office, und ich vermute einfach mal, dass sie aus Provisionsgründen darauf spekulierte, dass ich dort einchecken und wenn nicht, immerhin mein Telefonat zu Hotelpreisen führen würde. Einfacher wäre es gewesen, wenn sie mir im Bus ihr Handy angeboten hätte. Denn wenn man weiß, wie preiswert auch für vietnamesische Verhältnisse ein Ortsgespräch per Handy ist, wäre es ein Klacks gewesen, für den ich ihr sehr dankbar gewesen wäre.

Na ja, diese und ähnliche Erfahrungen sollte mich auf unterschiedlichste Weise die ganze Zeit begleiten, zusammen mit einer anderen Erfahrung, dass ein Ausländer grundsätzlich als Krösus gilt, den es zu schröpfen gilt. Selbst wenn vor mir oder uns ein Einheimischer für das Gleiche einen deutlich niedrigeren Preis löhnte, zahlten wir mind. das Doppelte. Nur wenn einer der vietnamesisch sprechenden Freunde von Torsten dabei war, klappte das etwas besser, aber auch niemals ohne den Versuch. Schließlich steht ja nicht dran,
„Dieser Typ quatscht unsere Sprache.“Mein Motto war jedenfalls immer: „Wenn ich es merke, ist es gut, dann kann ich denjenigen stehen lassen oder ihm klar zu machen versuchen, dass ich soooo doof nun auch wieder nicht bin.“Und wenn ich es nicht merke, ist es auch egal, denn dann weiß ich es ja nicht, und der andere hatte seinen Spaß. Ist doch okay. Und daher vermochte ich den Ärger nicht so ganz nachvollziehen, den andere bei diesen Reinlegespielchen verspürten. It's a game, das die Vietnamesen nun mal um Klassen besser spielen als wir es jemals zu spielen vermögen. Also heißt es, unbedingt vorher nach dem Preis fragen, hinterher ~ vor allem, wenn man die Leistung bereits in Anspruch genommen hat ~ ist es zu spät und es gibt nur fruchtlose Diskussionen.

Ich denke dabei an meine einzige Riksha-Fahrt, zu der ich mich bisher durchringen konnte. Erzeugte der Gedanke, mich von einem Menschen per Fahrrad mit Sitzkorb davor durch die Gegend kutschieren zu lassen, doch jedes Mal ein komisches Gefühl in mir. Und da half es auch wenig mir zu sagen, dass sie sich damit ihren Unterhalt erarbeiten und sie somit unterstütze. Oder was mir sonst noch für hehre westliche Gedanken so einfielen.

Aber an diesem Tag war es irgendwie anders. Hanoi bot Sonnenschein pur und eine angenehme Wärme, und der lebhafte Betrieb in den kleinen Altstadtgassen verlockte zum Bummeln. Und jemand, der einfach nur so durch die Gegend latscht, verlockt natürlich jeden freien Rikshafahrer aufs Höchste. Also wurde ich permanent von dem Standardsatz:
„Very cheap for you, one hour.“verfolgt, den ich genauso permanent abwehrte. Bis ein Fahrer etwas anders daher kam. Ich weiß zwar nicht mehr was er sagte ~ vielleicht war es auch einfach nur sein Lachen und seine Fröhlichkeit, die er ausstrahlte ~ jedenfalls kletterte ich, nachdem wir uns zum zweiten Mal in einer anderen Straße dann zum zweiten Mal trafen, in seine Ricksha und los gings. Es gefiel mir sogar, bis er mich dann schon nach einer dreiviertel Stunde los werden wollte und auch wurde, weil er einfach nicht mehr weiterfuhr und auch meine Gesten ~ das Zeigen auf meine Uhr + Erklärungen ~ nicht zum Weiterfahren zu bewegen war. Ich hatte nur versäumt, bei Abfahrt auf meine Uhr zu zeigen, bzw. ihm erst nur die Hälfte seines Geldes zu geben oder überhaupt erst am Schluss der fahrt zu bezahlen.

