Vom Do. 01.11. bis Fr. 02.11.2007
Es war, wie auf allen meiner bisherigen Zugfahrten durch Russland und die Mongolei, zu warm im Zug, es liefen die gleichen Rituale ab, und die Landschaft, die
draußen vorbeizog, glich der aufs Haar, die ich zuvor 8 Tage lang genießen durfte. Nur eins war anders ~ peinlich, peinlich ~ ich erwischte auf Grund einer Fehlinterpretation meiner Fahrkarte das
falsche Abteil und somit auch den falschen Platz. Damit sorgte ich unfreiwillig für Aufregung a) bei einer Mutter mit Tochter, von denen eine natürlich Anspruch auf meinen Platz erhob und b)
anschließend in dem Abteil, in dem ich dann verspätet aufkreuzte, nachdem man sich (wahrscheinlich) schon erfreut auf eine nur dreiköpfige Besatzung eingestellt und den Stauraum großzügig
aufgeteilt hatte.
Aber dann stand ich da, mit meinem nicht gerade kleinen Gepäck, der ebenfalls seinen Stauraum-Anteil haben wollte, der mir, da ich eine der unteren Liegen gebucht hatte, darunter zustand. Was den
beiden Engländerinnen von der Gobi-Tour keinen Stress machte, wohl aber dem jungen Franzosen in der Liege über mir. Mein Auftauchen schien ihm gar nicht zu gefallen, denn er versuchte mir lebhaft
zu verklickern, dass ich meine Klotten doch gut in sein kleines Gefach im oberen Liegenbereich stopfen könne. Und als ihm das nicht gelang, räumte er ärgerlich den Platz, knallte sich auf seine
Liege und ratzte demonstrativ erst mal 'ne Runde und verschwand anschließend wortlos irgendwo im Zug. Erst am späten Abend war er dann wieder ansprechbar und bei einem Tässchen Bier ~ das er
spendierte ~ begruben wir dann den Ärger.
In der Zwischenzeit hatte ich auf dem Gang einen Landsmann von ihm kennen gelernt, einen pensionierten Lehrer, der in seiner Laufbahn jungen Franzosen Deutsch beigebracht hatte. Ein so
interessanter Mann und Mensch, dass wir ~ weil das gegenseitig so empfunden wurde ~ stundenrund über Gott und die Welt plauderten und dabei so etwas wie eine Seelenverbwandschaft feststellten.
Jedenfalls reichte es, um a) unsere Adressen auszutauschen und b) eine Einladung von ihm nach Frankreich für die Zeit zu bekommen, wenn ich wieder in Deutschland sein werde. Auch er erfüllte sich
den Traum einer längeren Reise durch Russland, die Mongolei, China und Vietnam, wenn auch nur bis kurz vor Weihnachten, um dann wieder zurück zu fliegen und mit seinen Töchtern Weihnachten zu
feiern.
Am Grenzübergang gab es wie zuvor, die üblichen Formulare, die ausgefüllt werden mussten, das Passeinsameln zwecks Kontrolle. Und es gab mit viel Getöse und Geruckel den Rad-, bzw. kompletten
Achsenwechsel, da die chinesische Bahn eine andere Spurweite hat. Außerdem durften wir, als die Pässe wieder ausgegeben waren, zum ersten Mal chinesischen Boden betreten, in einen Mini-Supermarkt
im Bahnhof einkaufen und uns vertraut machen mit ausschließlich chinesischen Gesichtern und den undeutbaren Schriftzeichen, die uns von nun an permanent begleiten würden. Irgendwie ein erhabenes
Gefühl.
Im Gegensatz zu den anderen Zugfahrten, konnte ich den Akku meines Notebooks hier problemlos aufladen und als es ans Schlafen gehen sollte, wurde die Heizung komplett ausgeschaltet, so dass es
sich letztlich wie in den auskühlenden Jurten anfühlte, und ich mich zum ersten Mal etwas mehr bekleidet in meine Zudecke einkuscheln und sogar die zusätzliche Decke benutzen musste. Dafür habe
ich dann in diesem Zug aber auch besser geschlafen als zuvor, so dass ich am anderen Morgen die chinesische Landschaft deutlich besser gestimmt an mir vorbeiziehen lassen konnte.
Es war ein komplett anderes Bild, als es die Mongolei oder Russland bot, und ich hatte das Gefühl, mich nicht sattsehen zu können an dem Wechsel zwischen Orten, Kulturlandschaft und
naturbelassenen Gegenden. Die Häuser waren anders, die Menschen waren anders und auch die Tiere. Hier hatten Esel die Dominanz, andere Haustiere habe ich kaum gesehen. Und statt Reis, wurde hier
Mais angebaut, der auf den Dächern, in den Höfen, einfach überall zum Trocknen ausgebreitet herum lag. Berg- und Flusslandschaften erschienen mir wie auf den Kalligraphien, aber dann gab es auch
immer wieder das technisch überforderte Land mit Industriegebäuden und allem was an Umweltverschmutzung dazu gehört ~ hier von vielen, vielen Kohlelagern unterstützt. Und es gab Eisenbahnlinien
in Massen und auf allen fuhren endlos lange Güter- und Personenzüge. Es war und blieb spannend und abwechslungsreich, bis wir dann um 14 Uhr Ortszeit Peking erreichten.