Butterworth / Penang
Etappe 39 ~ von Do. 15.05. bis Mi. 21.05.2008
Es wurden dann doch keine Erinnerungen wach, als ich nach fast 23-stündiger Zugfahrt in Butterworth eintrudelte.
Wahrscheinlich tauchte der Name mal in irgendeinem Buch auf und hatte sich so in meinen Hirnwindungen festgesetzt. Zumal diese Stadt für Traveller ~ außer dass sie als Drehkreuz für die
verschiedenen Richtungen der Möglichkeiten des Weiterreisens dient ~ ansonsten recht uninteressant ist.
War der Zug von Bangkok bis zur Grenze noch recht lang gewesen, wurde er dann dort auf zwei Waggons reduziert, in denen nur noch Reisende saßen, die halt wie ich zunächst einmal nach Butterworth
wollten. Interessanterweise klappt die Logistik auch in solchen Fällen so gut, dass niemand umzusteigen braucht. Nur die leer gewordenen Plätze wurden neu besetzt. Dennoch gab es über eine Stunde
Wartezeit, in der all die Formalitäten erledigt wurden, die halt so anfielen. Wie z.B. auch die Formalitäten Tatsache, als sich herausstellte, dass ich nun doch noch für einen Tag Strafe für zu
langes im Land bleiben zahlen musste. Ich war bei meinen Überlegungen davon ausgegangen, dass wir noch am 14. in der Nacht die Grenze passieren und damit am 15. Mai bereits in Malaysia sein
würden. Dem war aber nicht so. Und da ich nicht mehr genügend Baht in der Tasche hatte, musste ich am Grenzübergang beim „Licenced Money Changer“ noch ein paar Dollar tauschen. Und da der
Tausch nicht glatt aufging ~ vom Geldwechsler gewollt oder auch nicht ~ bekam ich so auch gleich meine ersten Rinngit (RM) der malaysischen Währung in die Finger, womit ich dann einige Stunden
später meine erste Zahlung im neuen Land tätigen konnte.
Als sich dann die Industriestadt Butterworth immer mehr verdichtete, je näher der Zug dem Bahnhof kam, wurde mir klar, dass auch ich nur die Drehkreuzfunktion dieser Stadt nutzen und gleich auf
die Fähre hüpfen würde, um auf die Insel Penang ~ genauer gesagt nach Georgetown ~ überzusetzen. Und für eben dieses Ticket verbrauchte ich dann für die äußerst preiswerte 20 minütige Hinfahrt
meine ersten malaysischen Taler, nämlich 1,5 Rinngit, ca. 30 Eurocent. Die Rückfahrt ist interessanterweise frei.
Mit auf der Fähre waren auch drei Leutchen, denen ich schon im Zug begegnet war. Ein Schweitzer Pärchen und ein Kalifornier ~ aber nicht Arnold ~ der auch überzogen hatte, und den ich bereits im
Office für Strafzahler getroffen hatte. Wie er mir erzählte, hat er sein Land und Amerika überhaupt, schon seit 6 Jahren nicht mehr betreten und war nur reisend unterwegs. A-politisch in seiner
Grundeinstellung, wie auch ich, dennoch aber nicht akzeptieren könnend, was die Politiker seines Landes so aushecken. Und so, wie ich auf Grund der affigen Bestimmungen nicht in die USA reisen
würde, vermeidet er es ebenfalls, soweit und so lange es möglich ist, sich dem System der USA zu stellen. Er verglich die amerikanischen Politiker mit Schauspielern ~ die sie ja teilweise sogar
waren ~ die mal besser oder schlechter wären und meinte, dass Bush allenfalls für ein B- oder gar nur für ein C-Movie tauge. Na ja, ähnlich ist ja auch seine Politik, gelle? Greg, so hieß er,
hatte eine interessante Art zu reisen. Zum einen reiste er mit kleinstem Gepäck, einem Daypack + zusätzlicher Umhängetasche, so dass ich erst dachte, der Mann macht nur einen Ausflug auf die
Insel oder etwas in der Art. Aber das war alles, was er dabei hatte. Und er entscheidet sich, so weit möglich, immer erst an den jeweiligen Bahnhöfen, in welchen Zug er einsteigen und damit in
welche Richtung er weiter ziehen will.
