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Der Beginn des Lebens  von Oodgeroo Noonuccal

 

 

Eines Tages erwachte die Regenbogenschlange aus ihrem Schlummer und bahnte sich einen Weg durch die Erdkruste, wobei sie die Steine beiseite schob, die ihr im Wege lagen. Als sie sich durchgezwängt hatte, blickte sie um sich und zog in allen Richtungen durch das Land. Sie reiste weit und weiter, und wenn sie müde wurde, rollte sie sich zusammen und schlief. Sie hinterließ schlingernde Spuren auf der Erde und den Abdruck ihres schlafenden Körpers. Nachdem sie die ganze Erde bereist hatte, kehrte sie an ihren Ursprungsort zurück und rief den Fröschen zu: „Kommt heraus!"


Die Frösche brauchten lange, um unter der Erdkruste hervorzukommen, denn ihre Bäuche waren schwer vom Wasser, das sie während ihres Schlafes dort gelagert hatten. Die Regenbogenschlange kitzelte ihre Bäuche, und als die Frösche lachten, floss das Wasser über die Erde und füllte die Spuren auf, die die Regenbogenschlange auf ihrer Wanderung hinterlassen hatte ~ und so entstanden die Seen und die Flüsse.


Daraufhin wuchs das Gras, und Bäume sprossen hervor, und so begann das Leben auf der Erde. Alle Tiere, Vögel und Reptilien erwachten und folgten der Regenbogenschlange, der Mutter des Lebens, durch das Land. Sie waren glücklich auf der Erde, und ein jedes lebte und jagte mit seinem eigenen Stamm. Die großen und kleinen Känguru- und Emustämme lebten in den Ebenen. Die Reptilien-Stämme lebten zwischen den Felsen und Steinen, und die Vogel-Stämme flogen durch die Lüfte und lebten in den Bäumen.


Die Regenbogenschlange erließ Gesetze, die alle befolgen sollten, aber einige waren streitsüchtig und wurden zu Unruhestiftern. Die Regenbogenschlange schimpfte mit ihnen und sagte:
„Jene, die meine Gesetze achten, will ich großzügig belohnen. Ich werde ihnen einen menschlichen Körper geben. Sie, ihre Kinder und ihre Kindeskinder sollen diese Erde für immer bewohnen. Dies soll ihr Land sein. Jene aber, die meine Gesetze missachten, werde ich bestrafen. Sie werden zu Steinen werden und nie mehr über diese Erde wandern."


So wurden die Gesetzesbrecher in Steine verwandelt und erstarrten zu Bergen und Hügeln, um für ewige Zeiten über die Stämme zu wachen, die zu ihren Füßen jagten. Aber denen, die ihre Gesetze achteten, schenkte sie einen menschlichen Körper und gab jedem von ihnen sein eigenes Totem: nämlich des Tieres, Vogels oder Reptils, von dem er abstammte. So erkannten sich die Stämme an ihre Totems: Känguru, Emu, Rautenschlange und viele, viele andere. Und damit niemand hungern musste, befahl sie, dass kein Mensch Tiere seines eigenen Totems essen dürfe, sondern nur solche von anderen Totems. Auf diese Weise gab es genug Nahrung für alle.


So lebten die Stämme miteinander in dem Land, das die Regenbogenschlange ~ Mutter allen Lebens ~ ihnen gegeben hatte, und sie wussten, dass es immer ihr Land sein würde und dass niemand es ihnen jemals wegnehmen sollte.


Mit freundlicher Genehmigung der Edition Isele www.edition-isele.de