Die Wüste Gobi
Von Mi. 24.10. bis Mi. 31.10.2007
Zu diesem Trip hatte ich mich auf Grund des doch recht langen
Zeitraumes von immerhin 8 Tagen mit gemischten Gefühlen angemeldet. Dabei hatten wir ihn schon in gemeinsamer Absprache um einen Tag gekürzt, weil einige von uns am ursprünglich neunten Tag im
Zug nach Peking sitzen wollten.
Wie würde es sein, tagelang und stundenlang unter minimalen Komfortbedingungen mit einem russischen Geländebulli in einer Wüstenlandschaft unterwegs zu sein? Wie würde sich die im Vergleich zum
Nationalpark noch einmal gesteigerte Kälte anfühlen, von der sie alle sprachen, die diese Fahrt bereits gemacht hatten? Und vor allem, wie würde ich mit all dem klar kommen? Hatte ich doch nur
meine vorhandenen, relativ sommerlichen Klamotten plus der jüngst erstandenen, bzw. geschenkten langen Unterhose, sowie zusätzlich einen dickeren Schlafsack des Hostels im Gepäck. Meiner war
definitiv zu dünn und nur im Plus-Grad-Bereich einsetzbar. Dabei war noch nicht einmal richtig Winter und die Tage leuchteten mit babyblauem Himmel und einer Sonne, die in dieser Intensität
genauso gut irgendwo im Süden hätte scheinen können.
Aber ich wollte diese Wüstenlandschaft ~ von der alle so begeistert erzählten, und die ich zuvor schon in Deutschland des öfteren in diversen Mongolei Berichten und Filmen gesehen hatte ~
zumindest andeutungsweise kennen lernen. Und so saß ich dann am Mittwochmorgen, nachdem ich erst noch mein Visum für China abgeholt hatte, und Nema, unser Fahrer und Guide das Gepäck verstaut
hatte, mit den anderen im besagten Bulli und los ging's.
Nema ~ ich habe keine Ahnung, was dieser Name bedeuten mag ~ kann nur „Der Lachende“bedeuten, denn selbst wenn er ernst aussah, lachten seine Augen. Und auch, wenn es ernst wurde, wie im Falle der Pannen, bei denen jeder von uns geflucht
und gewettert hätte ~ von denen es immerhin drei gab ~ lachte er, als freue er sich auf die Herausforderung. Z.B. als der vordere Querlenker abriss ~ oder wie immer das Teil korrekt heißen mag.
Es gab ein lautes Geräusch, der Wagen schlingerte, als wäre er auf Glatteis gelandet, Nema bremste und schaute nach.
Wir natürlich auch.
Dann schnappte er sich einen Mini-Wagenheber, eine Kombizange und einen Schraubenschlüssel und zusätzlich eine Schachtel mit Kleinteilen. Tja, und dann reparierte er das Ganze in Rekordzeit, während wir frierend drumherum standen und keinerlei Hilfe anbieten konnten.
Oder später die Reifenpanne.
Der Radwechsel ging ebenfalls ohne Fluchen oder irgendeinen
Kraftausdruck innerhalb 5 Minuten über die Bühne. Wohlgemerkt, mit seinem Lachen. Ein Pfundskerl, wie er im Buche steht, den wir gerne an unserer Seite hatten. Er sprach ein wenig Englisch und
wusste für jedes Problem immer eine Lösung. Selbst in dem Moment, als es noch kälter wurde. Da klebte er in die Türrahmen einfach ein zusätzliches Moosgummiband, damit die Kälte nicht durch alle
Ritzen drang und die eh nicht allzu üppige Heizleistung des Motors zusätzlich schwächte. Zu der Zeit passierte es auch, dass der Inhalt einer halben Cola- und Wasserflasche gefror, weil sie unter
dem Sitz auf dem Boden lagen. Aber ich greife mal wieder vor.