Dazu passt auch meine Erfahrung mit einem Moped-Taxi, dass ich früh morgens um 6:45 Uhr benötigte, um zu einem Busbahnhof am Rande Hanois zu gelangen. Der junge Mann an der Rezeption hatte für mich am Abend vorher den Fahrer angerufen, der tagsüber draußen auf dem Bürgersteig seinen Platz hatte und für das Hotel immer wieder Fahrten unternahm. Der tauchte jedoch nicht auf, hatte wohl verpennt oder so. Also übernahm ein anderer aus der Hotelmannschaft ~ nachdem er geweckt worden war ~ den Job und karrte mich zum Busbahnhof. Der Standardpreis für so eine Fahrt ist 20.000 Dong, das wusste ich. Und so nahm ich an, dass das auch an diesem Tag, in dieser frühen Stunde galt und fragte nicht nach. Mein Fehler, denn als wir angekommen waren, verlangte er das fünffache, 100.000 Dong. Mit der Begründung, dass es doch soooo früh und soooo kalt sei, was ja beides stimmte. Nur das Verhältnis stimmte nicht. Also diskutierten wir wie die Kesselflicker, bis ich ihm dann ~ als alles nichts nützte ~ letztendlich den doppelten Betrag in die Hand drückte, weil es ja wirklich kalt auf dem Bock gewesen war. Außerdem erzählte ich ihm auf Deutsch, dass er mich mal kreuzweise könnte und ließ ihn dann stehen.

Tja, auch auf solche Kleinigkeiten darf man bitteschön ebenfalls achten. Und so bemühte ich mich seit meinen frühen hanoier Erfahrungen, die Dinge möglichst im Vorfeld genau zu klären, auch wenn ich es immer mal wieder vergaß und eine nächste Erfahrung verbuchen musste. Dabei war es dann meistens so, dass der oder diejenige einer Antwort auf meine Frage, z.B. nach dem Preis für das Essen an einer Garküche, geschickt auswich und währenddessen aber schon fleißig das Essen in die Schüssel füllte. Und dann soll so eine simple Nudelsuppe dann plötzlich 20.000 Dong, statt 8 oder 10.000 kosten. Wobei ein Einheimischer eh noch weniger zahlt. Für mich ist so eine Situation jedes Mal zum Piepen, aber ich kann diejenigen verstehen, die sich darüber aufregen, immer nur aufpassen zu müssen, um nicht übers Ohr gehauen zu werden.

Ein anderes Beispiel ist der Lonly Planet, die Backpacker Bibel, die es hier als Raubkopie an jeder Ecke zu kaufen gibt. Das geht soweit, dass man die Originale kaum noch in den Buchläden bekommt, weil sie einfach zu teuer sind und in den Regalen stehen bleiben. Und Asche auf mein Haupt, auch ich habe mir den für Vietnam und Laos auf der Straße gekauft. Einer der Burschen wollte für ersteren 350.000 Dong und ein anderer für den anderen sogar 400.000 Dong sehen, das sind fast die Preise für das Original. Vietnam habe ich dann schließlich für 80.000 bekommen und für Laos musste ich 10.000 mehr hinblättern. Aber beide Male erst, nach dem ich gegangen war und mich um den mir folgenden und lamentierenden
„Buchhändler“so lange nicht mehr kümmerte, bis er okay sagte. Und dennoch hat er sein Geschäft gemacht, nur nicht in der anfangs gedachten Größenordnung. Wobei wir hier bei den bezahlten Beträgen von umgerechnet ca. 4 bis 4,5 Euro reden. Den LP für Kambodscha gab es in ganz Hanoi aus irgendwelchen undurchsichtigen Gründen weder als Original noch in der gefakten Version zu kaufen.

Eine andere Masche ist die anscheinend sehr ergiebige Tankmasche, die grundsätzlich sogar auch bei Einheimischen versucht wird, nämlich zu wenig Sprit in den Tank zu füllen. Und wie die beiden Vietnamesen-Deutschen versicherten, fallen auch sie immer wieder darauf rein, weil mit allen Tricks gearbeitet wird. Wobei geschickte Ablenkung noch der simpelste ist, die auch bei uns auf der Insel Cat Ba in der Halong Bay funktionierte, wo wir uns Mopeds gemietet hatten. Dabei hatten wir wirklich aufzupassen versucht und dennoch zu wenig Sprit für's Geld bekommen. Denn bei der angeblichen Menge hätte der Tank überlaufen müssen, aber beim späteren Nachschauen war sogar noch Platz. Wie der Bursche das geschafft hat, werden wir wohl nicht mehr erfahren. Vielleicht mit dem raffinierteren Trick der elektronischen Variante, bei der am Griff des Zapfhahns ein kleiner, kaum sichtbarer Knopf angebracht ist, mit dem das Zählwerk manipuliert werden kann. Na ja, so lange man nicht liegenbleibt, weil man glaubt, mit genügend Sprit losgefahren zu sein, ist ja immer noch alles im grünen Bereich, gelle?

