Canberra ~ Australian Capitol Territory
Etappe 61 ~ von Mo. 02.02. bis Do. 05.02.2009
Ich wollte sie sehen, die Hauptstadt Australiens, auch wenn ich immer wieder zu hören bekam, dass sich der Abstecher nicht
lohne. Langweilig sei es dort und was es sonst noch an negativen Meinungen gab. Na ja, das alles mochte ja irgendwie zutreffen, aber solche Meinungen sind ja immer subjektiv, und so wollte ich
mir lieber meine eigene bilden. Zumal Canberra gerade mal erst etwas um die 100 Jahre alt ist (Grundsteinlegung am 12. März 1913) und als Regierungssitz und zu Anfang nur als eine Art
Beamtenstadt aus dem Boden gestampft wurde, weil es zwischen Sydney und Melbourne damals ein Gerangel gegeben hatte, das nicht von schlechten Eltern gewesen sein soll. Bei diesem Gekabbel ging es
darum, welche von ihnen denn nun die besseren Voraussetzungen hätte, um Hauptstadt werden zu können. Aber die Regierung machte beiden Städten einen Strich durch die Rechnung, denn keine bekam den
Zuschlag und es entstand nicht nur eine neue Stadt, sondern gleich auch ein neuer, wenn auch kleiner Bundesstaat. Vergleichbar vielleicht mit unseren Bundesländern wie Berlin usw. die nur wenig
Fläche neben ihrer reinen Fläche als Stadt besitzen.
Canberra ist aber nicht nur Sitz der Regierung ~ deren Gebäude in einem Hügel hinein gebaut ~ besser der Hügel drumherum und darauf angeschüttet wurde ~ und einer riesigen, luftigen vierseitigen
Edelstahl Pyramide, die nur durch ihre Kanten bestimmt wird und schon von weitem zu sehen ist ~ sondern auch Universitätsstadt, was die Beamtenstadt natürlich abmildert und durch die Studenten
lebhafter und frischer erscheinen lässt. Ohne dieses Flair, wenn nur das langweilig konservative Gehabe der Politiker das Erscheinungs- und Stimmungsbild der Stadt bestimmen würde, sähe es hier
wohl wirklich trübe aus. Mir wurde ganz anders, als ich die Ahnenreihe der bisherigen Staatsvertreter in Öl an den Wänden des Regierungsgebäudes hängen sah. Selbst der Eindruck, den unsere CDU
Politiker auf Bilder aus den Fünfzigern und Sechzigern machen, erschien mir progressiver zu sein. Manoman, ich denke, uns Heinrich Böll hätte bei dem, was diese Gesichter ausstrahlten, auch hier
genügend Stoff für sein Buch «Ansichten eines Clowns» gefunden.
Was mir aber auch auffiel, noch bevor ich dort eintrudelte, war die Tatsache, dass ein Australier den Namen seiner Hauptstadt anders, nämlich umgekehrt betont, wie wir. Er betont auf der ersten
Silbe, während wir die beiden letzten hervorheben. Also Canberra, nicht
Canberra. Wobei
Canberra von „Kamberra“
abgeleitet wurde, womit die Aborigines einen Versammlungsort bezeichnen. Und da ich nun mal der Aussprache gelandet bin,
möchte ich noch von einem ganz bekannten, in diesem Fall deutschen Wort berichten, welches hier Gang & Gäbe ist, und das ebenfalls anders als bei uns ausgesprochen wird. Das ist das Wort
Aldi. Jaaaa, Aldi hat sich auch hier zumindest schon mal in den größeren Städten breit gemacht, wenn auch (noch) nicht so flächendeckend. Hier kommt für das A ein O zum Einsatz. Von der Betonung
her wie in Most, Holz oder lang gezogen wie in booh eyh im Ruhrpott. Und das hört sich für meine Ohren weitaus niedlicher an, als unser hartes Aldi. Aldi spielt in Australien sogar so etwas wie
eine Sonderrolle, denn die Läden schließen um 18 Uhr, nicht wie die anderen, um 22 Uhr oder Mitternacht. Aber Sonntags hat auch Aldi geöffnet, wie alle anderen Supermärkte und die meisten Läden
im Innenstadtbereich. Ebenfalls aufgefallen war mir ~ und das schon von Anfang an ~ dass Australiens Mütter wahrscheinlich den Weltrekord an Zwillingsgeburten für sich beanspruchen können und es
vielleicht sogar auch bereits getan haben. Ich habe noch nie so viele Zwillingskinderwagen gesehen wie hier. Und das nicht nur in einer Stadt, sondern in jeder, in der ich bisher
war.
Was ich aber besonders lustig fand, war die Bestätigung einer alten Aussage, die da besagt, dass sich Mode Trends ca. alle
50 Jahre wiederholen. Und in Australien begegnete mir auf Schritt und Tritt etwas, was meine Kumpels und ich damals mit 15 / 16 genauso begeistert auf dem Kopf durch die Gegend trugen, wie
heutige junge Leute zwischen 18 und 30. Nämlich einen Hut in einer ganz bestimmten Form, von der ich nicht weiß, wie sie heute genannt wird. Bei uns hieß das Jäger- oder Tirolerhut, den man recht
verwegen in den Nacken, ins Gesicht oder seitlich verschoben tragen konnte. Damals bestanden sie aus typischen filzigen Hutstoffen, in gedeckten und konservativen Farben, manchmal aufgepeppt
durch eine kleine Feder oder eine Art Gamsbart. Heute sind sie aus allen möglichen Materialien, farbig, geschlossen, geflochten, aus Leder, aus Kunststoff und was weiß ich. Und sie werden
ebenfalls von den jungen Frauen getragen, während sie damals nur den Jungens vorbehalten waren. Mir waren diese „höchstmodernen“ Kopfbedeckungen zwar schon zuvor auf
meiner Reise aufgefallen ~ die erste fiel mir bereits in Peking auf ~ dort aber lange nicht in der Menge wie hier. Es ist schon lustig, alten Bekannten nach so langer Zeit wieder zu begegnen.