Alle drei habe ich dann auf der Suche nach einem Guesthouse an Land wieder getroffen, so dass wir uns gemeinsam auf diesen Weg begaben, um dann in dem Stadtteil
„Little India“ zu landen. Allerdings hatten sie eine bestimmte Unterkunft im Kopf, und ich ebenfalls, so dass sich unser Weg dann doch wieder trennte. Denn ich wollte endlich mal bei dem
bleiben, was ich mir im LP ausgekuckt hatte.
Wäre ich bloß bei den dreien geblieben, denn die Hütte, die im LP als recht gut beschrieben wurde, erwies sich als arges Loch mit einer Ameisenstraße durchs Zimmer, einem Fußboden der zudem noch
einen ziemlich schmuddeligen Eindruck machte und dringend mal einen Scheuerlappen benötigt hätte. Außerdem hatte es nur einem Standventilator, der wegen seiner kurzen Schnur und der einzigen
Steckdose im Zimmer, direkt neben dem Bett seinen Platz hatte und direkt darauf pustete. Womit klar war, dass ich, wenn ich nicht in der Affenhitze zerfließen wollte, mein Notebook nur über den
Akku betreiben können würde, wobei aber eh kein Internet zur Verfügung stand, und ich mir einen internetfreien Abend nahm. Aircon gab es nicht, bzw. nur in Räumen ohne Fenster, die mich hier an
Dunkelhaft-Zellen erinnerten. Die Matratze war eine Sprungfeder Matratze, wie sie bei uns anfangs der Fünfziger mal üblich waren, mit einfachsten Spiralfedern, die sich alle durch die dünne
Abdeckung bohrten und an den Seiten teilweise die Füllung sehen ließ. Echt Rosshaar. Dennoch habe ich die eine Nacht dort recht gut geschlafen. Aber es war keine Bleibe, in der ich mich länger
als nötig aufhalten wollte. Und so suchte ich am anderen Morgen nach den Häusern, in denen die drei es versuchen wollten. Aber auch die Schwietzer waren nicht in dem angepeilten Hostel geblieben,
sondern hatten nach einigen Besichtigungen anderer im LP beschriebener Unterkünfte dann ein anderes, besseres, nicht dort aufgeführtes Haus gefunden. Das hatte ich abends erfahren, als wir uns
einfach so an einem indischen Restaurant wieder trafen und dann dort gemeinsam speisten.
Man sollte den Machern des LP glatt mal auf die Füße treten und sie auffordern, sich wieder in den von ihnen empfohlenen Budget Häusern umzuschauen, denn die waren alle den Preis nicht wert.
Während das Stardust dahingegen ein schnuckeliges Backpacker Hostel ist, mit einer äußerst freundlichen und zuvorkommenden Mannschaft und einem guten Preisleistungsverhältnis. Der einzige Haken
war die laute Hauptstraße, an der mein Zimmer lag, zusammen mit einer Moschee, aus der zu bestimmten Tageszeiten ~ morgens ab 05:45 und dann über den Tag verteilt ~ nicht nur die Gläubigen in
einer Form beschallt werden, die bei aller Toleranz für mich in die Kategorie ruhestörender Lärm fällt. Was meine Sympathie für eine Religion, die ihren Gläubigen auf derart lautstarke Weise in
den Ohren liegen muss, nicht gerade erhöht. Zumal es mich an die Zeit erinnerte, als eine andere Religionsgemeinschaft bei uns ähnliches mit lautem Glockengeläut tat und in bestimmten Gegenden
auch immer noch tut. Was muss das angenehm gewesen sein, als es noch keine Lautsprecher gab und der Muhedzin ~ oder wie der Typ heißt ~ seine Texte persönlich zum Besten gab.
Ich kann es nicht leugnen, ich bin nun mal ziemlich geprickt, wenn es um Religionen geht ~ am ehesten kann ich noch etwas mit den asiatischen oder auch den Natur Religionen etwas anfangen, würde
mich aber auch nicht in deren Fänge begeben ~ und so ist das natürlich wieder nur meine subjektive Meinung, andere finden es vielleicht gut, schön, interessant oder was weiß ich, wenn sie auf
diese Weise angeschrien werden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass auch hier seit Jahrzehnten etwas heranwächst, was in seiner Frömmelei auf Dauer nicht gut für die Menschen ist, bzw. sein kann.
