Etappe 6 ~ von So. 26. bis Do. 30.08.2007
Meine Sieben-Sachen vorne und hinten im Gleichgewicht haltend, hüpfte ich dann ~ ziemlich neugierig auf das, was kommen würde ~ vom Dampfer und stellte dabei fest, dass es immer besser klappte, mich unter dem Gewicht zu bewegen. Zumal ich zusätzlich mit einer Hand Merlin bei seiner, wie schon gesagt, nicht ganz leichten Alukiste tragen half. Es muss bei uns ähnlich ausgesehen haben, wie bei den zuvor beschriebenen Auswanderern. Nur dass die halt noch Holzkisten und diverse Koffer schleppten.
Dann aber, nachdem jeder von uns das Thema Pässe hinter sich hatte, kam das Größte. Ich dachte noch so bei mich bei, dass es das jetzt wohl gewesen war. Merlin steigt zu seiner Studentin, die ihn
abholen wollte ins Auto, und ich suche nach irgendeiner Busfahrgelegenheit. Minibusse sollte es auch hier geben, und ich hoffte, dass bereits irgendein Gefährt schon auf mich
wartete und dort ablieferte, wohin ich wollte, bzw. musste. Ein bisschen mulmig war mir schon, aber dazu hatte ich mir extra die Anschrift des Hostels in Schönschrift auf einen Zettel gemalt, um
sie dem Fahrer unter die Nase zu halten. Zu sehen war aber noch nichts.
War auch nicht nötig, wie sich herausstellte, denn in meine Überlegungen drangen plötzlich ein paar Worte, mit denen Merlin Chrystina fragte, deren Name mir da natürlich noch unbekannt war:
„Kriegst du den und sein Gepäck auch noch in dein Auto?“
Erst jetzt bekam die junge Dame mit, dass da noch jemand das Schiff verlassen hatte und wir wurden miteinander bekannt gemacht, wobei Chrystina natürlich von meinem Vorhaben erfuhr. Großkuck, gefolgt von ihrer Äußerung:
„Die Mama und ihre Freundin fahren auch noch mit.“
Wobei Letztere gar die Fahrerin und Besitzerin war.
Chrystina: „Wir probieren, ob's passt.“
Vorher lernte ich aber erst noch die Mama plus Freundin kennen, jedoch ohne jegliche Verständigungsmöglichkeit, wenn Chrystina nicht gewesen wäre, denn sie sprach Deutsch. Anschließend wurde probiert, um dabei wieder einmal festzustellen, dass nichts über einen Opel mit riesigen Kofferraum geht, in den auch noch mein Gepäck hinein passte.
Und dann ging's auch schon los, nachdem ich zuvor noch ein Geräusch kennen lernte, dass ich noch oft hören sollte. Das amerikanisch klingende Pfüht, Pfüht der Schließanlage. Laut und deutlich, fast schon wie eine Alarmanlage.
Apropos Alarmanlage, wie ich lang und schmutzig herausfinden sollte, ist Litauen das Land der Autoalarmanlagen. Es scheint hier kein Auto ohne so ein Teil zu geben, und sei es noch so eine olle Kiste. Und alle jaulten andauernd los. Wenn ein Motorrad an einem parkenden Auto vorbeiknattert, wenn jemand laut hustet und sogar prophylaktisch. Will heißen, Autos gaben ohne ersichtlichen Grund einen kurzen Jaulton von sich ~ wie ein Hund im Schlaf ~ blieben einen Moment still in sich versunken stehen und jaulten erneut kurz los. Das ging dann einige Male so und dann war Pause. Bis zum nächsten Mal. Das aber wusste ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht.
Dafür lernte ich auf den ersten Kilometern Schlaglöcher kennen, in denen sich ein geschickter Mensch hätte verstecken können ~ ein kleiner natürlich nur ~ bei denen ich ins Grübeln kam, was mit Rad und Achse eines Autos passiert, wenn so ein Krater übersehen wird. Aber was machte ich mir da Gedanken, ich, der ja seit kurzem autolos war und somit in diese Verlegenheit eh nicht kommen würde.
Dann waren Mama & Freundin dort, wo sie hin wollten und wo auch Merlins Gepäck erst mal parken sollte, bevor es dann später für die beiden nach Vilnius weiter gehen sollte. Und, was noch wichtiger war, wir befanden uns bereits so nah an meinem Hostel, dass wir per pedes dorthin laufen konnten. Mein erster Gang durch litauische, klaipedische Straßen, mit ihren unbekannt klingenden Namen.
