Mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien usw!

 

 

Cha Am am Golf von Thailand

 

 

Etappe 37 ~ von Di. 22.04. bis Pfingstsonntag 11.05.2008

 

Das neue Erlebnis sah dann so aus, dass ich frühzeitig am Hua Lampong Bahnhof aufkreuzte ~ nachdem ich mich durch den Sky Train- und Metro-Frühverkehr mit seiner ganzen Fülle der Zur-Arbeit-Strebenden gekämpft hatte ~ um zum ersten Mal ein Ticket erst am Abfahrtstag für einen „Ordinary Train“ zu kaufen. Was neben den anderen Unwägbarkeiten auch bedeutete, dass es keine reservierten Plätze gab, und ich mich wie alle anderen nach dem Motto: „Wer zuerst kommt, sitzt zuerst.“ um einen Platz für mich und mein Gepäck bemühen musste. Aber das hatte ich ja in China mehr als einmal trotz Platzkarte trainieren können, wobei es damals ja mehr um den Platz fürs Gepäck ging, der Sitzplatz war ja durch die Reservierung gesichert.

Am Schalter herrschte gähnende Leere, niemand wollte anscheinend nach Cha Am fahren. Aber vielleicht war ich auch einfach nur zu früh dran und der Ansturm auf die Karten begann erst später. Nur dass dem nicht so war. Ich war nämlich, obwohl ich fast eine Stunde vor der Abfahrtszeit am Schalter stand, eher einer der späten Kartenkäufer. Denn als ich auf den Bahnsteig kam, konnte ich nur staunen über das Völkchen, das sich familienweise, in sonstigen Gruppierungen und auch einzeln ~ wie ich ~ entlang der Schienen auf Bänken, Gepäckstücken und dem Fußboden schon in Warteposition breit gemacht hatte. Und ich fragte mich, wann die ersten wohl am Schalter gewesen sein mochten. Dieses Bild erinnerte mich ein wenig an die biblische Geschichte vom Auszug aus Ägypten, bei dem sie in ähnlicher Form mit Sack und Pack in den Startlöchern gesessen haben müssen. Ich konnte mich nur noch irgendwo dazwischen quetschen und hoffen, dass der Zug die gewohnte Länge von 14 oder mehr Wagons haben würde. Die er natürlich nicht hatte, als er endlich ~ im Gegensatz zu allen bisherigen Zügen ~ nur wenige Minuten vor der Abfahrtszeit in den Bahnhof zuckelte.

Und nun wurde es es spannend. Denn ich hatte ungefähr in der Mitte des langen Bahnsteiges meine Warteposition eingenommen, weil ich dachte, so ggfls. wahlweise nach links und rechts in einen der Wagons einsteigen zu können. Aber auf Grund des kürzeren Zuges hielten erst der vorletzte und insbesondere der letzte Waggon so passgenau vor mir, dass ich nur noch in den letzten einzusteigen brauchte. Und das ~ ohne zu drängeln ~ als erster, so dass ich flugs einen Platz für mich und mein Gepäck hatte. Am Gang, selbstverständlich, aus bekannten Gründen der Bein- und sonstigen Bewegungsfreiheit. So etwas kann man doch nur als Glück einer Fahrt im
„Ordinary Train“ bezeichnen, dass sicher auch alle anderen empfanden, die fix die restlichen Plätze belegten. Tja, und all die vielen Menschen, die weiter vorne auf dem Bahnsteig auf den Zug gewartet hatten, drängten nun nach und fanden immerhin noch in den Gängen einen Stehplatz, so dass in diesem Zug niemand auf den Trittbrettern mitfahren musste.

Und dann ging's raus aus Bangkok in dem gleichen gemütlichen Zuckeltempo, mit dem der Zug in den Bahnhof eingefahren war. Und das war und blieb so, so dass der Zugführer es doch glatt schaffte, etwas mehr als eine Stunde länger bis Cah Am, meinem Zielbahnhof, zu brauchen. Vier, statt der drei Stunden auf dem Fahrplan angegebenen Stunden. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, denn wir mussten weder auf der Strecke, noch in den Bahnhöfen auf einen anderen Zug warten oder einen passieren lassen, noch gab es sonstige Verzögerungen oder Aufenthalte. Vielleicht war ihm einfach nur nach langsam, dieser Zug konnte nicht schneller oder der Fahrplan hatte einen Druckfehler.

