Mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien usw!

 

Auckland I

 

Etappe 63 ~ von Sa. 28.02. bis Do. 12.03.2009

 

Am letzten Februartag Anno 2009 verließ ich dann tatsächlich mit meinem exklusiven 699 Dollar Ticket mein Traumland, dass sich fast drei Monate standhaft geweigert hatte, (m)einem Traum zu entsprechen, ihm überhaupt mal nahe zu kommen. Und wenn ich in dieser Zeit fast ständig mit einem Grummeln Bauch gelebt hatte, so stellte ich nun fest, dass dieses unangenehme Gefühl mit jedem Höhen- und Entfernungsmeter schwächer wurde, bis es sich komplett aufgelöst hatte. Was blieb, bzw. sich langsam aufbaute, war das Kribbeln und die Vorfreude auf ein neues Ziel. Etwas was ich die ganze Zeit in Australien nicht mehr gespürt hatte. Hinzu kam allerdings auch ein wenig Skepsis, denn schließlich würde Neuseeland mindestens genauso westlich sein. Man hatte mir sogar erzählt, dass es sehr viel englischer, und damit konservativer als Australien sei. Und mit Konservativem habe ich nun mal ähnlich wenig am Hut, wie mit der Art der Ostküste. Nun denn, komme was da wolle, dieses Mal war ich zumindest besser auf einen neuen Kultur- oder Zivilisationsschock vorbereitet, und ich hatte mir vorgenommen, die nächsten 84 Tage mit mehr Spaß an der Freude zu verbringen, als die vergangen Tage in Down Under.

Der Flug ging fix über die Bühne, allein schon wegen der Zeitverschiebung. Lt. Ortszeit sollten wir 14:45 Uhr in Auckland landen, aber auf meiner noch nicht umgestellten Uhr war es gerade mal 12:45. Nichtsdestotrotz hatte ich damit jetzt zu Deutschland einen Zeitunterschied von 12 Stunden. Wenn es bei mir 8 Uhr morgens war, war es in Deutschland 8 Uhr abends. Kein großes Rumrechnen mehr, ganz einfach. Für mich ist das immer noch ein Punkt, der mich zum Staunen bringt. Das sonnige Flugwetter hatte sich, als wir uns der Nordinsel näherten, mehr und mehr in ein freundliches Grau unterschiedlicher Tönung verwandelt, was der Küste und der Insel etwas magisches, etwas keltisches gab. Es tröpfelte sogar ein wenig, als wir die Maschine verließen, was aber an meiner guten und vor allem besseren Verfassung absolut nichts änderte. Und in Auckland wurde ich sogar vom Flughafen abgeholt, so, wie ich zuvor in Melbourne zum Flughafen gebracht wurde. Nur dass es hier kein Servas Mitglied war, sondern Li, die Schwester meiner Feng Shui Kollegin Ruth. Und Li erzählte mir ~ nachdem ich gelandet war und den Zoll und das ganze Gedöns hinter mir hatte, dass die Stadtverwaltung von Auckland an diesem Tag sogar eine Sturmwarnung heraus gegeben, und die Menschen aufgefordert hatte, ihre Wohnungen möglichst nicht zu verlassen. Der Sturm blieb aber aus, da ja, wenn Engel reisen, nun mal schönes Wetter herrscht. Und zumindest einer in unserem Flieger muss einer gewesen sein.

