Wellington
Etappe 65 ~ von Fr. 10.04. bis Do.16.04.2009
„Windy Wellington“, den Namen hatte sich die Hauptstadt des Landes wohl zurecht verdient, denn bis auf zwei, relativ ruhige und schöne Sonnentage, zeigten die Götter des Windes permanent was
Sache ist. Aber trotz des Windes stellte sich Wellington ebenfalls als quirlige Stadt heraus, meinem Eindruck nach sogar mit noch etwas mehr Charme und Atmosphäre als Auckland. Wenn ich mich
entscheiden müsste, in welcher Stadt ich leben möchte, fiele mir das sicher nicht ganz leicht.
Dennoch weiß ich gar nicht so richtig, was ich berichten könnte. Es kam alles so „normal“ daher. Okay, das große Te Papa Museum war 'ne Wucht, so
dass ich sogar am nächsten Tag erneut hinging. Und ich bin wieder reichlich durch die Stadt und ein wenig durch die Gegend gelaufen, auf den Mount Victoria, mit dem
„Cable Car“ hoch zum Botanischen Garten oder entlängs der Harbourside, um Wind und Wellen besonders nahe zu sein. Aber es gab
nichts, was irgendwie aus dem Rahmen gefallen wäre.
Ähnlich wie in Hannover ~ und sicher auch in anderen Städten ~ gab es reichlich moderne Kunst im öffentlichen Raum (auch von Maori Künstlern, die sich von „nur“ traditionellen Darstellungen entfernt hatten), womit eine Stadt, aber auch eine ethnische Gruppe bei mir ja sowieso schon gleich einige Pluspunkte mehr aufs Konto bekommt.
Ist schon seltsam, dass ich auch heute noch mit dem Traditionellen ~ egal was es ist ~ so wenig anfangen kann, sich mir meistens die Nackenfedern sträuben, mir aber bei heutigen, modernen Dingen,
das Herz aufgeht. Irgendwann muss mir mal ein lausiger Traditionalist mächtig ans Bein gepinkelt haben. Sei's drum.
Sinnigerweise gefällt mir dann in dem Zusammenhang, dass unsere alte, „tradionsreiche“ Pamir auch mal hier her gesegelt ist, wie eine bronzene
Gedenktafel zeigte, aber lange vor ihrem Untergang. Aber zu dem Segler habe ich eine andere Beziehung, da ich in meinr Bremer Zeit mal jemanden kennen lernte, der nicht mit unterging. Und das
wohl nur, weil seine Eltern ihm verboten hatten anzuheuern.
In Wellington verbrachte ich dann auch das zweite Ostern meiner Reise. Nur Eier gab es keine zu suchen, da niemand welche versteckt hatte, jedenfalls nicht für mich. Immerhin bekam ich ein
Schokoladenei von einer Frau aus einer Gruppe, die in ihrer Tracht gekleidet, tanzend und Musik machend durch die Stadt zogen. Sicher ein alter Osterbrauch. Die Tradition lässt mich nicht los,
aber auch mit dieser hatte ich kein Problem.
Tja, und natürlich habe ich gerade hier oft an den 15. März meiner Campervan Fahrt mit meiner Friedensentscheidung denken müssen, die den Grund meiner neuen
„Normalität“ lieferte und mein Grund-Reise-Feeling und den ursprünglichen Wunsch überlagerte, Deutschland für immer den Rücken zu kehren.
Hinzu kam die Begegnung mit einer Amerikanerin, die seit Jahren hier lebt und ebenfalls nicht daran denkt, in die USA zurückzukehren. Ich hatte sie in der Bibliothek kennen gelernt, als ich sie
nach einer Internet Möglichkeit fragte. Wir hatten uns dann fest gequatscht, was natürlich als Mitarbeiterin nicht uneingeschränkt möglich ist. Und so hatten wir uns für abends in einem kleinen
Bistro verabredet, um dort weiterzumachen, wo wir aufgehört hatten. Ein bezaubernder Abend, der „Windy Wellington“ ~ zumindest in diesem Moment ~ noch
interessanter werden ließ.