Wenn ich sehe, dass bereits kleine Mädchen bei dieser Hitze mit Kopftuch und teilweise auch mittels langer Gewändern „verkleidet“ werden, um sie in die unterwürfige Rolle der erwachsenen
Frauen hineinzupressen, die dann teilweise diese Verkleidung so weit optimiert tragen müssen, bzw. akzeptiert haben, dass nur noch ein Sehschlitz übrig bleibt, wird mir immer ganz anders. Und
wenn diese Frauen dann auch noch komplett in Schwarz und mit einem Sehschlitz, wie bei einem Panzerspähwagen daher kommen, wirkt das schon fast unheimlich auf mich. Das kann es nicht sein, und
ich könnte mir vorstellen, dass hier, in diesen Ländern, die nächste Lunte an einem der so vorbereiteten Pulverfässer bereits glimmt. An einem islamischen Gebäude ~ keine Ahnung, wozu es benutzt
wurde ~ fand ich ein großes Schild, auf dem stand, dass es islamischen Männern bei Strafe verboten ist, sich in oder unter die Hände einer Masseurin zu begeben. Und islamischen Männer fahren dann
~ wie ich gelesen habe ~ zu hunderten und tausenden kurz über die nahe thailändische Grenze, um sich dort in den Bordellen auszutoben. Auch das erinnert mich an etwas aus der Zeit des intensiven
Glockengeläuts, als in der „scharzen“ Ecke, in der ich aufwuchs, die nach außen braven Männer von Zeit zu Zeit zum „Haareschneiden nach Dortmund“ fuhren, wie der Puff-Besuch geschickt umschrieben wurde. Aber ich schweife in eine Richtung ab, in die ich „eigentlich“ gar nicht
will.
Als wir uns dann später auf dem Rückweg zu unseren Hostels noch einen kleinen Absacker gönnten, redeten Anja, Christian, die beiden Schweitzer und ich, über Gott und die Welt und natürlich über
unsere Reisen, wie das halt so ist, wenn die Chemie stimmt. Greg, der „Californian Dream Boy“ hatte inzwischen einen Landesgenossen getroffen und
vergnügte sich beim Poolbillard. Und bei diesem Gespräch kam etwas interessantes heraus. Als die beiden nämlich hörten, dass ich, wenn eben möglich, ohne ein Flugzeug zu besteigen nach Australien
will, erzählten sie mir von dem Buch »Fliegen ohne Flügel«, das von dem ehemaligen Spiegel Auslandskorrespondenten Tiziano Terzani geschrieben wurde. Ehemalig deshalb, weil sich dieser Mann 2004
endgültig verabschiedet hat. T.T. beschreibt in diesem Buch, wie er als Journalist 1993 nur mit Bahnen und Bussen von Bangkok nach Berlin und auch durch Malaysia nach Singapur gefahren ist. Auf
weiten Strecken sogar auf meiner Route. Diese einjährige Flugabstinenz hatte er sich auferlegt, weil ihm 16 Jahre zuvor in Hongkong ein Wahrsager weisgesagt hatte, dass er, wenn er in dem Jahr
ein Fluggerät besteigen würde, ums Leben käme.
Das klang so interessant, dass ich in der nächsten größeren Stadt, wie Kuala Lumpur oder Singapur ~ oder spätestens wieder in Deutschland ~ nach diesem Buch fragen wollte. Und dann war auch schon
der letzte Schluck unseres Baccardi Cola getrunken und es ging ab in die Federn, womit sich unsere Wege dann auch erst einmal wieder zu trennen schienen. Allerdings trafen wir uns am Tag darauf dann doch wieder, als ich bei meiner Suche nach einem anderen
Hostel in ihrem landete. Christian erzählte mir, dass er morgens in einem Second Hand Buchladen genau dieses Buch gesehen hätte, es aber nicht gekauft hate, weil er nicht wusste, ob wir uns noch
einmal begegnen würden. Ich bin dann natürlich sofort zu diesem Laden marschiert und habe es mir als kleines Geburtstagsgeschenk gekauft und geschenkt, denn an diesem Tag wiederholte sich zum
65sten Mal mein Geburtstag, den ich zum ersten Mal im meinem Leben fast vergessen hätte, weil ich mal wieder die Zeit völlig ausgeblendet hatte. Seit dem lese ich bei jeder Gelegenheit
darin und kann es kaum aus der Hand legen.