Die Abfertigung am Zoll war zwar zeitaufwändig, weil wohl gerade mehrere Maschinen rein gekommen waren, aber ansonsten ~ wie schon in Darwin ~ ein Klacks. Und das, obwohl ich einiges angekreuzt hatte, bei dem ich mir unsicher war, weil sie bei den Dingen aufgeführt waren, die Probleme bereiten können, wenn man sie nicht angibt. Aber kein Hahn krähte danach. Der Beamte machte ohne weiter nachzufragen sein Häkchen dran und gut war's. Außerdem interessierte sich kein Schwein für mein Return Ticket oder mein Visum für Australien. Aber das, und die Konsequenzen wurden mir erst später bewusst. In diesem Moment freute ich mich nur, in Neuseeland gelandet zu sein und abgeholt zu werden. Auch wenn ich Li ~ oder sie mich ~ erst noch in dem ganzen Gewusel finden musste, denn wir waren ja beide Neuland für einander. Aber auch diese Hürde war bald genommen und schon bekam ich auf der Fahrt vom Flughafen zur City YHA den ersten
„Unterricht“ in Sachen Neuseeland. Zum einen, weil Li mit mir durch die weitläufige Stadt, bzw. ihre Vororte fuhr und schon mal alles Mögliche zeigte. Hochhäuser gibt es nur in er direkten Innenstadt, und auch dort tauchen sie nur gemäßigt auf. Wir fuhren direkt am Meer entlang, an gelben Sandstränden, kamen an geschichtsträchtigen Hügeln vulkanischen Ursprungs vorbei und was weiß ich, wo noch und erreichten schließlich die City YHA, die am oberen Rande der Downtown lag, dem wohl hauptsächlichen und eigentlichen Stadtzentrum. Mir schwirrte bald der Kopf, weil vieles ~ Straßen, Orte, Hügel usw. ~ einen Maori Namen trägt. Außerdem erfuhr ich, dass Li seit fast 30 Jahren in Neuseeland lebt ~ sie war als junge Travellerin hier hängen geblieben ~ und hat dieses Hängenbleiben weder bereut, noch denkt sie daran, ins „schwere“ Deutschland zurück zu kehren. Wie gut ich das nachvollziehen konnte. Und in einer stillen Sekunde dachte ich so bei mich bei: Au ja, lasst mich die Zeit zurückdrehen und den Mut finden, um ebenfalls mit 20 in die Welt zu ziehen und nach Neuseeland kommen. Aber den Mut hatte ich nicht in dem Alter, und so blieb ich und erlebte, wie sich Deutschland Jahr für Jahr zu dem Land wurde, das es inzwischen nun mal ist.
Li lebt ~ wie ich später sehen konnte ~ in einem Haus, das absolut meiner Vorstellung von gutem Wohnen entspricht. Es ist ein offenes Haus, und ich liebe offene Grundrisse, die außer der Eingangstür, der WC und der Badezimmer Tür kaum Türen haben. Hinzu kommt, dass das Wohnzimmer eine Balkontüranlage hat, die sich komplett öffnen lässt ~ wie bei südländischen Lokalen ~ und den Wohnraum mit dem Draußen verbindet. Bei dem Wetter hier ein Traum, in den ich sofort einziehen und mich wohlfühlen könnte. Außerdem befindet sich das Haus in der Nähe eines dieser vielen Strände, die es hier nahezu überall zu geben scheint, dem Kohinamara Strand. Somit hat sie subtropische Sonne, Sand & Meer quasi ganzjährig fast vor der Haustür. Was will man, bzw. frau mehr.

Nach einer sehr beeindruckenden Einstiegsrunde lieferte sie mich erst einmal in meiner Juhe ab. Hier wäre meine Vorausbuchung nicht erforderlich gewesen und auch nicht in anderen Hostels, wie man mir sagte. Entweder weil es hier nicht so verrückt zu ging, wie in Melbourne und den anderen Städten, oder weil die Hauptsaison zu Ende war. Keine Ahnung. Auf jeden Fall war auch dieses Youth Hostel eins, in dem man sich wohlfühlen konnte. Sauber, nicht zu groß und mein 4-Bett Zimmer hatte keine Etagenbetten, sondern vier einzelne Betten. Und damit gab es kein nächtliches Schaukeln und Gequietsche, wenn ein Spätheimkehrer sein Bett über mir enterte. Und das alles für 19 NZ Dollar (ca. 7,60 Euro). Außerdem gab es ~ im Gegensatz zu den normalen Backpacker Hostels ~ viele ältere Reisende neben den ganz jungen.
Allerdings war das Internet unverhältnismäßig teuer, 6 Dollar die Stunde, während die Internet Cafés in der Nähe nur 2 oder 2,50 Dollar berechneten. Also landete ich regelmäßig bei einem Nigerianer umme Ecke und frönte dort meiner Sucht. Und dieser Afrikaner war ein weiterer Punkt, der Auckland interessant machte, weil er das Miteinander und Durcheinander der unterschiedlichsten Nationalitäten aufzeigte. Ich hatte den Eindruck, dass nicht eine Volksgruppe der Welt fehlte. Selbst meine viel geschmähten Muselmaninnen mit ihren Sehschlitzen gab es. Und ein Schneider, bei dem ich ein paar meiner mir wert gewordener Garderobenstücke meines nicht gerade üppigen Reisekleiderschrankes zwecks Ausbesserung anvertraute, war ein großgewachsener Inder mit modischem Glatzkopf, der als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Fidji gekommen war und selber dann nach Neuseeland ging. Interessanterweise hatte er eine Deutsche als Partnerin und entlarvte mich gleich anhand meines Akzents.
Aber das alles und noch viel mehr macht Auckland aus, denn in anderen, vor allem kleineren Städten, geht es nicht so multikulti zu, wie Li mir erzählte, und wie ich dann später selber sehen konnte. Und im Grunde genommen gibt es auch hier nach wie vor einen Rassismus, der nicht von Pappe zu sein scheint. Die alteingesessenen Engländer, bzw. ihre Nachfahren, können von der antiquierten Denkweise halt immer noch nicht lassen, wie Li meinte. Genauso wenig, wie man nicht von der Kriegsverherrlichung, insbes. des
„War II“ und dem Hass auf den bösen Feind von damals lassen kann. Auf einem Denkmal vor dem großen Auckland Museum fand ich gar den Satz „The Glorious War“. Und auf einem anderen „The Glorius Dead“ Was bitteschön, ist an einem Scheißkrieg und daran, in ihm zu krepieren, glorreich? Hallo, noch alle Tassen im Schrank?
An der Nazi-Abteilung dieses auf griechisch getrimmten Museums hätte jeder verkappte Nazi in Deutschland seine helle Freude. Angefangen bei einer riesigen Hakenkreuzfahne, über eine verbeulte V2, diverse Fotos böser Nazis, Waffen, Orden usw. war alles Mögliche zu finden. Ein Alt-Nazi hätte es kaum stilvoller zusammen tragen können. Und andauernd ließ sich irgend so ein Döspaddel vor einem der ausgestellten Dinge fotografieren. Wobei es sich dabei auch um weibliche und sehr junge Ausgaben dieser Gattung handelte.