Aber genug von den Räuberpistolen, denn bevor ich oder wir auf Cat Ba landen konnten, musste Torsten mich erst einmal an diesem Hotel aufgabeln, was immerhin mit Hilfe vom mir noch unbekannten Jens ~ einem seiner Kumpel, der in Hanoi mit seiner vietnamesischen Frau lebt ~ dessen Ortskenntnissen und seinem Motorroller recht zügig klappte. Und dann saß ich auch schon selber hinten auf einem dieser Mopedtaxis ~ sogar mit Helm, denn hier ist seit Mitte Dezember Helmpflicht, an die sich auch weitestgehend gehalten wird und auf ging's in dieses Gewühl, das ich bisher nur vom Busfenster oder jetzt beim Warten fasziniert verfolgt hatte, in Richtung eines Hotels in der Altstadt, dass die beiden für mich gefunden hatten. Hinten auf dem Moped zu sitzen, gefiel mir noch besser, als das bisherige Nur-Straßeüberqueren. Und noch besser könnte nur Selberfahren sein, allerdings traute ich mich noch nicht, würde mich vielleicht auch nie trauen. Denn schon jetzt wusste ich nicht recht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Auf die, die uns gegen alle Regeln auf unserer Seite entgegenkamen, die, die sich links und rechts an uns vorbei schlängelten, die, die sich von links oder rechts in oder gegen den Verkehr einfädelten, die wenigen Radfahrer, die Rikshafahrer, die Fußgänger oder die Autos, die es natürlich auch gab. Der reinste Hexenkessel, und ich mitten drin. Und ich habe es ja schon einige Male angedeutet, dass mir diese scheinbare Regel- und Zügellosigkeit schon in den anderen Städten nur zu gut gefallen hat, aber das hier war noch eins drauf und hatte insofern auch seinen noch spezielleren Reiz.

Torsten habe ich aber auch zu verdanken, dass ich gleich an meinem ersten Tag etwas kennen lernte, von dem ich weiß, dass und wie sehr ich es vermissen werde, wenn ich Vietnam wieder verlasen werde, bzw. muss. Das ist der vietnamesische Kaffee, Motoröl, wie er von ihm und seinem Kumpel Ronni getauft wurde. Und wie das Wort es andeutet, kommt er dunkel wie die Nacht daher und scheint deutlich zähflüssiger zu sein, als der normale uns bekannte Kaffee. Er glänzt irgendwie sogar leicht ölig und hat nichts mit einem Kaffee bei uns gemein, von dem wir sagen, dass der Löffel in ihm stehen bleibt. Hier müsste man diesen Satz ergänzen, dass dieser im Kaffee stehende Löffel sich wie aus Honig o.ä. herausziehen lässt. Vietnamesischer Kaffee ist stärker, leckerer, süffiger als jeder Kaffee, den ich bisher getrunken habe. Man kann ihn schwarz bekommen, in manchen Lokalen mit Frischmilch und in allen mit gesüßter Kondensmilch, die so süß und dickflüssig ist, dass es fast einen Zauberstab (Mixquirl) braucht, um sie homogen im Kaffee zu verteilen. Und ich, der seit Jahrzehnten seinen Kaffee ohne Zucker, aber mit Milch trinkt, bin hier völlig rückfällig geworden und schlabbere diese köstliche Brühe nur mit der gesüßten Kondensmilch. Uijuijuijui ist das lecker, dafür lasse ich weiterhin jeden Tee stehen.