Was soll ich sagen, dieses Buch hätte ich zu gerne bereits vor meiner Reise gelesen, der Kulturbanause Hans-Jürgen hätte sich an manchen Dingen möglicherweise interessierter gezeigt. Denn es ist
so geschrieben, wie z.B. ein guter Lehrer seinen normalerweise drögen Stoff darbietet, weil er ihn mit Saft und Spannung anbietet und nicht nur Fakten aneinander reiht. So eine Art kann süchtig
machen, wie wohl (fast) jeder aus seiner Schulzeit weiß und man möchte freiwillig mehr erfahren. Hier ist schon damals ein spannendes und interessantes Buch über das Reisen mit Bus und Bahn
entstanden, das kaum noch zu toppen sein dürfte. Sicher, es wurde an der einen oder anderen Stelle von der Zeit überholt und vieles gibt es in der beschriebenen Form nicht mehr. Seine
Befürchtungen habe sich da bewahrheitet. Und das habe ich ja selber auch erlebt. Wenn ich nur an die Kleinigkeit denke, dass uns noch 1994 in Thailand in allen Ess-Lokalen nur Stäbchen zum Essen
zur Verfügung standen und es auch auf Nachfrage kein Besteck gab, dann ist es heute umgekehrt, man muss nach Stäbchen fragen, wenn man mit ihnen essen möchte. Löffel und Gabel haben fast überall
das klassische Esswerkzeug abgelöst, auch für die Einheimischen. Was dieser Mann, dieser Journalist an interessanten Informationen elegant neben den geschichtlichen Daten zusammengetragen und
zusammengefügt hat, ist schier unglaublich, wenn auch erklärbar durch seinen Hintergrund und mit Sicherheit durch seine Liebe zum geschriebenen Wort. Es könnte mich fast neidisch machen,
zumindest hat es mich immer wieder nicht nur recht nachdenklich gestimmt, sondern auch tief im Inneren erfreut und manches Mal auch berührt.
Georgetown war auch wieder eine dieser Städte, die einen Rest ihres kolonialen Charms behalten haben, trotz der Hochhäuser, die auch hier gebaut worden sind und werden. Nur dass es hier nicht die
Franzosen, sondern die Engländer waren, die sich hier verewigten. Und so war es auch kein Wunder, dass hier ~ insbes. die älteren Menschen ~ jeder dieser Sprache in irgendeiner Form mächtig war.
Aber meistens beherrschen sie auch noch Chinesisch, Malaysisch, Tamil und oft auch noch Hindi. Denn es wimmelt hier geradezu von Indern, was sicher daran lag, dass ich in dem
Stadteil „Little India“
gelandet war. Manchmal hatte ich das Gefühl, gar nicht mehr nach Indien zu müssen, weil es kaum andere Menschen zu geben
schien. Was mich allerdings ziemlich erstaunte, war die Tatsache, dass jede vierte oder fünfte Inderin fett war. Richtig fett, nicht nur ein bisschen dicker als die anderen. Die nur dicken, gab
es zusätzlich auch reichlich, die befanden sich wahrscheinlich auf dem Weg dorthin. Aber es gab auch jede Menge fetter Kinder, die für die Hexe in Hänsel und Gretel der reinste Festschmaus
gewesen wären. Und es gab auch reichlich fette Männer, wenn auch nicht so häufig, wie Frauen. Unter uns gesagt, ich habe noch nie so viele Menschen jenseits der 100 Kilo auf einem Haufen gesehen.
Dabei hatte ich immer angenommen, dass die asiatische und indische Küche für schlanke Menschen sorgt, was aber scheinbar nicht (mehr) so ist. Denn auch in Thailand, Laos und Kambodscha sah ich
sie, allerdings nicht ganz so häufig. Wobei Thailand schon dicht dran war. Vielleicht sind das aber auch hier die Auswirkungen einer bestimmten Fast Food Kette und ihren Ablegern. Auch sie gibt
es an allen Ecken in jedem kleinen Ort und sind genauso gut besucht wie bei uns. Vielleicht wird hier aber auch der Wert einer Frau immer noch in Kilo gemessen.