Aber insbes. die alten Jungs vom alten Schrot & Korn haben den Schuss immer noch nicht gehört. Regelmäßige Treffen finden nach wie vor statt, und die Fahne weht seit über 60 Jahren vor den Vereinsheimen nach wie vor auf Halbmast, vor denen grundsätzlich auch immer ein Geschütz steht. Und unter diesem Banner sollte man als Deutscher auch heute noch zumindest die jährlichen Veteranentreffen tunlichst meiden, da der Alkohol bei so etwas reichlich fließt und somit die gut gehegten und gepflegten Ressentiments zum Kochen bringen können. Dabei wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ~ Asche auf mein Haupt ~ dass auch neuseeländische Soldaten sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg in der englischen Armee gegen Deutschland angetreten waren und somit ebenfalls Tote zu beklagen hatten. Tja, dumm gelaufen für die Betroffenen, aber ich werde es wahrscheinlich eh nie begreifen, wie jemand vom anderen Ende der Welt ~ oder wo auch immer ~ sich freiwillig für eine Todeslotterie melden kann, bei der die Chance auf einen negativen Hauptgewinn, der aus Verwundung und Tod besteht, 50 oder mehr Prozent beträgt.
Gott sei Dank war der kriegerische Teil des Museums recht klein, im Verhältnis zu den anderen Ausstellungsräumen, die zu einem großen Teil der Maori Kunst und ihrer Geschichte vorbehalten waren. Incl. einer Performance, in der Tänze usw. gezeigt wurden. Was normalerweise für mich ein Graus ist, wenn Einheimische sich und ihre Bräuche für die Touris zur Schau stellen. Aber hier kam das alles so gut rüber ~ incl. der weit ausgestreckten Zunge, wie die den Lappen bloß so großflächig präsentieren können? ~ weil zu erkennen war, dass es ihnen Spaß machte. Und sei es nur der Spaß, den Touris ungeniert und ungestraft die Zunge rausstrecken zu können und sie auf ihre eigene Weise zu veräppeln. Jedenfalls schien ihnen der Schalk nur so aus den Augen zu blitzen. Wicked halt.