Dieser Kaffee wird allerdings auch anders zubereitet und serviert, als ich es bisher kannte. Er kommt in kleinen Tassen, die etwas größer als Espresso Tassen sind, auf denen sich ein kleiner dreiteiliger Aufsatz aus simplem, alzheimerverdächtigem Aluminium befindet. Das Ganze arbeitet wie ein Filter und ist ähnlich der italienischen Kaffeekocher aufgebaut, nur dass hier ausschließlich mit Schwerkraft gearbeitet wird und nicht mit Druck. Das heiße Wasser fließt dabei langsam durch das Kaffeemehl in die Tasse, in der schon die Kondensmilch wartet, wenn man denn seinen Kaffee in dieser Form bestellt hat. Und der Deckel, der dieses kleine Gerät verschließt, um das Aroma und die Wärme zu halten, dient anschließend als Abstell- und Abtropffläche für den Filter. Wenn der Kaffee ganz stilecht serviert wird, steht die Tasse außerdem in einer kleinen Schüssel mit heißem Wasser, damit in der Zeit des Duchlaufens ja nichts kalt wird. Und wahrscheinlich wurden die Bohnen anders gerösteten, als wir es kennen oder in irgendeinem Urlaub in einem anderen Kaffeeland mal kennen gelernt haben. Vietnam läuft – so sagte man mir – Dank der Bestrebungen der ehemaligen DDR und ihrer Verbindung zum Bruderland, den anderen Kaffeeländern so langsam den Rang ab. Hoffentlich taucht das Gebräu spätestens dann in unseren Kaffeeshops auf, wenn ich meine Füße wieder auf deutschen Boden setzte. Genauso genial schmeckt dieser besondere Kaffee aber auch als Eiskaffee, obwohl er hier nicht mit Vanilleeis aufgefüllt wird, sondern mit normalem Wassereis. Ich könnt' mich reinsetzen.

Tja, und dann näherte sich auch bereits unerbittlich das Jahresende und damit der Beginn des Neuen Jahres. Und das bei Temperaturen um die 20 Grad und mehr + Sonnenschein satt, von dem zuhause nur geträumt werden kann. Meinen Jahreswechsel würde ich ~ wie die letzten Jahre ~ allein mit mir verbringen, denn Torsten hatte sich entschlossen, ihn zusammen mit seinem anderen Freund Ronni in Cam Pha an der Halong Bay bei vietnamesischem Wodka und ebenfalls einheimischem Sekt zu begehen. Auch nicht prickelnder als mein Sylvester, dass ich um 12 Uhr immerhin mit einem vorzüglichen italienischen Whisky Eiscrem beging. Wenn das nichts ist?!? Und ich bin sechs Stunden früher ins Neue Jahr gerutscht als Freunde und Verwandte in Deutschland. Eine interessante Variante, auch wenn sie sich unspektakulärer darstellen sollte, als je zuvor. Denn in diesem Land, in dem ~ wie in vielen, wenn nicht allen asiatischen Ländern ~ der Mondkalender gilt, hingen zwar überall die „
Happy New Year“Transparente und Schilder, aber damit hatte es sich dann auch schon. Und so fand in Hanoi am Kiem See zwar so etwas wie ein Open Air Konzert mit jungen unbekannten Sängern statt, so dass ich erst einmal glaubte, hier geht die Post ab, aber es passierte nichts. Tausende meist junger Leuten standen herum, bzw. saßen auf ihren Mopeds und blickten und hörten in Richtung Bühne. Eine junge Sozia saß gar ~ anscheinend aufs höchste gelangweilt ~ hinter ihrem Typen strickend auf dem Bock. Es gab weder Gepfeife, noch Feuerzeuge oder sonst etwas, was man normalerweise von solchen Veranstaltungen kennt. Und als es dann so weit war ~ Punkt 12 Uhr ~ rührte sich immer noch niemand, aber immerhin hörte ich einen einzigen einsamen Böller. Und fünf Minuten später zündete doch glatt irgendjemand noch eine kleine Rakete, die dann vollkommen solo am nächtlichen Himmel zerplatzte, womit der Start ins Neue Jahr in Hanoi dann auch schon besiegelt war. Happy New Year. Und falls es weitere Feuerwerkskörper gegeben haben sollte, wurden die wahrscheinlich gebunkert für das eigentliche Neujahrsfest ~ das Tet Fest, wie es hier heißt ~ Anfang Februar. Dann soll hier alles außer Rand und Band sein, wie man mir erzählte. Aber nicht hier und jetzt. In dieser Nacht waren sogar die Straßen im Bereich der „Old Town“ ~ im Gegensatz zu allen anderen Abenden ~ fast menschen-, moped- und rikshaleer. Ein Bild, das ich in dieser quirligen Stadt bisher noch nicht gesehen hatte. Es wirkte fast ein wenig gespenstisch, wie auch eine nächtliche Baustelle, an der um diese Zeit noch fleißig gewerkelt wurde. Beton wurde per Hand gemischt, Steine hin und her getragen, Sand gesiebt, kurz um, alles dafür getan, dass die Hütte bald bezogen werden kann. Seltsam, seltsam, wie vieles.