Als ich mich langsam darauf vorbereitete, „Little India“,
und damit Georgetown und Penang den Rücken zu kehren, hieß es mal wieder, mich um mein nächstes Ticket zu kümmern. Und da es
eine Bahnverbindung von Butterworth nach Kuala Lumpur gibt, musste ich ~ da es in Georgetown keine Möglichkeit gab, eins zu kaufen ~ vorab schon mal ausprobieren, ob die Fähre zurück ans Festland
tatsächlich kostenfrei war. Und sie war es. Ich versuchte mir vorzustellen, ob und wie sich Praxis auch bei uns anwenden ließe, in dem ich z.B. den Preis für die Fähre nach Norderney oder auf
jede andere Insel bezahlen würde und damit die Rückfahrt auch gleich in der Tasche hätte. Aber nicht als Hin- und Rückfahrtticket, sondern als einfaches. Und das alles auch noch zu einem
Spottpreis von 30 Cent. Na ja, ist wohl ein bisschen viel verlangt, und ich habe solche Gedanken dann auch gleich wieder gelöscht.
Es gab zwei Züge nach KL, bzw. Singapur. Der eine früh um sieben und der andere abends um 21:45 Uhr. Und da die Ticketverkäuferin ~ mit Kopftuch versteht sich ~ mir erzählte, dass der Zug um die
5 Stunden braucht, war klar, dass ich den frühen Zug nehmen würde, um nicht nachts um 3 Uhr in KL anzukommen. Vorsichtshalber fragte ich sie, ob es so früh auch schon eine Fähre gäbe und erfuhr,
dass die erste bereits um 5:30 von Penang abfährt, und die nächste um 6:30 Uhr. Womit klar war, dass es gaaaanz früh aufzustehen hieß. Allerdings erfuhr ich dann am Fähranleger, dass das nicht
stimmt und dass die erste um 6 Uhr geht, was ja schon mal eine halbe Stunde länger schlafen bedeutete. Da ich aber nun zwei unterschiedliche Angaben hatte, fragte ich im Hostel noch einmal nach
und erfuhr eine dritte Zeit. Und damit hatte ich nun die große Auswahl und beschloss, mich selber am Anleger zu erkundigen, da ich nicht auf Grund einer falschen Zeit meinen Zug verpassen wollte.
Allerdings fand ich kein Fährbüro o.ä. und einen Ticketschalter natürlich auch nicht, weil der hier ja nicht benötigt wurde. Aber eine große Tafel, auf der alle Zeiten standen. Und dort konnte
ich lesen ~ und mir von einem Fähren-Mitarbeiter bestätigen lassen ~ dass die erste Fähre um 5:45 und die zweite um 6:20 fährt. Nun denn, auf das geschriebene und bestätigte Wort, bzw. die
Zeiten, würde ich mich ja wohl verlassen können. Ich beschloss aber, dennoch die erste zu nehmen, obwohl die um 6:20 auch noch reichen würde, wenn sie den pünktlich ablegt.
Auf dem Rückweg begegnete mir dann einer dieser gut situiert aussehenden, korrekt gekleideten älteren Herren mit Aktenmappe und diversen Papieren unter dem einen und einem Stockschirm am anderen
Arm, der mich interessiert ansah und auf mein Lächeln und meinen Gruß dann in einem Englisch ansprach, von dem ich nur träumen kann. Er hatte es halt noch während der Zeit der Engländer gelernt
und fragte das, was immer in solchen Situationen gefragt wird, und ich antworte das, was ich in solchen Situationen immer antworte. Und nachdem wir auf diese Weise ca. 20 Minuten an der
Straßenecke geplaudert hatten, fragte er, ob ich Lust und Zeit hätte, mich noch länger mit ihm zu unterhalten und lud mich nach meinem Ja zu einem Tee oder Kaffee in das Ecklokal ein, aus dem er
vorher gekommen war. Und jetzt wurde es interessant, denn nun wollte er von mir als erstes wissen, wie Deutschland und die Deutschen heute zu Hitler stünden. Da hatte er doch glatt den richtigen,
besser den falschen gefragt. Denn ich habe ihm erst einmal klar gemacht, dass ich damals ein Baby, allenfalls noch ein Kleinkind war und mit dem ganzen Gefasel über die Schuld der Deutschen bis
ins jüngste Glied nichts anzufangen wisse. Schließlich war ich bestimmt kein Täter, sondern als Kriegskind auch ein Opfer der Ereignisse. Dass ich zwar die Schuld der damaligen Deutschen sehe,
aber mehr auch nicht. Aber durchaus Verantwortung dafür übernehme, dass derartiges nie, nie wieder passiert. Er teilte meine Meinung, dass die Vergangenheit, so schrecklich sie auch war, nach so
langer Zeit endlich mal ad acta gelegt werden und nicht immer wieder bei jeder Kleinigkeit wiedergekäut werden sollte.