Im moderneren Teil hatte man ein stinknormales Wohnzimmer aufgebaut, wie es sie in Auckland zuhauf geben dürfte. Mit Sofas, Bildern, usw. und einer großen Balkon oder Terrassen Schiebetür, auf die man den Hafen und das Meer vor Auckland projiziert hatte. Was recht idyllisch aussah. Mit und in diesem Raum wurde den Besuchern klar gemacht, dass Neuseeland grundsätzlich Erdbeben und Vulkan Gebiet ist. Und tatsächlich schäppert es immer mal wieder oder einer der aktiven Vulkane meldet sich. Li hatte erzählt, dass sie so ein Beben schon erlebt hat, und dass das Erlebnis ganz schön gruselig gewesen sei.
Leider konnte ich mal wieder der schnellen und neulseeändisch akzentuierten Ansage wenig an verständlichen Informationen entnehmen, und so nahm ich an, dass hier ein tatsächliches Geschehen gezeigt wurde. Wie seinerzeit der Sturm im Museum von Darwin. Mittels Technik wurde das Zimmer und das Sofa in heftige Erdbeben Bewegung versetzt, und ich wurde heftig durch geschüttelt. Unterdessen konnte ich das ein oder andere aus dem Lautsprecher dann aber doch verstehen. Und so bekam ich z.B. mit, dass Warnungen ausgegeben wurden und dass die Menschen evakuiert werden sollten. Begleitet wurde das von Filmaufnahmen, die auf der Schiebetür zu sehen waren. Und als es wieder mal rumste und wackelte, war zu sehen, wie es im Meer vor der Stadt zu einer Eruption kam. Ein hübscher kleiner Vulkan wuchs dort heran und erzeugte eine riesige Welle, die sich auf die Stadt zu wälzte und alles niedermachte. Ein Tsunami vor Auckland, ziemlich realistisch und drastisch dargestellt, Gott sei Dank ~ wie ich dann erfuhr ~ bis heute nur eine Fiktion.
Ein anderer Teil zeigte das Leben, Wohnen und Arbeiten der frühen Siedler. Wobei mir bewusst wurde, dass all das, angefangen bei den Gebrauchsgegenständen im Haushalt, über die der verschiedenen Berufe und dem Spielzeug der Kinder, erst vor gar nicht so langer Zeit von moderneren Errungenschaften verdrängt wurde. Das meiste kannte ich noch aus dem eigenen Erleben, auch wenn ich vieles nicht mehr in Erinnerung hatte. Z.B. wie das Korn per Hand oder einfachen Maschinen gemäht, zum Trocknen zusammen gebündelt und mit Pferdewagen eingefahren wurde ~ die Kinder in luftiger Höhe unangeschnallt oben drauf ~ um dann mit den alten Maschinen gedroschen zu werden. Das Korn, nicht die Kinder. Oder der Hufschmied in seiner Schmiede, der Schuhmacher, der noch Schuhe machen konnte, der Bäcker, der Schneider / die Schneiderin, der Krimskrams Laden und was es alles war. Genauso hatte vieles auch in meiner Kindheit noch ausgesehen, bzw. wurde in gleicher Weise mit gleichen Gerätschaften gearbeitet. Ich hatte vergessen, wie schnell das alles nur noch Geschichte war. Und genauso sah es beim Spielzeug aus, das nahezu komplett wie selbst hergestellt aussah, einfach aber zum Spiel anregend. Mit einer Ausnahme, die ich bei uns Gott sei Dank nicht (mehr) kennen gelernt habe. Eine Art vorsoldatische Ausbildung im Kindesalter mit Schusswaffen und das in adretten Kinderuniformen. Wie war das doch noch gleich mit dem Kanonenfutter, dass so heran gezogen wird?
Aber ich bin ja nicht her gekommen, um Kritik zu üben ~ zumal mir ja der damalige wahnwitzige Ehrenkodex bekannt ist, auf dem all diese Auswüchse prächtig gedeihen konnten ~ sondern um etwas von NZ zu sehen. Für den Anfang erst einmal das, was Li mir in Auckland und umzu zeigen wollte. Die diversen vulkanischen Hügel der Stadt, wie Mt. Eden, den One Hill Tree Hügel und wie sie alle heißen. Oder den etwa 50 Kilometer entfernten Strand Piha mit schwarzem, vulkanischem Sand und ein Lokal auf dem Weg dorthin, von dessen Terrasse ~ wie von einem Hochsitz aus ~ man einen fantastischen Blick über das gesamte riesige Auckland hat. Es lag trotz der vielen Hügel fast völlig flach, wie ein Pfannkuchen vor uns, in dessen Mitte der Sky Tower und die paar Hochhäuser als Garnierung gesetzt war.