Aber auch der langsamste Zug kommt ja irgendwann mal an, und so musste ich mich von meinen Mitreisegefährten, einem graumelierten Herrn, einer älteren Dame und einer kompletten jungen Familie ~ die alle noch weiter nach Hua Hin fuhren ~ verabschieden. Da die ältere Frau recht gut Englisch sprach und der graumelierte Herr ein wenig, klappte es mit einer Unterhaltung recht gut, und ich erfuhr alle möglichen Details über Cha Am und das nur 26 entfernte Hua Hin, incl. der Empfehlung eines Guesthouses dort direkt am Meer und Verhandlungsargumenten für einen günstigen Preis. Auch sie wussten, dass von Ausländern ein höherer Preis verlangt wird. Aber erst einmal sollte es für mich ja Cha Am sein, die Empfehlung meines eventuellen SERVAS Gastgebers Soung aus Yangon in Myanmar.

Cha Am machte mir deutlich klar, wie schnell sich alles verändern kann, denn die Angaben in meinem deutschen, in Bangkok gebraucht gekauften Lonely Planet von 2006 waren so etwas von überholt, dass es ganze Hotels, Restaurants und Internet Cafés schon nicht mehr gab. Ein Wunder das der Ort noch existierte. Und so bezog ich für die erste Nacht ~ weil es ja nun doch etwas später geworden war ~ ein Zimmer im zweiten angesteuerten Hotel an der langen Strandstraße, der Ruamchit Road. Aber es war klar, wenn ich es hier ca. 3 Wochen aushalten wollte, musste ich am nächsten Morgen eine zumindest etwas einladendere Bleibe finden oder nach Hua Hin weiterfahren und dort nach dem empfohlenen Sirima Guesthouse fahnden. Und nach einiger Suche fand ich dann aber etwas passendes. Ebenfalls an der mit alten Bäumen bewachsenen Strandstraße. Leider mal wieder ohne Internet Möglichkeit, was allerdings in dieser Stadt generell Standard zu sein schien. Es ist nämlich ein Küstenbadeort, der fast ausschließlich von Thais besucht wird, die an den Wochenenden in Scharen mit wildbemalten doppelstöckigen Super-Bussen und eigenen Autos angerauscht kommen, so dass der lange Strand dann schon recht gut gefüllt aussieht und Mallorca-Feeling aufkommt. Am 1. Mai ~ der auch hier ein Feiertag ist ~ hatte ich gar den Eindruck, dass halb Thailand hier aufgekreuzt war. Aber dennoch verteilten sich die Massen recht gut an dem langen Strand, den ich dann im Gegensatz dazu, unter der Woche fast für mich allein hatte.

Besagte Thais fahren mit ihren Familien, Freunden oder auch allein hier her, um sich komplett angezogen in die Fluten zu stürzen ~was mich immer wieder an Fotos aus Kaiser Wilhelms Zeiten erinnerte, als das bei uns auch in ähnlicher Form üblich war ~ und nicht, um hier ihre E-Mails zu checken oder im Internet zu surfen. Und so konnte es passieren, dass ich am Tag der Arbeit ~ als ich meinen Strandspaziergang machte ~ von vielen Thais auf Grund meiner ganz normalen Badehose mehr oder weniger angestarrt wurde. Ich konnte auch keinen Thai entdecken~ auch kaum Kinder ~ die annähernd soviel Haut zeigten. Einmal wurde ich wohl deswegen ~ wie sich herausstellen sollte ~ sogar von einer besonders amüsierten Groß-Familie aufgefordert, unter ihre 6 zusammengestellten Sonnenschirme zu kommen, um mich dann wie gehabt, erst einmal auszufragen. Aber irgendwann kamen sie dann zur Sache und wollten wissen, ob wir reichen Deutschen kein Geld für eine größere Badehose hätten. Da war ich nun wohl mit meinem schicken Badehöschen genau in dem Fettnapf gelandet, vor dem der Reiseführer normalerweise immer die Damenwelt
warnt, den Einheimischen nicht mit zu knappen Bikinis auf den moralischen Keks zu gehen. Dabei war das Teil, was ich trug, a) kein Bikini und b) für unsere Verhältnisse nun wirklich nicht knapp. Aber eben keine dieser riesigen Schlabberhosen, in die zur Not auch zwei Leute hinein passen. Und wenn man sich ihre Strandgarderobe so ansah, dann kam ich schon ganz schön pin up mäßig daher. Na ja, jedenfalls hatte ich mein Fett weg und überließ die Groß-Familie ihrem Spaß. Womit ihn schließlich alle Beteiligten hatten, ich, der nicht umhin konnte, als sich über ihr Strand Outfit zu mokieren, mit dem sie in den meisten Fällen im trockenen Zustand gleich vom Strand zum Bummeln oder in die Disko hätten gehen können ~ obwohl mir der kulturelle Hintergrund durchaus bewusst war ~ und sie, die sich über meine Badehose hermachten. Halleluja.