Nachdem wir Ulan Bator verlassen hatten, tankte er noch einmal und füllte auch einen 50 Liter Reservekanister, mit dem er den Tank unterwegs zweimal auffüllte, obwohl es hin & wieder in den
Dörfern eine Tankstelle und manchmal auch einen Shop gab. Kurz nach dem Tankstopp verließ er die Straße und fuhr in ein Gelände, wie ich es seit meiner Bundeswehrzeit nicht mehr in einem Fahrzeug
sitzend erlebt hatte. Wir schüttelte uns in einer Form durch, die ich nur aus jener Zeit kannte. Zwar gab es noch so etwas wie einen Weg, aber der bestand halt nur aus kleinen und großen Wellen,
Vertiefungen, Quer- und Längsrillen in abgehackter, buckeliger und sonstiger Form, die jeden Geländefreak begeistert hätte. Es war fast egal, ob Nema mit seinem Auto auf dem Weg blieb oder neben
ihm fuhr ~ was er auch immer wieder tat ~ wenn die Straßenverhältnisse gar zu heftig wurden. Mit traumwandlerischer Sicherheit legte mit uns in den 8 Tagen weit mehr als 1000 Kilometer zurück,
durch alle Situationen, ohne GPS oder sonstigen Hilfsmittel. Nema hatte ~ wie ein Zugvogel ~ sämtliche Routen im Kopf, besser im Gespür, verfuhr er sich doch nicht ein einziges Mal. Weder im
Schneegestöber, noch im Nebel, noch vollkommen abseits der Piste. Er fuhr drauf los und kam dort an wo wir hin wollten, bzw. mussten.
Eine seltsam gemischte Gruppe.
Ein englisches Pärchen (Sarah + Tobi), zwei befreundete Engländerinnen Rebecca + Joanna), ein Japaner (Chidee) mit kanadischem plus Diplomaten Pass, der für seine
„embassy“unterwegs war, um die Mongolei paparatzihaft
durchzufotografieren, und ich (= Hans, auf den man mich bereits in den baltischen Ländern reduziert hatte, weil der Zusatz Jürgen sich für fremde Zungen immer wieder als zu kompliziert
erwies).
Es war schon beachtlich und oft genug belustigend, wie Chidee jedes seiner Motive zehn-, fünfzehnmal ablichtete, dann zum nächsten marschierte und auf seinem Rückweg, die gleichen Motive ein
weiteres Mal aufs Korn nahm. Der Ernst der Aufgabe schien ihm Spaß zu machen und so sammelte er tausende von „pictures“auf Speicherkarten, um sie später auf mitgeschleppte Festplatten zu übertragen.
Auf Grund der Gruppen-Zusammensetzung machte ich die Erfahrung, dass ich das Englisch aller anderen, mir bisher begegneten Nationalitäten besser verstehen kann, als originale Engländer mit ihrem
Akzent, der je nach Landesteil unterschiedlich klingt ~ wie auch bei uns ~ und Japaner, die tatsächlich mit dem R und anderen Buchstaben Schwierigkeiten haben, so dass ich immer wieder nur raten
konnte, weil ich nicht dauernd eingestehen mochte, dass ich nur Bahnhof verstand. Hinzu kam die maschinengewehrartige Schnelligkeit der Aussprache aller Parteien, die mich überforderte. Denn
trotz wiederholter Bitten dachten sie selten daran, sich zu bremsen. Eine weitere Besonderheit erschwerte die die Kommunikation für mich zusätzlich, besaß doch eine der Engländerinnen
Piepsstimmchen, das oft jenseits meines Hördiagramms lag, was mich bereits reichlich strapazierte. Da sie außerdem lispelte, stand ich damit völlig auf dem Schlauch. Ich möchte mal einen
Engländer mit Deutschkenntnissen sehen, der einen lispelnden Bayern oder Sachsen verstehen zu verstehen vermag.
Wie dem auch sei, da ich nun mal im gleichen Boot saß, musste ich dadurch, würde mir aber in einer ähnlichen Situation überlegen, ob ich mich noch einmal auf eine geballte Ladung Engländer
einlassen würde. Wie mir Sarah erzählte, hatten aber auch die Engländer Schwierigkeiten, Chidee zu verstehen. Immerhin ein kleiner Trost, erweitert durch die Tatsache, dass unsere Fahrt etwas
hatte, was mit Geld nicht zu bezahlen ist. Die mit ihr verbunden Erlebnisse. Ob es nun die permanent wechselnden, meistens menschen- und baumleeren Landschaften, mit wenig oder keiner Vegetation
waren, die sanft hügelig an uns vorbei zogen oder sich vollkommen flach, wie endlos aneinandergereihte Fußballfelder oder UFO Landeplätze zeigten, schroff und felsig, kieselig, steinig, sandig,
oder, oder. Fast keine Laune der Natur wurde ausgelassen. Und so gab es auch menschengemachte Dinge, Dörfer, kleinere Städte oder Klosterruinen, bis hin zu dem Kloster an der Stelle der alten
Hauptstadt Karakorum. Hier trafen wir sogar einen Mönch, der uns eine Art Grund- oder Gedenkstein zeigte, der das ehemalige Zentrum symbolisierte.