War in China die überall eingesetzte manpower schon beachtlich, mit der dort statt mit Maschineneinsatz gearbeitet wurde, glaubte ich hier immer wieder in eine Zeit versetzt zu sein, die mir irgendwie noch aus den 50ern in Erinnerung ist, als das Handwerkliche auch bei uns noch überwog. Auf den kleinen Baustellen wimmelte es von Arbeitern, die alles per Hand machten. An den Straßen wurden alle möglichen defekte Geräte repariert und nicht entsorgt. Dort wurden auch Elektromotoren auseinander genommen, um die Anker neu zu wickeln. Oder irgendwelche kaputten Teile wurden per Hand geschickt nachgebaut, um das Gerät wieder zum funktionieren zu bringen. Steinmetze saßen am Straßenrand und meißelten Grabplatten, Hausnummern, Tafeln mit Sprüchen und was weiß ich sonst noch. Schuhmacher flickten jegliche Art von Schuhen en passant. Das gleiche machten Reifenflicker und Fahrrad- wie Mopedschrauber auf den Bürgersteigen mal eben so im Vorgeigehen. Friseure hatten einen Stuhl auf dem Bürgersteig stehen, einen Spiegel an die Wand gehängt und schnitten ihren Kunden die Haare mit den alten Geräten, die keinen Strom benötigen. Genauso, wie es Näherinnen gab, die mit Tretmaschinen ihre Arbeit erledigten oder gar nur per Hand nähten. Einmal habe ich gar eine Frau beobachtet ~ als ich mir mal wieder meine Kaffee-Dröhnung gönnte ~ die verschiedene Tageszeitungen vermietete. D.h. jemand ließ sich von ihr eine Zeitung geben, las das, was ihn interessierte, gab sie fein säuberlich gefaltet zurück und entrichtete seinen Obulus. Es war immer wieder faszinierend, diesem geschäftigen Treiben über die Schulter zu schauen.

Und überall die vielen, vielen Waren, die verkauft werden wollten ~ ich habe mich immer wieder gefragt, wer das alles kaufen soll ~ angefangen bei den unzähligen Obst- und Gemüsesorten, von denen ich viele nicht einmal kannte. Weiter über Kurz-, Süß-, Metall-, Spiel- und sonstige Waren. Es gab nichts, was es nicht gab. Selbst Brot gab es stapel-, ja körbeweise in einer Art Mini-Baguette Form an jeder Ecke. Oder Fleisch und Fisch, die beide frisch und getrocknet in Unmengen und oft direkt auf Straßenniveau zu haben waren. Jeder Interessent grabschte sich das Stück, das ihn interessierte, befühlte es, roch daran und legte es bei Nichtgefallen wieder hin. Oder es wurde eine Art Gehacktes produziert, nicht per Fleischwolf, sondern in dem das Fleisch mit dem Messer in immer kleinere Stücke und Stückchen geschnitten wurde, bis es unserem Gehackten ziemlich ähnlich sah. Es gab immer und überall reichlich zu sehen und zu entdecken. Langweilig wurden diese Spaziergänge durch die alten Straßen für mich nie. Wobei die Altstadt so aufgebaut war, dass in einer Straße immer nur eine Sorte von Geschäften und Händlern zusammengefasst waren, was sogar durch die Straßennamen kenntlich gemacht wurde. Das könnte die Suche nach bestimmten Dingen natürlich erleichtern, wenn man denn die Begriffe auf den Straßenschildern übersetzen könnte.

So, wie die Kenntnis der Landessprache einem das Leben im Land eh in vielerlei Hinsicht erleichtern würde. Wie habe ich die beiden Kumpels vom Torsten (Jens und Ronni) immer wieder beneidet, wenn sie mal eben locker das eine oder andere geklärt bekamen, was sich für mich als unlösbares Problem darstellte. Insofern war ich auch gleich Feuer und Flamme, als sich Torsten nach Neujahr meldete und fragte, ob ich nicht Lust hätte zusammen mit Ronni und ihm per Fähre für zwei Tage auf die schon benannte Insel Cat Ba zu fahren. Gott sei Dank hatte ich noch keine organisierte Tour gebucht, nur eine zur Duft Pagode, die ich aber noch verschieben konnte. Und dann saß ich am anderen frühen Morgen auf dem Mopedtaxi, mit dessen Fahrer ich mich wegen der 100.000 Dong kabbeln musste.