Aber dann wechselten wir Gott sei Dank zu weniger brisanten Themen, wie Kinder, Familie, das Leben in Deutschland und dem alten, für ihn immer noch geltenden Wirtschaftserfolgssatz ~ der meiner
Meinung nach in dieser Form schon eine Weile nicht mehr zutrifft ~ „made
in germany“. Er hatte sogar mal ein Auto aus Deutschland gehabt, einen
NSU Prinz, mit dem er sehr, sehr zufrieden war und den er lange Jahre gefahren hat. Ja, er schwärmte so sehr von den bewährten deutschen Erfolgsprodukten, dass ich mich als Deutscher fast für
meine etwas anders geartete Meinung schämte. Aber irgendetwas muss ja wohl doch (noch) dran sein, denn so viele VW Käfer wie hier, habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Als wir uns dann
verabschiedeten, war fast eine Stunde wie im Flug vergangen. Er drückte mir noch seine Visitenkarte in die Hand, mit der Aufforderung mich zu melden, wenn ich mal wieder nach Penang käme. Und das
wars. Wer hätte das gedacht, und das an meinem letzten Tag, fast Abend? Irgendwie beschwingt ging ich weiter und musste nun nur noch ein Taxi oder eine Trishaw finden, deren Fahrer bereit war,
die frühe Aufstehzeit mit mir zu teilen, dann wäre alles geritzt. Meine Hostelbesitzerin bemühte sich persönlich um ein Taxi, konnte aber nur in Erfahrung bringen, dass kein Fahrer zu so einer
unchristlichen, oder hier wohl eher unislamischen Zeit ~ noch vor den Laut-Sprechern ~ bereit war, den Tag mit ein paar frühen Rinngits zu beginnen. Und den Aussagen der Trishaw Fahrer, dass sie
ganz bestimmt früh genug am Hostel aufkreuzen würden, traute ich somit natürlich ebenfalls nicht recht und entschied mich, das nicht all zu lange Stück zu laufen. Schließlich hatte ich es ja bei
meiner Ankunft auch schon getan, auch wenn das mit dem ganzen Gepäck bei den Temperaturen eine schweißtreibende Angelegenheit gewesen war und wieder sein würde.
Also stellte ich den Wecker in meinem Handy auf 4:30 und vergaß dabei, dass ich es nicht auf die malaysische Zeit umgestellt hatte. Die Uhren hier tickten nämlich wieder anders, als die zuvor in
Thailand und den anderen Ländern. Statt fünf, hatte es hier wieder 6 Stunden Zeitunterschied. Was so ein relativ kleiner grenzüberschreitender Schritt ausmachen kann, denn ich wurde so spät wach,
dass mir gerade mal 15 Minuten blieben, um abmarschbereit zu sein. Fast wie früher bei der Bundeswehr beim sogen. „Maskenball“ bei dem wir das schnelle Marschbereitsein übten. Na ja, 20
Minuten habe ich gebraucht, und dann stand ich auf der Straße, hatte nun aber auch für den Weg nur eine deutlich kürzere Zeit zur Verfügung, obwohl sie noch für die 6:20 Uhr Fähre reichen würde.