Ergänzt wurden diese Eindrücke durch gemischte Schaf- und Ziegenherden von schätzungsweise 150 bis 200 Tieren, sowie Gruppen von Kühen, kleinen und größeren Herden von Pferd en (von 3 bis 50, 60
Pferden), sowie Kamelen, die ebenfalls in kleineren oder größeren Gruppen umher streiften. Selbst einige Jaks zeigten sich. Und Adler, manchmal nur Harpien, adlerähnliche Vögel, kaum weniger
beeindruckend ~ auf dem Boden und im Flug ~ sowie Geier bei ihrer Mahlzeit. Wobei diese Vogelarten leider eine riesige Fluchtdistanz besitzen, die es nur zuließ, sie in Spatzengröße auf die
Speicherkarte zu bekommen, falls man nicht mindesten ein 200er Objektiv dabei hatte. Und da ich so ein Teil nicht besaß, habe ich daher so manchen Adler, wilde Bergziegen und Bergschafe,
gazellen- oder atilopenähnliche Viecher, Streifenhörnchen und ein Murmeltier nur auf meine innere Festplatte bannen können, statt auf die Speicherkarte meiner IXUS. Mit Ausnahme dieser
neugierigen Hörnchen, die es auch in unseren Zoohandlungen zu kaufen gibt. Sie wuselten an einem Etappenziel zuhauf zwischen Büschen, die teilweise zu baumähnlichen Gebilden mutiert zu sein
schienen. Allerdings waren sie trotz karger Natur wohlgenährter, sprich dicker, als bei uns. Neugierig folgten sie meinem leisen Pfeifen, denn wenn es ertönte, kamen sie zahlreicher aus ihren
Bauten, als ohne. Womöglich erkannten sie mich dadurch als Sippenmitglied an, denn wenn ich mich nach ihrem Erscheinen nicht oder nur langsam bewegte, durfte ich ihrem munteren Treiben
zuschauen.
Derartig Eindrücke, Landschaften der Superlative zu beschreiben, meine Empfindungen zu vermitteln, ist nahezu unmöglich, kein Foto könnte es. Wie sollte ich kleines Menschlein es anfangen, die
scheinbar unendliche Weite, die Leere, die Einsamkeit der Tastatur zu übergeben? Oder das zuerst winzige Auftauchen einer Jurte am Horizont, mit den dazu gehörigen Menschen, einer Familie ~
manchmal incl. eines Babys ~ in dieser Leere, die dann für die kommenden Stunden und die nächste Nacht unser Zuhause sein sollte? Wobei uns diese Menschen als Gastgeber jeweils ein
unterschiedliches Bild boten.
Es gab diejenigen ~ technisch auf der Höhe der Zeit ~ die außer ihren Tieren Solarzellen, eine riesige Satellitenschüssel, einen LKW, ein Motorrad ihr Eigen nannten, bei dem statt elektrisch
heizbare Griffe Fellstulpen für warme Hände sorgten (irgendwo im Nirgendwo kam uns sogar ein Jeep mit fellverkleideter Motorhaube entgegen). Und so hatten wir hin und wieder Strom = Licht in
unserer Jurte und konnten unsere Akkus aufladen. Manchmal war es nur eine Autobatterie mit einer angeschlossen Glühbirne.
In anderen Jurten gab es Kerzen oder auch nur den Feuerschein des Öfchens. Es trafen diejenigen, die derartig freundlich, offen und zugänglich waren, dass sie uns das Gefühl vermittelten, nach
Hause gekommen zu sein. Sie versorgten uns reichlich mit allem, luden uns in die eigene Jurte ein, wo sie uns mit allen Familienmitgliedern bekannt machten und die Fotos der wichtigsten
Familienereignisse zeigten. Sie lachten und juchzten mit uns, obwohl jeder den anderen nur über ein, zwei Brocken Englisch oder Zeichensprache verstand.