Über all die neuen Eindrücke durfte ich eines nicht vergessen, die rechtzeitige Stornierung meines ungewollten Tickets. Mein neues eVisa für Australien hatte ich gleich am ersten Abend beantragt und genauso fix bestätigt bekommen, wie seinerzeit auf Bali. Womit klar war, dass ich weitere 3 Monate Zeit haben würde, um mich an Australien zu gewöhnen und mir zu überlegen, ob ich für das restlich halbe Jahr dann ein Long Stay Visa beantragen oder erneut die Kurve Kratzen sollte.
Aber erst einmal raffte ich mich dann gleich am Sonntag Morgen trotz des Grummelns wegen wahrscheinlicher Sprach- und Aussprachprobleme auf und wählte die kostenfreie 0800er Nummer der Fluggesellschaft. Und natürlich hatte ich sie auch gleich von der ersten Sekunde an, meine Verständnis Probleme, da ein Band lief, das mir viel zu schnell zu erzählen versuchte, welche Nummer ich denn für dieses oder jenes drücken sollte. Nach 3 oder vier Anläufen war ich mir dann sicher verstanden zu haben, dass ich mit meinem Anliegen die Nummer 4 zu drücken hatte. Nur dass sich dort scheinbar nichts tat. Ich hörte zuerst nur Musik, dann Text und verstand von dem Ganzen nur die Aufforderung, doch die Website aufzurufen, weil dort weitere Fragen beantwortet würden.
Auch hier dauerte es 3 oder 4 Mal, bis mir klar wurde, dass erst nach der Musik und dem ganzen Gelaber der eigentliche und wichtige Teil kam. Denn nach dieser schier endlos erscheinenden Warteschleife, meldete sich dann ganz plötzlich eine reale Frauenstimme, der ich dann erst einmal verklickerte, dass sie schön langsam und möglichst akzentfrei mit mir reden müsse und außerdem so, wie mit einem 10-jährigen. Was sie sehr erheiterte, aber sie gab sich große Mühe. Und ich mir auch.
Das Beste für den Anfang war, dass ich tatsächlich die richtige Stelle erwischt hatte und bei ihr meinen Stornierungswunsch loswerden konnte. Nur dass jetzt keine Rede mehr von einem „full refundable ticket“ war. Die Stornierung sollte nämlich plötzlich 50 Dollar kosten. Und damit war ich nun gar nicht einverstanden, obwohl bei mir im ersten Moment der alte Film startete, der mich so ziemlich mein ganzes Leben begleitet haben dürfte. Etwas altes in mir wollte nämlich diese 50 Dollar schon akzeptieren, um einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, als sich etwas Neues einmischte und zu meiner Verwunderung und Freude „No, that's not okay“ sagte. Und dann erzähle ich der Gutesten erst einmal die Geschichte, wie sie sich am Flughafen zugetragen hatte, und dass die junge Dame mir extra ein „full refundable ticket“ an ihrem PC gesucht hatte, und dass bei der Einreisekontrolle am Flughafen in Auckland niemand nach einem Visum oder einem Return Ticket gefragt hatte, und dass ich somit sehr gut mit meinem eigentlichen Ticket hätte fliegen können.
Darauf musste sie erst einmal mit ihrem Supervisor Rücksprache halten, der sehr
„busy“ war und auf der Zahlung der Piepen bestand. Da dieses Neue in mir das Nein dieses beschäftigten Mannes aber nicht akzeptieren mochte, machte ich ihr klar, dass ich auf Grund der Gegebenheiten nicht bereit wäre, die 50 Dollar zu bezahlen und bestand noch einmal in epischer Breite darauf, dass der Fehler am Flughafen in Melbourne bei der Gesellschaft zu suchen sei und nicht bei mir. Was natürlich erneut eine Rücksprache mit dem „busy man“ erforderlich machte und wiederum mit einem Nein beschieden wurde. Nun denn, aller guten Dinge sind drei. Und so erzählte ich ihr immer noch äußerst freundlich, ruhig und bestimmt nun die Story, dass ich zuvor sowohl in der neuseeländischen Botschaft, als auch im australischen Immigration Office gewesen wäre und mein Vorhaben geschildert und mich erkundigt hätte, was alles von meiner Seite zu beachten wäre. Und dass man mir in beiden Büros versichert habe, dass nur ein gültiges Return Ticket ~ wohin auch immer ~ verlangt würde, und dass ich mein eventuelles Einreise Visum für Australien durchaus in Neuseeland per Internet oder bei der Botschaft beantragen könne.
Na ja, ob es nun exakt die Worte der beiden Damen waren ... , ich weiß es nicht mehr. Und sicher habe ich meine Erzählung hier und da auch noch ein klitzekleines Bisschen ergänzt. Aber im Grunde hatte man mir an beiden höchst offiziellen Stellen versichert, dass alles okay sei, und ich nichts weiter zu beachten hätte und mir eine schöne Zeit in NZ gewünscht. Tja, jedenfalls überzeugte das dann ihren Supervisor, und er stimmte dem
„full refundable“ nun endlich zu. Vielleicht war er aber ja auch nur genervt über diesen hartnäckigen Typen, denn an dem Telefonat fehlten inzwischen nur noch ein paar Minuten bis zur vollen Stunde. Wie schön, dass es eine kostenfreie Hotline war. Und ein paar Tage später bekam ich das Ganze dann auch noch per Mail bestätigt, so dass dieser Posten hoffentlich bald wieder ausgeglichen sein dürfte.