Nach etwas mehr als drei Stunden Busfahrt ~ die auch bis zu 5 Stunden dauern kann ~ landete ich dann in Halong, wo die beiden mich abfingen, um dann die Tickets für die Fähre zu besorgen. Das Ding war so ein richtiger alter Holzkahn, an dem die Farbe abblätterte und der überall krumm und schief, verzogen und teilweise verrottet war. Der ADAC hätte für dieses Schiff in seinem Fähren-Test-Bericht mit Sicherheit kein positives Urteil gehabt. Aaaber, wir konnten ja alle drei schwimmen und als alter Optimist war mir sowieso klar, dass wir heile hin und zurück kommen würden. Und so tuckerte das Boot mit uns dann auch unverdrossen durch diese Filmkulissen-Bucht. Bei relativ schönem Wetter, versteht sich. Es zwar zwar leicht diesig, aber die Sonne meinte es gut. Und so gehört sich das auch, wenn gleich drei Engel reisen, gelle?

Ronni hatte für die zwei Tage Urlaub von seiner ebenfalls vietnamesischen Frau genommen und wollte uns die Bucht und die Insel ~ auf der er immerhin schon vier- oder fünfmal war ~ ein wenig näher bringen. Was uns, Torsten und mir, natürlich in dieser Form lieber als jede geführte Tour war. Und dazu gehörte eben auch, dass wir mit den gemieteten Mopeds über die Insel fuhren, um u.a. in dem National Park mal wieder auf einen Berg zu kraxeln. Aber das war ja nun für mich schon nichts neues mehr. Wobei es hier allerdings weniger Stufen und dafür mehr felsige Abschnitte gab, die schon ein wenig Sorgfalt verlangten. Es war eine schöne Zeit auf der Insel, mit ganz viel Quatschen, leckerem Essen und relaxtem Dasein. Mmhhh, Reisen ist schon was feines. Nur leider ging unser kleiner Ausflug viel zu schnell vorbei, und mein Bus brachte mich nun umgekehrt zurück nach Hanoi, wo ich dann am Tag darauf schon an der verschobenen Tour zur Duft Pagode teilnehmen wollte.

Es heißt, dass dieser Name daher kommt, dass dort zur Frühlingszeit sehr viele intensivst duftende Blumen wachsen. Und dieser Duft begleitet den Besucher dann auf dem Weg zur Pagode, die auf der Spitze eines Berges liegt und sich dort in einer Höhle befindet, was sie wohltuend von den vielen, vielen anderen Pagoden unterscheidet. Und da ich mich gegen die
„cable car“entschieden hatte, bedeutete der Aufstieg auch hier wieder Stufen. Ich bin mal gespannt, wie viele es noch werden.

Die Fahrt dorthin erfolgte zunächst mit dem Minibus, um dann auf kleine Metallboote umzusteigen, die von Frauen gerudert werden. Und die hatten was drauf, anders kann man das kaum ausdrücken, jedenfalls hängten sie jedes von Männern geruderte Boot ab, das wir unterwegs auf dem Fluss trafen. Der Fluss und die Landschaft erinnerte ein wenig an den Li und Halong River in China, nur dass es mir dort durch die Bambusboote noch stimmiger, weil ursprünglicher vorkam. Aber auch diese Fahrt war ein schöner Ausflug, den ich zugegebenermaßen ohne gebuchte Tour sicher nicht so gut hingekriegt hätte.

In den Tagen danach merkte ich so langsam mal wieder, dass etwas in mir weiter ziehen wollte, ich wurde kribbelig. Und das war bisher immer das Zeichen, mich um mein Ticket, die neue Unterkunft und alles Erforderliche zu kümmern, so dass ich dann auch bald in meinem ersten vietnamesischen Zug saß, der mich fast 1000 Kilometer weiter südlich nach Hue in die alte kaiserliche Hauptstadt bringen sollte.

 

Anfang