Und es gab die anderen, die relativ unfreundlich erschienen, sich kaum zeigten und jeden überflüssigen Kontakt mieden. Die nur das Allernötigste an Verpflegung und Heizmaterial zur Verfügung
stellten, so dass wir froh waren, eigene Futtereien eingepackt zu haben und Klamotten zum zusätzlichen Anziehen, um nachts nicht zu erfrieren. Denn im unangenehmsten Fall hatten wir nicht nur zu
wenig Heizmaterial, sondern auch eine Jurte mit diversen Löchern und Undichtigkeiten. Im Dachbereich ließ sie sich nicht einmal schließen, so dass man am anderen Morgen keine Köpfe, sondern nur
Schlafsackhügel sah, in die sich jeder bis über die Ohren eingekuschelt hatte. Obwohl wir uns im Laufe der Nacht zusätzliche Teile über das angezogen hatten, was jeder sich allgemein zum Schlafen
anzuziehen pflegte.
Mannomann, war das eine Nacht.
Ich selber hatte zusätzlich zur langen Unterhose meine
Jogginghose, zwei Paar Socken, ein Hemd mit kurzem und eins mit langem Arm plus Pullover angezogen, meine Mütze aufgesetzt und meinen dünnen Schlafsack oben drüber gepackt, so dass ich es
halbwegs aushalten konnte. Dabei hatte man uns vorgewarnt, nur hatte es niemand glauben mögen. Hier waren selbst die 4000 Turik (ca. 3 Euro) noch zu viel, aber reklamieren war auf Grund der
Verständigungsschwierigkeiten nicht drin. Außerdem gehörte diese Erfahrung wohl mit zum Abenteuer in der Wüste.
Geheizt wurde übrigens auf unterschiedliche Art und Weise. Waren es Anfangs noch Holz und Kohlen, ging es dann bald über auf getrocknete Perdeäppel und Kuhlfladen, sowie Schaf- und Kamelmist. Das
Zeug brannte prima und roch keinen nicht die Bohne. Es wurde gesammelt und in der Nähe der Jurte gestapelt, so dass es immer in ausreichender Menge zur Verfügung stand. Es gab Jurten, die eine
Art Schutzwall aus Kuhfladen umringte, die als Brennstofflager diente und zugleich den Wind abhielt. Was man als nachhaltiges Wirtschaften bezeichnen und auf etwas ausdehnen könnte, das mit
Heizen nichts zu tun hat, sondern mit Mehrfachnutzung oder Umnutzung. Denn neben einem jener gesammelten Werke entdeckte ich ein 100 Liter Bierfass der Thier Brauerei aus Oelde in Westfalen,
meiner alten Heimat. Zwei Fragen stellten sich: wie ist das Fass überhaupt in die Mongolei und in die Gobi gekommen? Und, war es voll oder leer?
Was auch zum Wüstenabenteuer gehörte, war alles, was unter den Begriff „sanitäre und hygienische Gegebenheiten“fällt. Morgens, abends und überhaupt war nur Katzenwäsche mit etwas Mineralwasser aus dem eigenen Vorrat angesagt ~ meistens
draußen vor der Jurte in der Kälte, weil es drinnen nur in zwei Jurten eine Waschtischkonstruktion ähnlich der auf der Insel Olkhon beschriebenen gab.
Und natürlich das Thema Toilette / WC. Einige Jurten hatten besagtes Bretterhäuschen, andere nicht. Hier konnte man sich am Tag nur weit genug entfernt seinen Platz im meistens absolut ein- und
übersichtigen Gelände suchen, um sein wie immer geartetes Geschäft zu erledigen oder man verkniff es sich, so gut es ging bis zur nächsten etwas geschützteren Stelle mit ein wenig mehr
Privatsphäre.
Aber auch wenn ein Häuschen vorhanden war, mussten zumindest anfangs erst einmal gewissen Hemmnisse überwunden werden, denn wie bereits im National Park beschrieben, gab es hier nur das Loch,
bzw. den Spalt im Bretterfußboden über den man sich hockte man vor Wind und Wetter ein wenig besser geschützt war, als draußen in freier Natur. Es brauchte zwei Tage, bis ich bereit war, eine
dieser Einrichtungen zu akzeptieren, konnte ich es mir doch nicht länger verkneifen. Ab da war diese Art Toilette kein Problem mehr, selbst in den Orten nicht, die wir ansteuerten.