Eine von Li's Empfehlungen war auch, mit der Fähre auf die Insel Waiheke zu fahren, ein Inselkleinod, das auch im Lonely Planet aufgeführt ist. Und um das Ganze noch etwas interessanter zu gestalten, übergab sie mich einem befreundeten Ehepaar in meinem Alter ~ sie etwas jünger, er etwas älter ~ das seit längerem auf dieser Insel lebt und ebenfalls aus Deutschland stammt. Monika und Gerhard sind schon 30 Jahre oder etwas länger in Neuseeland. Ebenfalls mit Nulltendenz, jemals nach D zurückkehren zu wollen. Und auch sie leben in einem Haus mit ähnlichen Qualitäten, wie das von Li. Allerdings steht es auf einem urwaldähnlichen Grundstück in Hanglage mit Palmen, großen Baumfarnen und anderen Bäumen mit einem kleinen Bach im Tal.
Wobei diese riesigen Farne recht interessante und vor allem hilfsbereite Pflanzen zu sein scheinen. Sie saugen nämlich ein zu viel an Feuchtigkeit aus dem Boden und helfen so, das Haus trocken zu halten, da Gerhard sie z.T. als eine Art Schutzwall vor das Haus gepflanzt hat. Man muss halt nur wissen, wie mit den gegebenen natürlichen Dingen umzugehen ist.
Und so gibt es nicht nur das in diesem Urwald, sondern auch etliche, terrassenförmig angelegte Bereiche, die sie ihm quasi abgerungen / gerodet haben. Wobei alles, was gerodet wird, von einem original Gloria Schredder aus Deutschland klein gehächselt wird und als Unkraut Bremse dient, in dem es auf der Erde verteilt wird.
Hier wachsen dann die eigenen kleinen süßen Bananen, Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen, süße und saure Limonen, Tamarinden, Tomaten, diverses Gemüse, Kräuter und weiß der Geier was noch alles in paradiesischen Mengen, dass sie es kaum alleine essen können.
Das Wasser kommt aus einer großen Zisterne und wird mehrmals gefiltert, bis es sogar als Trinkwasser gebraucht werden kann. Und das Abwasser wird weit möglichst geklärt und über 8 Meter tiefe Stollen ins Erdreich geleitet. Nur das Dicke, und andere unklärbare Bestandteile werden in einen Sammelbehälter geleitet und von Zeit zu Zeit von der Gemeinde abgeholt.
Ein sehr autarkes Leben in einer ungestört wirkenden Natur ~ die sich hier bis in die Orte hinein zieht ~ auf das man leicht neidisch werden könnte. Da ich es aber nicht so sehr mit der Gartenarbeit habe, würde ich zwar gerne die Früchte dieses Gartens genießen und in dem Haus wohnen wollen, nur halt ohne diese Arbeit und nicht so weit weg Auckland. Wobei die Entfernung gar nicht mal so groß ist, aber die Fähre braucht halt 45 Minuten und 45 Minuten zurück, fährt nur zu festgesetzten Zeiten, aaaaber, sie ist für Senioren ~ wenn sie denn im Besitz der Seniors Card sind ~ wie Bus und Bahn kostenlos. Auch für die
„permanent residents“. Und so etwas nenne ich sozial.
Was können Neuseeland und die anderen Staaten ~ in denen es ebenfalls jede Menge Vergünstigungen für ältere Bürger gab ~ besser, als die BRD, dass so etwas machbar ist? Denn selbst als nicht-neuseeländischer Senior bekam ich immer wieder einen satten Nachlass auf alles Mögliche, wie Eintrittskarten und auch auf das Fährticket.
Das erstaunte Gesicht des deutschen Ticketverkäufers möchte ich sehen, wenn ein ausländischer Senior ihn nach einem Nachlass auf Grund seines Alters fragen würde. Habe ich doch selber auch nur Erstaunen und ein Nein bekommen, wenn ich bei uns mal nachfragte. Und das, obwohl es eine Info der Deutschen Rentenanstalt gibt, in der zu lesen ist, dass es auf alles Mögliche einen Nachlass geben soll, man müsse nur nachfragen. Pustekuchen, bis zu meinem Abreisetag habe ich genau das immer mal wieder getan, aber nie ein Ja zu hören bekommen. Seltsam, seltsam.