Das Ganze war gleich mit einer ersten Lektion verbunden, denn ich erfuhr, dass das Wort „Gatve“, das auf jedem Straßenschild auftauchte, nichts anderes als Straße bedeutet. Und damit hatte ich doch bereits eine wichtige Orientierungsinformation ~ ich wusste ab jetzt mit unerschütterlicher Sicherheit, wenn ich das lese, befinde ich mich auf einer Straße und nicht im Park.
Sorry, das klingt jetzt vielleicht etwas sarkastisch, ist aber nicht so gemeint, zumal die nächste Info lebensrettend sein könnte, jedenfalls dann, wenn ich mich daran halte. Wir hatten gerade Grün, als Chrystina darauf hinwies, dass ich mich auf gar keinen Fall darauf verlassen sollte, dass dieses Grün für einen Fußgänger das Gleiche bedeutet, wie in Deutschland.
Und sie hatte Recht, wie ich immer wieder erleben konnte. Ohne diese Info hätten sicher demnächst immer wieder meinetwegen Reifen gequietscht ~ oder auch ich, je nachdem. Aber was soll's, ein wenig mehr Selbstverantwortung könnte jedem unserer sicherheitsverwöhnten Stadt-Land-Dorf-Bewohner gut stehen. Und das nicht nur beim Straßeüberqueren. Wie ich meine.
Und dann standen wir vor dem Haus mit der Nr. 7, schauten uns fragend an, weil nirgendwo ein Hinweisschild zu sehen war. Und der Gesamtzustand des Hauses ließ auf den ersten Blick vermuten, dass das Hostel verlegt worden war. Aber nachdem wir das Haus dreiseitig umrundet hatten und einige Eingänge gecheckt hatten, entdeckten wir auf der vierten etwas, was zeigte, dass wir, besser ich, hier absolut richtig waren, nämlich das Schild einer internationalen Jugendherberge.
Und so folgte dann die Verabschiedung und das Versprechen, dass ich mich in Vilnius bei Merlin melde, wenn ich denn immer brav beim Straßenwechsel aufpasse und dann hinein, ins „International Youth Hostel“.
Größer könnte der Kontrast zur vorherigen Juhe kaum sein. Und auch das bitte wieder ohne Wertung. Ich wohnte ab jetzt hier für die nächsten Tage in der wahrscheinlich kleinsten, abgefahrensten, internationalen Juhe, die man sich denken kann. Es gab ganze 2½ Zimmer, in denen zusammen ca. 20 oder 22 Betten standen, incl. einiger Klappliegen. Dann gab es noch einen Raum, in dem die beiden Betreiberinnen, 2 entzückende litauische Mädchen, zu Hause waren, sowie mehr oder weniger in einem Raum zusammen gefasst, 1 mini Küchenzeile incl. typischer Eckcouch mit kleinem Couchtisch und einen PC Platz fürs „free internet“ in einer Ecke vorm Fenster, 1 Schuhregal ~ da niemand mit seinen normalen Tretern dort herumlaufen durfte ~ und 2 innenliegende WC's und 1 Bad mit 2 Duschen plus Waschmaschine, die von diesem Allraum abgingen.
Jeden Mittag von 14 bis 15 Uhr war „Sperrstunde“, was bedeutete, dass die Tür des Hostels wegen Säuberungsarbeiten verschlossen wurde. Selbst wenn jemand Sturm läutete,
hatte er keine Chance. Man konnte die Zeit entweder außerhalb verbringen oder auf seinem Bett. Da waren die beiden Ladys gnadenlos.
Die „Nähe“, in und mit der hier alles ablief, ist, wenn man es nicht selbst erlebt, kaum zu beschreiben. Wenn irgendeine Mahlzeit dran war, drückte sich alles irgendwie in diesen, nicht gerade großen Raum hinein, schmierte sich sein Brot auf den Knien, kochte Kaffee, spülte und fand irgendwie und irgendwo einen Platz. Wenn nicht, aß derjenige halt im Stehen und wartete darauf, dass ein anderer seine Mahlzeit beendete.
Aber das ganze Gekrusche machte irgendwie Laune, auch wenn es mal wieder recht gewöhnungsbedürftig war. Denn dazwischen wuselten dann noch diejenigen herum, die ins Bad oder auf die Toilette wollten, bzw. mussten. Genial, wie hier alles auf kleinstem Raum funktionierte und ablief. Und die Leute liebten es, die, die mit mir hier waren und die, die vor uns da gewesen waren. Wie sich an den vielen Dankesbildchen, Dankesskizzen und Dankestexten zeigte.