Das Besondere zeigte sich hier darin, dass es als Toilettenhäuschen einen Bretterverschlag gab, der aus drei oder vier Abteilen bestand, jeweils circa 1m mal 1,30m groß mit etwa 80 cm hohen
Sichtschutzwänden und einer gleich hohen Tür. Somit sah man praktischerweise schon von weitem den Kopf des oder der momentan dort Hockenden und konnte mühelos erkennen, ob noch ein freies
Plätzchen zur Verfügung stand. Damit war es ein Leichtes das Geschehen außerhalb zu verfolgen und sich nach Lust & Laune mit dem neuesten Dorfklatsch zu befassen. Je nachdem. Folgerichtig
waren die Kabinen in Richtung Ort oder Straße ausgerichtet, um nichts zu verpassen.
In zwei dieser Orte gab es außerdem etwas, was wir doch sehr vermissten, die Möglichkeit, uns in einem Badehaus eine Rundumreinigung in Form einer Dusche zu gönnen. Diese Badehäuser verfügten
über mehrere Duschräumchen, in denen auch die Dorfbewohner duschten, wahrscheinlich mangels eigener Badezimmer. Wie es früher bei uns ebenfalls praktiziert wurde. Natürlich konnten auch wir eines
dieser Räumchen für die Dauer seines Reinigungsprozesses mieten, um strahlend wie ein Frühlingsmorgen erneut in die Wüste einzutauchen. Kostenpunkt: 1000 Turik (ca. 50 oder 60 Cent). Ein
Internetcafé ergänzte jeweils das Angebot, auch wenn sich die Verbindung zum Rest der Welt als mühsam herausstellte. Dennoch erzeugte es kindliche Freude in uns, wenn Nema beiläufig erwähnte,
dass er als nächstes solch einen Ort ansteuern würde. Zumal es, wie in jeder Ortschaft, eine Einkaufsmöglichkeit gab, um unsere Vorräte zu ergänzen.
Die gesamte Tour gestaltete sich in einer Form, bei der wir täglich mindestens ein Highlight anfuhren. Felsformationen oder Hügel, die auf Grund von Oxidationsprozessen in diversen Farben
leuchteten, Schluchten, eine alte Klosterruine, die großen Sanddünen, eine besonders schöne Landschaft oder das sogenannte Ice Valley, das wir leider nicht zu sehen bekamen, weil uns jede Menge
Schnee den Zugang verwehrte.
Bereits auf dem Weg dorthin begann es in einer Wesie zu schneien, dass wir uns fragten, wie Nema überhaupt noch den Weg finden, bzw. auf ihm bleiben konnte. Aber selbst als uns ein anderes
Fahrzeug in dem Schneetreiben entgegenkam, anhielt und der Fahrer erzählte, dass er umkehren musste, fuhr er weiter. Bis wir inmitten der weißen Einöde an ein naturkundliches Museum gelangten.
Geschlossen natürlich. Die Zufahrt ins Ice Valley versperrte ein Schlagbaum und an der Zahlstelle erfuhren wir, dass ein Befahren des Weges selbst mit Allrad und Winterausrüstung unmöglich
sei.
Also hieß es auch für uns: Zurück, marsch, marsch!
Statt die Strecke zu nehmen, die wir gekommen waren, wählte unser Guide eine Route querfeldein zum nächsten Anlaufpunkt, auf der es dann in einer Kurve ~ die sich zugleich als Buckel
herausstellte ~ passierte. Er kriegte im wahrsten Sinne des Wortes die Kurve nicht und rauschte in eine Schneewehe. Und damit saßen wir dann so fest, dass weder Allradantrieb noch
Differentilasperre uns herausbrachten.
Das bedeutete vorläufige Endstation, alles aussteigen!
Und nachdem Nema mit einem Brett ~ das statt Schaufel im Auto
parat lag ~ dem Schnee eine Weile zu Leibe gerückt war, packte er, zwecks besserem Grip, kleinere Steine, die wir gesammelt hatten unter die Räder, um den Bulli rauszuschaukeln, während Nema bei
schnellem Gangwechsel ~ Vorwärts- / Rückwärtsgang ~ entsprechend Gas gab. Was dann letztendlich klappte. Der Wagen kam frei und die Fahrt aus dem Schnee in etwas gemütlichere Gefilde ging weiter.