Aber Neuseeland ist für viele ein weit entfernt liegendes Reiseziel, wenn auch eins, das schon vor einer Weile ~ besonders in letzter Zeit, wie auch Australien ~ bei uns ebenfalls mit aller Macht
entdeckt wurde und auf der Beliebtheitsskala nach oben kletterte. Dennoch hat es mich immer wieder verblüfft, wie oft mir die Deutsche Sprache begegnete, fast 20.000 Kilometer entfernt am anderen
Ende der Welt. Ist überhaupt noch jemand bei uns im Land?
Was bin ich froh, nicht im Rahmen einer der üblichen Fern-Ferien-Reisen hierher gekommen zu sein und darüber, dass alles, was vor Australien statt gefunden hat, genauso anders gestrickt war. So
interessant es auch sein mochte hier zu sein, mir fehlte etwas. Das Asien-Feeling. Mir fehlten diese Menschen, die monatelang jeden Tag meine Traveller-Welt bestimmten, und die so anders sind als
unsereins. Klarer und klarer wurde das. Und alles kam mir viel zu „normal“ daher.
Was also gäbe es aus dieser Normalität heraus noch zu berichten? Vielleicht, dass ich hier zum ersten Mal wirklich realisierte, dass die Sonne im Gegensatz zu uns im Westen auf- und im Osten
untergeht. Und das unser Spruch, dass sie nie im Norden steht, hier nicht gilt. Denn hier ist sie nie im Süden zu sehen, während sie mittags glatt im Norden steht. Diese Vorstellung fiel mir ohne
Kompass doch recht schwer, aber hier in Wellington fand ich ein paar ins Pflaster eingelassene Windrosen, an denen ich den Unterschied zu unseren Breitengraden gut nachvollziehen konnte.
Ja und vielleicht auch noch, dass mein alter Trick, in einem Dorm ein unteres Bett zu ergattern, hier erstmals nicht funktionierte. Es hatte sich nämlich jemand auf Grund meiner mitternächtlichen
Ankunft ~ trotz einer auf meinen Namen ausgestellten DIN A4 großen ausgedruckten Reservierungsmitteilung ~ dreist darüber hinweg gesetzt, so dass nur noch zwei
„upper beds“ frei waren. Und oh Wunder, alles schlief um diese Zeit bereits. Wo waren die Nachtschwärmer, die es sonst so reichlich gab?
Nun ist es ja nicht so, dass ich nicht genauso gut oben pennen könnte, aber ich ziehe das untere Bett einfach vor, weil es mehr Möglichkeiten bietet, meine doch recht kleine Komfortzone ein wenig
zu erweitern, nämlich unter's Bett. Dort kann ich mich sooo richtig ausbreiten und all die Klamotten unterbringen, die ich brauche und schnell erreichbar für mich sein sollen, wie Uhr, Notebook,
Wasserflasche, Lonely Planet, Buch, Ohropax usw. Oft passt sogar, wenn das Bett hoch genug, quasi ein Senioren Bett ist, mein Trolley darunter. Und ich kann dort prima, wie in einer Höhle sitzen,
und mich mit meinem Notebook beschäftigen. Außerdem kann ich schnell mal aufstehen und muss nicht jedes Mal die Hühnerleiter rauf und runter.
Im Oberen Bett habe ich nun mal Stauprobleme, weil es dort meistens kein Ablagebord gibt. Und bisher hatte mein Trick mit der Hüfte, die ja geradezu nach einem unteren Bett schreit, ja auch prima
funktioniert. Da der Frechling aber am nächsten Morgen aus checkte, bezog ich halt mein „bottom bed“ mit etwas Verspätung. Wobei mir einer
meiner „room mates“
~ ein Thai aus Bangkok ~ mir schon angeboten hatte, sein Bett mit mir zu tauschen. Da ich aber ja nicht wirklich mit einem
Hüftproblem unterwegs bin, machte ich ihm klar, dass ich noch ganz gut in die zweite Etage komme. Wenn auch nicht so gekonnt, wie der „Highlander“, ein
Schotte, der seine eigene, persönliche Methode hatte, die ich in Brisbane in meinem Hostel beobachten konnte, aber immerhin ganz brauchbar. Dieser Typ verzichtete nämlich ganz auf die Leiter und
hüpfte mit einem Satz auf sein „upper bed“
und genauso wieder runter. Das machte zwar einen Heidenlärm, aber auch was her.