Dabei wäre ich hier beinahe gar nicht untergekommen, obwohl ich im Voraus gebucht und meine Anzahlung geleistet hatte. Denn ich stand nicht auf der Liste. Und da es bereits Nachmittag war, war wohl schon wieder Aufnahmeschluss und es wurde eng mit den 20 / 22 Betten.
„Have you booked?“, wollte die Hostel-Fee wissen, die mir die Tür geöffnet hatte. Worauf ich dann erst einmal mein „jes“, auf ihre Frage beweisen musste. Und dazu hatte ich doch Gott sei Dank 'ne Bestätigungsmail auf meinem Rechner und bekam anschließend auch postwendend mein Bett in einem dieser beiden Zimmer. Wobei zu meinem noch das halbe gehörte, in dem immer mal ein Pärchen und einmal sogar eine 4-köpfige Familie nächtigte.
Und heute würde ich selber zum ersten Mal hier schlafen, jedenfalls nachdem ich mich mit allem eingerichtet und vor allem, erstmalig Geld umgetauscht hatte. Denn ich sah mich außerstande, die übliche Vorauskasse zu leisten, da der Euro noch nicht als gültiges Zahlungsmittel galt.
Allerdings war Sonntag. Aber meine Empfangsfee wusste Rat und erklärte, wie ich zu den nötigen litauischen Talern, den Litas kommen würde. Und es machte mir überhaupt nichts aus, jetzt in einer mir völlig fremden Stadt quer hindurch ans andere Ende zum einzig erreichbaren Geldautomaten zu fahren. Im Gegenteil, es machte einen Heidenspaß.
Und so erfuhr das, was sich auf der Fähre bereits als Freiheitsgefühl angekündigt hatte, hier seine Verstärkung. Hinzu kam, dass ich nun wusste, dass es dieser Schritt aus dem alles und jeden einengenden Deutschland heraus war, der sein musste, weil er fällig, längst überfällig war.
Ich kann es nicht anders sagen, aber mir ging es auf meiner ganzen, bisherigen Fahrt noch nicht so gut wie hier, obwohl mir fast nur noch Englisch als einziges Verständigungsmittel zur Verfügung stand. Allenfalls noch Hände & Füße. Die vielen deutschsprachigen ~ vor allem ältere ~ die es hier noch geben sollte, hatten sich alle verkrümelt. Trotzdem gab es das sichere Gefühl, dass meine Reise nun immer mehr zu dem wurde, was ich mir von Anfang an vorgestellt hatte.
Und da konnte auch nichts daran ändern, dass ich heute, am heiligen Sonntag erst einmal eine kleine Weltreise mit dem Bus Nr. 8 machen musste, um in einer riesigen Shopping-Mall Geld zu wechseln. Oder dann abends irgendwie versuchen musste, etwas zwischen die Beißerchen zu bekommen.
Ich bin dann, nachdem ich Kilometer um Kilometer abgespult hatte ~ und mich (noch) nicht so richtig wegen Fremdelns in irgendetwas reintraute ~ in einer Pizzeria gelandet, was sich aber als Reinfall herausstellte, denn ich habe noch nie so besch... italienisch gegessen (Fertig-Lasagne in eleganter Alu Schale aus dem Tiefkühlregal eines drittklassigen Supermarktes). Aber die Inhaber haben wohl mehr auf Pizzeria gemacht. Und ganz sicher wäre eine Pizza die bessere Wahl gewesen, denn die nach mir Kommenden haben nur so etwas bestellt. Aber so ein Teil hatte ich mittags schon und eigentlich bin ich ja nur der Not, bzw. dem Hunger gehorchend, am gleichen Tag noch mal in so ein Lokal marschiert.
Auch am Montagmorgen ~ und den ganzen Rest des Tages ~ hatte ich diese Empfindung, angekommen zu sein, obwohl nichts, aber auch gar nichts „normal“ war. Zuerst bekam ich zu hören, dass es im Hostel kein Frühstück gibt. Hier ist Selbstversorgung mittels Einkauf angesagt. Ob es ein Café in der Nähe gibt, wusste auch niemand. Und dann bin ich losmarschiert. Nada ~ auch im nahen Bahnhof nicht ~ bis ich dann eine Tankstelle sah, und dachte, da könnte es doch etwas geben. Und richtig, ich konnte es schon von weitem lesen „kavina“ o.ä., was mich an Kaffee erinnerte. Also hinein, in die gute Stube, in der es Tische und Stühle. sowie einen Tresen mit allerlei Essbarem gab, was mich aber nicht sonderlich anlachte. Und keiner kapierte so richtig, das ich etwas anderes wollte.