Aaaaber, ich musste mich sputen. Und dann sah ich doch plötzlich nach den ersten 2 oder 300 Metern vor mir ein Trishaw, das sich bewegte. Und es war leer. Es gab also doch immerhin einen aus der
Zunft der Fahrer, der um diese frühe Zeit schon unterwegs war. Und er war sogar bereit mich zur Fähre zu bringen. Juchheißa, nassgeschwitzt war ich auf dem kurzen Stück zwar eh schon, aber der
Fahrtwind kühlte halt auf angenehme Weise doch ein wenig wieder runter. Und, ich kam entscheidende Minuten früher an, als ich es auf meinen eigenen Füßen geschafft hätte. Denn am Anleger lag ein
Fähre und das Personal war gerade dabei die Leinen zu lösen und hatte die Ampel schon auf Rot geschaltet. Netterweise ließ man die Klappe wieder runter und mich aufs Schiff. Ob man das bei uns
auch gemacht hätte? Wohl eher nicht. Aber welche Fähre war das nun? Eine, die sich verspätet hatte? Oder eine, die verfrüht abfuhr? Also stimmten auch die Zeiten auf
dem „timetable“
nicht. Aber auch das war mir jetzt so was von egal, denn meinen Zug würde ich auf jeden Fall ohne Schwierigkeiten oder
weiteres Eilmarschtempo bekommen. Und er stand dann auch schon lang und silbrig glänzend im Schein der Lampen auf dem Bahnhof, so dass ich nahtlos einsteigen und als erster meinen Platz im gut
gekühlten zweiten Waggon einnehmen konnte. Das tat nach der Schwitzpartie erst einmal gut, obwohl es mir später fast ein wenig zu kühl wurde.
Und erster und einziger sollte ich fast die ganze Fahrt über bleiben. Erst ab Ipoh, einer Stadt relativ kurz vor KL, stiegen zwei weitere Passagiere ein. Bis dahin hatte ich einen ganzen Waggon
für mich und in den anderen Waggons gab es nur ein paar Fahrgäste mehr. Wo waren die vollen, ja übervollen Züge Asiens geblieben? In Malaysia schienen die Menschen nicht mit dem Zug zu fahren,
jedenfalls an diesem Tag nicht. Dabei war dieser Zug mindestens so gut, wie die vorherigen, vielleicht mit einem Unterschied, die Außentüren ließen sich nicht richtig schließen. Sie standen fast
alle einen Spalt oder ganz auf, öffneten sich aber in den Waggon, so dass niemand, der sich gegen so eine Tür gelehnt hätte, herausfallen konnte. Aufgefallen war mir das, als ich mir im
Speisewagen am Tresen einen Kaffee und etwas zu essen kaufte und sich direkt hinter mir so eine sperrangelweit offene Tür befand, die sich im Schaukeln des Waggons hin und herbewegte und mich mit
Frischluft versorgte. Ich muss gestehen, dass das an dieser Stelle schon ein etwas seltsames Gefühl in mir auslöste, zumal die Schwankungen ganz schön heftig waren und unverhofft kamen. Aber so
weit ich weiß, haben wir niemanden auf der Fahrt verloren und es schien auch niemanden zu stören. Incl. des Zugpersonals. Dafür wurden bei jedem Halt die seitlichen Edelstahl Griffstangen, an
denen man sich beim Be- oder Aussteigen festhalten konnte, von einem Zugbegleiter peinlichst mit einem Lappen poliert. Und was mir auch aufgefallen war, im Gegensatz zu Thailand oder anderen
asiatischen Ländern, in denen ich mit dem Zug fahren konnte, gab es hier auf der Strecke von Butterworth nach Kuala Lumpur keinen einzigen der alten schnuckeligen Bahnhöfe mehr. Sie sahen alle
aus wie eine moderne nüchterne Haltestelle bei uns; aus Stahl und Glas und typisiert. Auch die kleinen Verkaufsstände auf den Bahnsteigen fehlten und raubten ihnen das Flair, das mir immer wieder
auf meinen Zugfahrten klar gemacht hatte, du fährst mit einem asiatischen Zug und befindest dich auf einem asiatischen Bahnhof. Und so gab es natürlich auch die Verkäufer nicht mehr, die durch
den Zug gingen und die Fahrgäste mit allem Nötigen versorgten. Leider. Daher ja auch mein Besuch im Speisewagen ~ den ich hier in diesem Zug zum allerersten Mal betreten hatte ~ weil ich mich
natürlich in Erwartung all dieser Gegebenheiten mit nichts eingedeckt hatte. Aber trotz all dieser Dinge kam ich dann nach fast acht Stunden in Kuala Lumpur an. Auch hier hatte die bekopftuchte
Fahrkartenverkäuferin uncharmant mit der Zeit gemogelt.
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