Auch die leidige Tatsache, dass meine kleine Ixus, die mich nun schon so lange begleitet hatte, plötzlich an meinem letzten Tag in „Windy Wellington“ ihren
Dienst quittierte, ist vielleicht eine Erwähnung wert. Zumal diese Geschichte meinem Konto gar nicht gut tat, weil es sich noch nicht so recht von der Campervan Tour und der Zahngeschichte in
Sydney erholt hatte. An dem Tag hatte ich an und für sich noch den „Scenic Red Rock Walk“ laufen wollen, was ohne funktionierende Kamera natürlich
nicht das Gelbe gewesen wäre. Da aber der früheste Bus erst am Nachmittag dort hinaus fuhr, fiel mir rechtzeitig genug auf, dass mit meiner Ixus etwas nicht stimmte.
Statt Bilder, erzeugte sie schwarze Flächen, auf denen nur ein Diagramm zu sehen war. Und wie man mir unisono in den Foto-Geschäften erklärte, habe der Bereich des Objektives den Geist
aufgegeben, der für die Steuerung des Lichteinfalls sorgt. Und da beides in einem Bauteil zusammen gefasst sei, käme nur ein kompletter Austausch infrage. Was sich wiederum bei meinem alten
Schätzchen einfach nicht mehr lohne, da ich für den Preis locker Ersatz in ähnlicher Ausführung bekäme.
Hinzu kam, dass sie eingeschickt werden müsste, was mich für eine ganze Weile kameralos gemacht hätte. Und das war ~ genauso, wie ohne Kamera unterwegs zu sein ~ unmöglich. Also verbrachte ich
meinen letzten Tag nicht auf dem Walk entlang der Küste, sondern damit, in den einschlägigen Geschäften der Stadt eine würdige Nachfolgerin zu finden.
Es kam, wie es kommen musste, schon bald schielte ich nach mehr Kamera, wobei ich allerdings nach wie vor keine der schwergewichtigen Systemkameras in Betracht zog, sondern eine dieser kleinen,
handlichen Geräte, die über ein anständiges Zoom ~ sprich, mehr als das meiner Ixus ~ und ein schwenkbares Display verfügen. Eine Bridge. Und so begeisterte mich dann die Canon Power Shot
ungemein.
Allerdings musste ich nach dem Kauf dann doch noch einen Wermutstropfen schlucken. Wie in einem englischsprachigen Land üblich, war die Bedienungsanleitung und alles andere in dieser
Landessprache gehalten. Und trotz der langen Zeit, in der ich nun täglich damit zu tun hatte, machte mir geschriebenes Englisch nach wie vor Schwierigkeiten, weil es meistens zu viele unbekannte
Worte enthielt. Wobei das technische noch eins drauf setzt. Und da Canon auf seiner Website noch keine deutsche Anleitung zum Download zu Verfügung stellte und auf meinen Hilferuf plus Bitte um
Zusendung einer solchen nicht reagierte, bewegte ich mich erst einmal nur im Automatik-Bereich und konnte allenfalls über try and error mehr über die Raffinessen meiner Kamera lernen. Scheiß
Dienst am Kunden, der selbst bei so einer Weltfirma nicht so funktioniert, wie es sich gehört. Wenigstens konnte ich das Kamera Menü umstellen.
Dennoch genoss ich die Möglichkeiten der Power Shot sehr, die mit 20-fachem optischen Zoom daher kommt, das einer Brennweite von 28 bis 560 mm im analogen Bereich, incl. Macro entspricht.
Zuzüglich Bildstabilisator und einer Lichtstärke von 1:2,8 bis 5,6. Wie bei den ersten Objektiven in meiner Anfangszeit im analogen Bereich anno schnuff.
Somit waren dank Tele, das seinen Namen verdiente und schwenkbarem Display wieder unbemerkte Schnappschüsse aus einer sicheren Entfernung möglich. Etwas, was ich so manches Mal zuvor vermisst hatte. Die alte Marktfrau in Tallinn, die mich mit meiner Ixus entdeckte und sich in ihrer Würde und
Schönheit partout nicht auf den Chip bannen lassen wollte, und viele andere solcher Begebenheiten, wo ich mit dem schlichten 3-fach Zoom der Ixus einfach zu dicht dran war, um unbemerkt
fotografieren zu können. Oder immer noch zu weit weg, wenn ich an die Fotos mit Adler, Geier & Co in der Mongolei denke, die zwar ganz viel vom Land zeigten, aber nur spatzenhaft große
Vögelchen.