Eines der Mädchen sprach 3 Worte Englisch, aber nicht genug, als dass sie gerafft hätte, dass ich bred or rolls wollte. Sie erzählte etwas von Blinis, ein Wort, von dem ich wusste, dass man das essen kann und es bestellte. Darauf bekam ich so etwas ähnliches wie Crêpes, gefüllt mit Gehacktem und einer weißen Creme, die an Creme fraiche erinnerte. Ja, und einen Kaffee hab ich auch bekommen.
Okay, es war vielleicht nicht das „earlypeace“, was ich gerne gehabt hätte, aber es hat Laune gemacht, zumal weitere Leute herein kamen, und ich sehen konnte, was sie bestellten.
Dann bin ich zurück zum Hostel und hab erst mal gefragt, wo die anderen einkaufen gehen. Ein Rumäne nahm mich quasi an die Hand und lieferte mich an einem Supermarkt in der Nähe ab und dort kaufte ich dann ein, um nicht die ganze Zeit nur Blinis oder gruselige Lasagne essen zu müssen.
Anschließend lief ich erneut los, Richtung Altstadt usw. Es war einfach nur gut und völlig anders, als meine Laufereien in den ostdeutschen Städten. So stolperte ich regelrecht gleich mehrmals über diese teuren „Hummer“, meistens sogar als Strech-Limousine und entdeckte zweimal eine Post, von denen eine aussah, als wenn das Gebäude zuvor als Kirche gedient hätte. Aber beide hatten ein völlig antiquiertes Ambiente. Vor allem die zweite, eine klitzekleine Poststelle, war wie aus dem Bilderbuch. Später Jugendstil, schätze ich. Ich habe erst mal (wieder per Zeichensprache) gefragt, ob ich überhaupt fotografieren darf ~ ich durfte. Ganz in der Nähe gab es einen kleinen Buchladen, der internationale Bücher anbot ~ auch aus Deutschland ~ der mit einfachen Mitteln in einer Weise eingerichtet war, wie es bei uns, wo etwas nur dann taugt, wenn es teuer war, kaum möglich gewesen wäre. Und fast nebenan gab es einen schnuckeligen Souvenirladen, in dem sogar ich etwas hätte finden und kaufen können.
Irgendwann fing es dann wieder an zu pladdern, aber dank meiner Regenjacke ging es. Dennoch marschierte ich erst einmal zu meiner Bleibe zurück. Menschenskinder, auch wenn nichts Großartiges passiert war, war das alles schon absolut großartig genug. Und dann hörte ich im Hostel auch noch mit einem Ohr einem Österreicher zu, der mit seiner Familie (Frau plus 2 Kindern) aus der Richtung kam, in die ich weiterziehen wollte. Die vier waren ebenfalls mit Bahn & Bus unterwegs, und wir verabredeten, später noch reden zu wollen. Denn es wimmelte hier in dem Moment von deutschsprachigen Leutchen, die meisten nicht aus Deutschland. Das war gestern noch anders. Es war aber auch ganz nett, mal wieder auf die vertraute Weise zu kommunizieren.
Um es vorweg zu nehmen, die für mich brauchbareren Informationen kamen dann später von dem gleichen Rumänen, der mir den Supermarkt gezeigt hatte. Amedeo, aus Bukarest, mit dem ich dann sogar mit der Bahn, statt mit dem Expressbus nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens, weiter gereist bin.
Er hatte gute Argumente, wie mehr Platz, sich mal bewegen zu können usw. Auch damit erfüllte sich wieder eine der Prognosen, dass ein Traveller abschnittsweise mit jemandem gemeinsam ein Stück des Weges ziehen kann.
Ich hatte mir das bisher noch gar nicht so richtig vorstellen können und nun sollte auch das bereits so ziemlich am Anfang meiner Reise, bzw. Weiterreise geschehen, die dieses Mal schon mit frühem Aufstehen, nämlich 5 Uhr 45 beginnen würde. Der Zug sollte um 6 Uhr 45 abfahren und die Tickets mussten vorher auch noch gekauft werden. 41 Litas (umgerechnet ca. 14 €) würden sie kosten, für etwas mehr als 300 Km und etwas mehr als 5 Stunden Fahrt, fast ans andere Ende des Landes.