Zuvor hatten wir jedoch noch ein zugefrorenes Flüsschen zu überqueren, wobei niemand wusste, ob das Eis tragfähig genug ist, bzw. wie tief das Gewässer sein würde, wenn der Bulli einbräche. Also
suchte er erst einmal das Ufer ab, um sich dann für eine schmale Stelle neben der Hauptfurt zu entscheiden. Wieder hieß es aussteigen, um den Wagen zu erleichtern und dann husch, husch, rüber auf
die andere Seite, auch wenn das Eis nicht hielt. Auch in dieser Situationen lachte Nema ob der Herausforderung, auch jetzt kam die ganze Zeit kein Schimpfwort oder Fluch über seine Lippen.
Als die etwas gemütlicheren ~ trotz Sonne satt kalten Gefilde ~ erwiesen sich schließlich die „Großen Sanddünen“, in deren vorgelagertem Areal unsere nächste Gastjurte bei einer der Familien stand, die wir zu den gastfreundlichsten und
herzlichsten zählten. Hier sollte der zweistündige Kamelritt stattfinden, den wir dann am späteren Nachmittag in Richtung Sanddünen antraten.
Bevor es jedoch losging, war es eine Gaudi, die Tiere in direkter Nähe zu erleben, sie anzufassen und aufzupassen, dass sie einen nicht mit wiedergekäutem Futter voll sabberten, gar wie ein Lama
anspuckten. Auf der Erde liegend, wirkten sie erst einmal noch nicht so riesig und bekamen eine Decke zwischen ihre Höcker gelegt, an der sich für uns Touris die Steigbügel befanden, die wir aber
trotz des Wortsinns nicht zum Aufsteigen benutzen konnten. Sie dienten beim Reiten dem Ausgleich der Balance für ungeübte Kamelreiter. Die beiden Jungs ~ unsere Begleiter ~ ritten im Gegensatz zu
uns ohne diese Hilfsmittel.
Aber erst einmal bekam jeder „sein“Kamel zugeteilt, bzw.
jedes Kamel bekam seinen Menschen. Wobei ich als erster ein Kamel zugewiesen bekam und mit meinen nicht gerade langen Beinen ohne Leiter oder sonstige Hilfsmittel irgendwie auf mein Platzdeckchen
zwischen den Höckern des Tieres gelangen musste. Gelenkigkeit war gefragt. Und obwohl ich keinen Spagat o.ä. hinbekomme, reichte es dann doch ~ ohne mich zu blamieren ~ für die
Kamel-Aufsitz-Übung, die ihre Krönung in dem Moment erlebte, als dieses Riesensofa den Befehl zum Aufstehen bekam. Und da bei diesem Vorgang durchaus die Gefahr des ebenso schnellen wie
unfreiwilligen Abstiegs besteht, bekamen wir zuvor gezeigt, wie und wo wir uns am geschicktesten festhalten könnten. Was dafür sorgte, dass alle oben blieben. Mit sanft schaukelndem Gang, der
einen zum Einschlafen hätte bringen können, starte mein Wüstenschiff. Und da hockte ich nun, 2 Meter oder höher über Grund und fand den Panoramablick, den diese Position ermöglichte, zu
interessant, als dass ich ans Schlafen hätte denken mögen. Außerdem war es lausig kalt.
Irgendwer hat gesagt, dass der Kamelgang ~ ein Passgang übrigens ~ unbequem sei. Dem kann ich nur widersprechen, denn ich fand, dass es der bequemste Gang eines Reittieres war, auf dem ich je
gesessen habe. Hinzu kommt, dass ein Kamel mit seinen Höckern quasi eine Rückenlehne bietet und vor einem etwas, an dem man sich festhalten oder ein Buch o.ä. anlehnen kann. Genial, auf keinem
Pferd ist das möglich, und auch dessen Gangarten sind für mein Empfinden nicht immer die bequemsten.
Egal. Langsam aber sicher trotteten wir in Richtung Sanddünen und mussten dabei völlig unerwartet ein Flüsschen überqueren. Jetzt wusste ich, warum einer der beiden Führer eine Art Anglerstiefel
mitgenommen hatte, in die er nun schlüpfte, sein Kamel ins Wasser führte, während wir brav folgten.
Einen kleinen Fluss im Bereich der Sandwüste vorzufinden, fand ich mehr als seltsam, denn im Gegensatz zu anderen Flüssen, gab es am Rand keinerlei Bewuchs, obwohl genügend Wasser zur Verfügung
stand. Als ob das Wasser nicht ins Erdreich eindringen könnte oder dass der Boden trotz Wasser nicht genügend hergab, um Pflanzen eine Chance zu ermöglichen.