Zumal es nicht der oder die einzige war. Denn auch die sogen. Hotpants, die Anfang der 70-er von allen jungen und älteren Ladys begeistert getragen wurden ~ egal, wie sie an ihnen aussahen ~
feierten ihr Comeback. Auch bei ihnen hat sich nichts geändert, je kürzer und knapper, desto lieber. Sie werden auf Teufel komm raus gekauft und mit selbstsicherem Hüftschwung auch in Übergrößen
durch die Gegend bewegt. Aber das hatte natürlich nichts oder nur wenig mit Canberra zu tun, obwohl sie mir auch hier begegneten.
Diese Stadt, die ich mit all ihren Angeboten als großzügig und weitläufig geplante und angelegte Stadt empfand, hinterließ sie einen recht angenehm Eindruck auf mich. Woran sicher auch der
riesige See„Lake Burley Griffin“ maßgeblich beteiligt war, der seinen Namen dem Architekten und Stadtplaner Canberras verdankt und von ihm geplant wurde. Er schlängelt sich malerisch durch die
Stadtlandschaft und teilt sie in zwei Hälften. Er wird von zwei, im Winkel zueinander gebauten Brücken überquert, die auf diese Weise die Straßenverläufe ~ wie die Seiten eines riesigen
Tortenstücks ~ in Richtung Regierungshügel führen. Auf den Schautafeln, die überall herumstehen, bietet das ein imposantes Bild. Wobei die anderen Straßen und Freiflächen wie Verzierungen wirken,
und der See wie ein Klecks Sahne auf dem Stück Kuchen liegt, auch wenn das in Natura nicht so deutlich erkennbar ist. Neben einer der beiden Brücken explodiert je nach Saison, zwei- oder dreimal
am Tag eine Fontaine, der „Captain Cook Memorial Water Jet“ der
immerhin 147 Meter in den Himmel steigt. Gut als Gesamtbild zu sehen war sie vom National Museum of Australia, das sich auf einer Halbinsel
befindet. Ein Gebäude mit einer herrlich verrückten Architektur, teilweise mit ebensolchem Inhalt, auch wenn es natürlich die „normalen“ Ausstellungen ebenfalls gab. Und ~ wie auch noch ein anderes in Canberra und anscheinend alle Museen in Australien ~ eintrittsfrei. Es sieht so aus, als mutierte ich hier im Land langsam
aber sicher zum Museumsgänger. Nicht weil der Besuch kostenlos ist ~ das gefällt mir zwar, ist aber nicht der Grund, und ich wünschte es mir für Deutschland auch ~ sondern weil die bisherigen
australischen Museen, in denen ich war, einfach interessant daher kamen.
Interessant
war auch, dass ich, als alte Eis-Naschkatze, das McDonald Softeis für mich entdeckte. Ging die Zahl meiner Besuche dieses
Lokals damals in Moskau wegen des Hotspots in die Höhe, so stieg sie hier erneut an, weil sie in Canberra ihr gut gefülltes Hörnchen mit Eis für 30 australische Cent verkauften. 15 Euro Cent,
bzw. ca. 30 alte deutsche Pfennige, hat ein Hörnchen mit Eis zum letzten Mal in meiner Kindheit gekostet und es hatte sogar die alte Fingerhut Form. Und das musste ich doch ausnutzen, zumal es
recht gut schmeckte. Der Preis ist aber wohl von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, denn später in Melbourne (Victoria), kostete es dann 50 Cent. Aber kein Grund, um McD. nun wieder zu
meiden. „One ice cream please.“ wurde langsam aber sicher zu einem wichtigen Bestandteil
meines Wortschatzes.
Aber auch das 30 Cent Eis konnte mich nicht länger in der Hauptstadt halten, obwohl am nächsten Tag das einwöchige und größte Heavy Metal Festival «Metal for
the Brain» beginnen sollte. Zumal hier bereits die ersten Übernachtungsprobleme anfingen und sich bemerkbar machten. Umzug war
angesagt, Gott sei Dank nur von einem Zimmer ins nächste. Aber schon das ist etwas, was mir überhaupt nicht behagt. Wenn ich irgendwo angekommen bin, möchte ich meine Klamotten unter und neben
meinem Bett verstauen und sie für meine gesamte Aufenthaltszeit dort gut deponiert wissen. Aber zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie sehr sich dieses Thema in Melbourne noch beleben ließ.
Und da sich der Zug leider als die teurere Variante herausstellte, war mal wieder ein Greyhound Ticket, und eine Nachtfahrt nach Melbourne fällig. Ich trat diese Fahrt dann um 20 Uhr 30 an, in
der Hoffnung, mit dem Eintauchen in die Dunkelheit endgültig die Ostküste mit ihren Auswüchsen hinter mir gelassen zu haben und langsam das Australien zu finden, das ich immer noch erfolglos
suchte.
Canberra Fotos