Was die Begegnung mit den beiden Deutsch-Neuseeländern zusätzlich interessant machte, waren bestimmte Gemeinsamkeiten, die wir zum Teil im Vorfeld bereits kannten und zusätzlich nach und nach noch entdeckten. Bekannt war, dass Gerhard aus Münster in Westfalen stammte. Und da diese Stadt nur 45 Kilometer von meinem Geburtsort entfernt liegt, war klar, dass er Beckum kannte. Er hatte sogar seine Autos dort zugelassen, damals, als Beckum noch Kreisstadt war, denn er arbeitete für die Firma Gloria in einem der Nachbarorte, für die mein Alter Herr die Lehrlingsausbildung der technischen Azubis übernommen hatte. Gerhard meinte sogar, dass er ihn mal kennen gelernt hätte oder zumindest dem Namen nach gekannt hat. Und Monika stammt aus Thüringen und kannte das Mini-Dorf Probstzella, in dem mein Vater geboren wurde und aufgewachsen ist. Da bin ich nun ca. 20000 Kilometer von Deutschland entfernt und es treffen sich Menschen, die sich zwar bis zu dem Moment noch nicht kannten, dennoch aber ein paar Gemeinsamkeiten haben.
Gemeinsam hatten wir auch die Vorliebe für Wein, auch wenn ich damit vielleicht ein wenig ins Fettnäpfchen gelatscht bin. Denn Gerhard war überzeugt, dass jemand, der aus Beckum kommt, nur Biertrinker sein kann ~ was auf viele Beckumer sicher auch zutrifft, aber ich betrachte mich ja nun mal nicht als Beckumer, schließlich wurde ich in Berlin gezeugt ~ und hatte extra welches besorgt. Und so bin ich nun alles andere, nur eben kein Bierliebhaber und schon gar nicht zum Essen. Auch nicht nach meinem Bierkonsum seit China, der immerhin von Null auf hin und wieder ein kleines Fläschchen gestiegen ist. Außerdem waren die beiden vorher mit mir auf einem Weingut, wo ich den wohl bisher süffigsten Rosé probiert hatte, und somit absolut auf Wein getrimmt war. Und da ich mich heute ja traue auch dann etwas zu sagen, auch wenn es evtl. nicht ganz so höflich ist, blieb das Bier im Kühlschrank und es kam ein weiteres leckeres neuseeländisches Tröpfchen in Form eines Weißweins auf den Tisch. Schon allein der Weine wegen ist NZ eine Reise wert. Aber auch der Landschaft wegen und überhaupt wegen allem und jedem. Nix wie hin.