Immerhin reichte es, Menschen und Tiere in seiner Nähe mit Trinkbarem zu versorgen. An den vorherigen Stellen hatte ich mich immer wieder gefragt, woher die Menschen und ihre Herden Wasser
bekommen, wo sie es finden, mangels Verständigungsmöglichkeit jedoch nie eine Antwort bekommen. Ich vermutete, dass es einer der Tankwagen brachte, die wir hin und wieder zu Gesicht
bekamen.
Einmal kam uns sogar ein Linienbus entgegen, der sicher
geländegängig gewesen sein dürfte, denn ohne diese Technik wäre er nicht weit gekommen. Wie auch ein mongolischer Tourist, der sich mit seiner Familie in einem Toyota Corolla durch die Gobi
quälte. Keine Ahnung, ob er je sein Ziel erreichte.
Wir waren jedoch inzwischen am Fuß der Dünen angelangt und es hieß absteigen, um sie ein wenig auf eigenen Füßen zu erkunden. Lawrence von Arabien stand in dem Moment vor meinen geistigen Augen,
und damit gehörte für mich dieses kurze Eindringen in die Dünenlandschaft zum Größten, was die Gobi für mich bereit hielt. Es erschien mir als Kurische Nehrung hoch 8. Und nachdem ich mich von
der Gruppe gelöst hatte und scheinbar mutterseelenallein durch den Sand stapfte, erwischte mich ein Gefühl des All-Eins-Seins, wie ich es in der Gobi außerdem nur erlebt habe, wenn ich nachts,
einige Schritte von der Jurte entfernt, im Licht des Mondes ähnlich einem Schlafwandler durch die Gegend taperte. Grandios.
Hatte ich bisher geglaubt, ich würde bei jedem Schritt knietief im Sand einsinken, sah ich mich angenehm enttäuscht. Das passierte nur, wenn ich mich an einer der Abrisskanten befand, an denen
der Wind Milliarden von Sandkörnern weiter trieb, um der Düne ein neues Gesicht zu geben. Überall woanders war der Sand fest, ähnlich dem im Watt bei Ebbe. Und er hatte das gleiche
Waschbrettprofil.
Mannomann, das waren vielleicht Bilder, die sich hier unlöschbar in meine Matrix brannten. Die schier unendlichen Mengen Sand, die vom Wind permanent weiter getrieben wurden, der Konturen
verschwimmen ließ, unzählige, unterschiedlich geformte Dünenbilder erzeugte, und die Sonne, die alles in gleißendes, unwirkliches Licht tauchte und kleine Pflanzen, die es selbst hier, an einer
der unwirklichsten Plätze es noch zu überleben schafften. So lange, wie der treibende Sand es zuließ.
Sagenhaft
Und dann war unser relativ kurzer, sandiger Ausflug auch schon beendet. Wir mussten zurück und hatten dabei ~ weil es schon in den späten Nachmittag ging ~ einen kalten Wind als Begleiter, der
bis auf die letzten Minuten Gott sei Dank von hinten kam. Doch diese kurze Zeitspanne hätte fast gereicht, dass mir die Nase als kleiner Eisklumpen aus dem Gesicht gefallen wäre. Trotz Schal,
denn ich ums Gesicht gewickelt hatte. Mannomann, war das kalt. So etwas hatte ich bisher weder beim Skilaufen, noch sonst wo erlebt. Jedenfalls war ich froh, als dann in die überwarme Jurte zum
heißen Wasser eingeladen wurde, aus dem sich jeder nach Belieben einen Tee oder Nescafé bruzzelte. Wobei ich am liebsten meine Nase in den heißen Instantkaffee getunkt hätte. Dabei zeigte das
Thermometer gerade mal 2 Grad minus.
Tja, und dann kam der letzte Tag, unser Rückreisetag, der zum Großteil wieder über eine mehr oder weniger asphaltierte Piste führte. Im Hostel angekommen, hieß es erneut: Duschen! Um mich
anschließend mal wieder in der „French Bakery“ausgiebig im Internet zu tummeln und die Vorzubereitungen für den kommenden frühen Morgen und die Zugfahrt nach Peking zu treffen, den Rucksack zu packen und mich von Ulan Bartor zu
verabschieden.
Die nächste Etappe lag vor mir.
Gobi Fotos