Selbst den Komodo Waranen hätte ich noch dichter auf die Pelle rücken können, ohne einen Schritt näher heran gehen zu müssen. Was dem Guide sicher auch besser gefallen hätte. Fast habe ich den
Eindruck, den ganzen Weg noch einmal zurücklegen zu müssen, um all diese Fotos nachzuholen. Was ich ganz sicher nicht tun werde.
Genauso, wie ich ganz sicher auch nichts in der Form tun werde, wie ein nicht mehr ganz so junger Mann, der auf einem meiner Erkundungsgänge 'ne Weile vor mir her lief. Er hatte sich den Kopf
kahl rasiert, was erst einmal nicht weiter beachtenswert gewesen wäre. Aber die beiden Anhängsel seines Kopfes, Ohren genannt, hatten durchaus etwas für sich, wenn sie auch für viele
gewöhnungsbedürftig sein dürften.
Ähnliches hatte ich zwar in kleinerer Form ~ bis maximal in Euro Größe ~ schon einige Male gesehen, aber das hier haute mich doch vom Hocker. Dabei bin ich absolut der Meinung, dass jeder mit
seinem Grund und Boden ~ seinem Körper ~ machen kann, was er denn möchte. Doch das, was hier geboten wurde, hatte ich bisher allenfalls bei dem einen oder anderen noch wild im Busch lebenden
Eingeborenen auf Fotos in den Museen in Melakka und anderen Städten gesehen. Aber noch nie in natura und schon gar nicht bei einem Weißen.
Der Typ hatte sich die Ohrläppchen so stark aufweiten lassen, dass ca. 10 cm große Scheiben in diese Öffnungen passten und somit fast bis auf die Schultern hingen. Aber nicht nur das, sie wippten
und flatterten bei jeder Bewegung und bei jedem Windstoß, von denen „Windy Wellington“ ja einige zu bieten hatte. Was mich mächtig an die Ohren
eines Hush Puppies erinnerte. Ein Bild für die Götter, für das ich mich mit meiner Ixus schon ganz schön dicht ranpirschen musste, um diese Teile halbwegs brauchbar einfangen zu können. Auch hier
wäre meine neue Kamera besser geeignet gewesen, wenn ich sie denn schon gehabt hätte. Diese Lauscher hätte ich damit glatt formatfüllend auf den Chip bekommen. Aber auch so wüsste ich zu gerne,
wie jemand ohne den kulturellen Hintergrund der Eingeborenen ~ für die so etwas ja eine bestimmte Bedeutung hat und somit normal ist, sich auf diese Weise zu verschönern ~ auf die Idee kommt, es
ihnen gleich zu tun. Ist es das Auffallen-wollen um jeden Preis oder etwas, was sich mir entzieht? Und was macht der Bursche mit diesen Lappen, wenn er eines guten Tages genug davon haben sollte
und sie in 20, 30 oder mehr oder weniger Jahren nicht mehr leiden mag?
Na ja, der Schönheitschirurg wird’s richten und im Prinzip war es mir schnurzpiepegal. Was auf meinen Wunsch von Nord nach Süd weiter zu ziehen, allerdings nicht zu traf. Wellington war ja nicht
umsonst meine letzte Station auf der Nordinsel und es galt als nächstes die rauhe Cook Strait zu überqueren. Mein Fährticket nach Picton auf der Südinsel hatte ich schon bereits vor dem Ableben
meiner Ixus in der Tasche und auch mein Bett war mir sicher, da ich mir angewöhnt hatte, in der jeweiligen Juhe die nächste „in advance“ zu
buchen. Denn das Drama von Melbourne hatte ich noch nicht vergessen. Und so gerüstet konnte ich der Nordinsel für eine Weile erst einmal den Rücken kehren. Mächtig gespannt darauf, wie es mir
dort nach den üppigen Vorschuss Lorbeeren und ohne Campervan gefallen würde. How ever we will see.
Wellington Fotos