Bevor es aber sooo richtig an oder in die Landschaft gehen konnte, musste ich mich ja erst noch entscheiden, wie ich das denn angehen wollte. Wieder nur mit Bus und Bahn, die mir in Australien so verleidet wurden? Oder sollte ich noch einmal den Anlauf mit einem Campervan wagen. Schließlich hatte man mir gesagt, dass so ein Gefährt in NZ preiswerter zu mieten sei. Und da ich diese Art zu reisen für mich nach wie vor für die bessere halte, stürzte ich mich erneut ins Internet und tippte mir die Finger wund. Das Ergebnis war im ersten Moment niederschmetternd, denn die Preise unterschieden sich nur minimal, da sich das Maori Land noch in den letzten Tagen der Hauptsaison befand. Danach purzelten dann aber die Preis tatsächlich. Im April auf 39 und im Mai gar auf 25 Dollar pro Tag bei einem der preisgünstigeren Anbieter. Der Haken war nur, dass wir noch nicht April oder Mai schrieben, sondern März, der zwar schon ein paar Tage durch die Sanduhr des Jahres 2009 geschickt hatte, aber mehr eben auch nicht. Scheibenkleister, also doch fürs erste Bus und Bahn, um den März rumzukriegen?
Aber dann hatte ich die zündende Idee, mir einfach mal Angebote verschiedener Firmen für 23 Tage machen zu lassen und ggfls. dann mit dem spitzen Bleistift zu überlegen, ob und wie es möglich ist. Schließlich arbeitete ja auch der z.Z. enorm gute Umrechnungskurs für mich, bei dem ja schon fast wieder Asien-Feeling aufkam. Leider eben nur fast, denn auch das brachte mich noch nicht weiter, bis ich den Preis von Wicked Camper erfuhr. Und zwar dieses Mal übers Telefon, denn Li hatte den glorreichen Einfall, dort anzurufen. Da mir das am Telefon nicht ganz so leicht gefallen wäre, übernahm sie diesen Part, um alle Fragen zu klären. Tja, und dann hieß es noch ein bisschen rechnen. Was würde ich für die Zeit in der YHA oder anderen Hostels für die Übernachtungen zahlen, wie viel mehr würde es mit dem Campervan werden, und wäre ggfls. dieses Mehr für mich machbar.
Und da ich wollte, dass es machbar war, ließ ich als geschickter Taktiker erst mal die Spritkosten außen vor ~ weil ich die ja noch nicht abschätzen konnte ~ und ließ außerdem eventuelle Stellplatz Gebühren für die Campingplätze unter den Tisch fallen, da ich ja wild zu campen gedachte. Und siehe da, es passte!
Ich konnte also den Versuch starten und buchte meinen kleinen schnuckeligen bunt angemalten
Wicked Campervan. Und da ich diesem Wort immer mal wieder in unterschiedlichsten Situationen begegnete, wollte ich wissen, was es bedeutet. Zumal auf den Werbeplakaten zwei der großen Kängurus dabei sind, sich tierisch zu vergnügen. Hier also die unterschiedlichen Bedeutungen: stark, böse, boshaft, schlimm, gefährlich, abgefahren, cool, geil, schelmisch, verrucht. Wobei hinter letzterem im Internet Wörterbuch Leo «veraltet» stand, obwohl es sicher immer noch gut passt. Leider kannte ich all diese Bedeutungsmöglichkeiten noch nicht, als mich jemand auf einem meiner ersten Campingplätze fragte, ob ich wicked sei. Zu gerne wüsste ich doch, was hinter dieser Frage gestanden haben mochte, denn die Lache war nicht ohne. Vielleicht deshalb auch gut so.

Um aber wenigstens so halbwegs so etwas wie einen Plan zu haben und eine Ahnung zu bekommen, auf welchen Straßen ich mich zuerst einmal gen Norden bewegen wollte, kaufte ich mir schnell noch einen Autoatlas, in dem u.a. auch Aucklands Straßen zu finden waren. Schließlich musste ich ja irgendwie aus der Stadt heraus und später wieder hinein gelangen. Er zeigte aber auch einen Teil des Umlandes, durch das ich ja auch meinen Weg zu finden hatte. Außerdem einen Campingführer, um mich nach geeigneten Stellplätzen für mein Gefährt umschauen zu können. Einen weiteren Straßenatlas bekam ich von Li, und von der Tourist Info einfach gemachtes Kartenmaterial, das sich als sehr hilfreich erweisen sollte, weil schön großformatig.
Und nun brauchte ich nur noch die paar Tage bis zum Do. den 12. März abzuwarten, um mein rollendes Heim dann morgens um 9 Uhr 30 irgendwo in dem von meiner Juhe ziemlich entfernt liegenden Stadtteil Onehunga übernehmen zu können. Die Busfahrt dorthin dauerte ca. 45 Minuten, und bis ich die genaue Straße endlich gefunden hatte, vergingen noch einmal 30 Minuten, denn niemand schien die Straße zu kennen, obwohl ich ziemlich dicht dran war. Na ja, selbst in meinem gerade erst erstandener Straßenatlas fand ich diese Straße nicht, weil sie einfach nicht oder noch nicht eingezeichnet war. Irgendjemand kannte sie dann schließlich doch und so stand meinem Start erst mal nichts mehr im Wege.

 

Anfang

 

Auckland Fotos