Vorher war aber noch die Kurische Nehrung mit Nida und Palanga, direkt an der Ostsee und ohne Haff, angesagt. Prima mit dem Bus erreichbar. Ersteres allerdings zusätzlich mit der Fähre. Beides wäre ein Grund, um genau wieder hierher zu kommen und dann mehr Zeit mitzubringen.
Die Landzunge der Kurischen Nehrung mit seinen Gewässern auf beiden Seiten ~ Ostsee auf der einen, das Haff auf der anderen ~ Nida mit seiner Dünenlandschaft, die
schier überwältigend ist, in der man stundenlang laufen kann und immer wieder Neues entdeckt. Dem Thomas Mann Haus, das ich mir natürlich nicht angeschaut habe ~ hatte ich mich doch als Pimpf
schon mit seinen Büchern rumgequält ~ und was es sonst noch so an kleinen Schmankerln für mich gab. Z.B. den Ausblick von ganz oben auf das ruhige Haff linker Hand und der etwas rauhen Ostsee
rechter Hand, sowie Europas größte Wanderdüne, über die der Wind in einer Weise strich, die es keinem Sandkorn erlaubte, sich länger auszuruhen, als eben nötig. Und weit & breit kein Mensch,
nur ich. Ein Gefühl übermannte mich, das ich nicht zu beschreiben vermochte, aber mich (fast) abheben ließ, um mit den Sankörnern und dem Wind weiter zu ziehen.
Oder später dann den Fisch, den ich mir nach Landesart zubereitet gönnte. Selten ein so leckeres Teil gegessen. Und das alles unter strahlender Sonne, obwohl es morgens noch so gegalltert hatte, dass ich diese Fahrt beinahe sausengelassen hätte.
Nach Palanga (einen Tag später), bin ich eigentlich nur gefahren, weil Amedeo es mir wärmstens empfohlen hatte. Und er hatte recht. Ein bezaubernder Badeort ohne schon mondän zu sein. Man sah ihm aber an, dass er bereits in Richtung westlicher Gleichmacherei unterwegs war. Dennoch gefiel es mir hier fast noch besser, weil die „Baltic Sea“ sich von ihrer ursprünglichsten Seite zeigte. Stürmischer, fast wie die Nordsee ~ die rote Fahne hing aus ~ und der Himmel war mit Wölkchen und Wolkenbildern gesprenkelt, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Beinahe hätte ich die Speicherkarte meiner kleinen Ixus nur mit Wolkenfotos gefüllt.
Dieser Ort hatte etwas, was mich sehr ansprach, ohne dass ich hätte sagen können, wieso. Egal, ob es der Strand war, die Straßen, die ich entlang lief oder der Park mit seinen Statuen, den verschlungenen Wegen, teilweise mit Ausblick auf die Ostsee, der Kapelle, mit dem magischen Sonneneinfall durch das Fenster oder dem Schloss, mit seiner Bernsteinsammlung und anderem.
Ach ja, Merlin habe ich in Klaipeda auch noch einmal getroffen. Wir hatten uns per Mail verständigt, da mein Handy in Litauen seinen Dienst aufgegeben hatte, und sind dann eine Weile durch die mir und ihm inzwischen nicht mehr fremde Stadt gelaufen und haben erzählt, wie es jedem seit der Fähre ergangen war.
Die Dienst-Quittierung meines Handys lag übrigens nicht an einem Defekt oder so etwas, sondern an unserer raffgierigen Telekom, die selbst so ein Billig-Handy nicht simlock frei abgeben wollte. Na ja, ich hatte auch nicht danach gefragt, weil ich gar nicht auf die Idee gekommen war, dass es bei einem vertragsfreien Handy auch noch diese Hürde zu nehmen galt.
Also erkundigte ich mich bei Hannes & Krannes per Mail nach einer Möglichkeit, wie ich diese blöde Sperre aufheben könne. Denn die Erlaubnis der Telekom ~ die für diesen Liebesdienst mehr als das Dreifache des Verkaufspreises sehen wollte, nämlich 99 € ~ würde ich nicht einholen. Lieber würde ich mir erneut ein günstiges Auslandshandy kaufen und dann darauf achten, dass es frei ist.
Aber dieser Weg über einen speziellen Zahlencode ~ oder wie auch immer ~ reizte mich natürlich sehr, zumal er gut zu meiner Abnabelung von unserem Paragraphen-Deutschland passte. Nur leider kannte ihn niemand in meinem Freundes- und Bekanntenkreis oder wollte sein Wissen nicht mit mir teilen.
Sei's drum, dann gäbe es halt keine SMS mehr oder den einen oder anderen kurzen Anruf. Außerdem gab es ja auch inzwischen Skype.