Und da die Thais, wie schon angedeutet, hier her fahren, um Sand und Meer zu genießen ~ die Sonne wohl eher weniger, da sie selbst hier am Strand mit ihren zu Sonnenschirmen umfunktionierten Regenschirmen rumlaufen ~
gibt es an dieser quirligen Strandstraße kaum ein Internet Café. Eins hatte ich zwar am ersten Tag entdeckt, aber das mochte mich mit meinem eigenen Notebook nicht akzeptieren. Und so musste ich weiter suchen, bis ich dann doch in einiger Entfernung noch ein zweites fand, das einem hier lebenden Engländer gehörte, der natürlich in meinem Notebook kein Problem sah. Ich weiß auch nicht, warum hier manche Jungs immer so'n Schiss vor einem fremden Computer haben, schließlich will ich die Nutzungszeit ja nicht geschenkt. Und den Spruch mit dem Virus, den ich ja einschleppen könnte ...?!? Aber nun denn, es ist nun mal so. Inzwischen habe ich zwar noch weitere I-Cafés entdeckt, aber die sind noch weiter entfernt und befinden sich in der eigentlichen Stadt, und dort hin müsste ich mit 'nem Mopedtaxi fahren.

Tja, und nun befinde ich mich hier in der thailändischen Sommerfrische und mache fast Urlaub wie ganz früher, in dem ich am Strand lang laufe, im Meer schwimme, lese, die Menschen beobachte ~ insbes. die Strandläufer, die in Scharen den ganzen Tag, ihre Metalldetektoren schwingend den Strand wahrscheinlich nach verlorenen Münzen oder Schmuckstücken absuchen und manchmal sogar etwas finden ~ und mir dazu meinen Sonnenschirm und meinen Liegestuhl jeden zweiten Tag von der gleichen Vermieterin geben lasse, genau meinem Hotel, dem Scandy Resort gegenüber. Nur jeden zweiten Tag, weil ich meiner Alabasterhaut immer einen Tag Pause gönnen möchte, solange sie sich noch nicht an den Schweißbrenner der südlichen Sonne gewöhnt hat. Und die hat es ja nun wirklich in sich, bei ihrem inzwischen schon fast senkrechten Stand. Mein Schatten ist jedenfalls ganz schön kurz geworden, und als ich mal auf 'ner Karte nach schaute, wo sich denn wohl der Äquator rumtreiben könnte, stellte ich fest, dass ich gar nicht mehr soooo weit davon entfernt bin. Irgendwo in Indonesien werde ich diese magische Linie überschreiten. Vielleicht ja sogar auf einem Schiff mit Äquator Taufe und so.

Noch konnte ich bis auf meine Erkundungs- oder Spaziergänge alle anderen Aktivitäten gut sein lassen, aber ich werde mir ~ trotz Linksverkehr ~ sicher noch ein Moped mieten, um nach Hua Hin zu fahren und auch um die Umgebung ein wenig abzuklappern. Diese Geräte kann man hier für 200 bis 400 Baht, also 4 oder 8 Euro pro Tag mieten, je nachdem wo man fragt. Eine besonders geschäftstüchtige Vermieterin wollte mir ihre fahrbaren Untersätze sogar für 1000 Bath schmackhaft machen. Und auf meine Frage, warum sie mich, nur weil ich Ausländer bin, über'n Tisch ziehen wolle, obwohl die Preise auf der ganzen langen Straße nahezu identisch seien, hatte sie glatt noch eine schlagfertige Antwort parat. Es wäre doch wohl klar, wenn der Mietpreis für eine Stunde 100 Baht kostet, dass ein ganzer Tag dann schon 1000 kosten müsste. Na super, bei den anderen kostet die Stunde ebenfalls 100 Baht und so steht fest, dass ich bei dieser Rechenkünstlerin sicher kein Moped mieten werde.

Aber erst einmal musste dieser Plan für eine Weile in den Hintergrund rücken, wie auch das Schwimmen im Meer. Genauer gesagt, habe ich ihn auf Grund der Ereignisse gar nicht in die Tat umsetzen mögen. Denn auf dem Rückweg einer meiner ausgedehnten Spaziergänge ~ schon wieder auf der Strandstraße ~ passierte etwas, mit dem ich ja mein Lebtag nicht gerechnet hätte. Ein Hund kam um die Ecke ~ nicht um dem Koch ein Ei zu stehlen ~ sondern mir hinterrücks ins Bein zu beißen, eine Handbreit über'm Knöchel. Gott sei Dank aber nicht so, wie ich mir einen Hundebiss immer vorgestellt habe ~ so richtig mit Schmackes, bis auf die Knochen und mit der ganze Schnauze ~ sondern eher etwas vorsichtig, so dass es nicht einmal richtig weh tat. Es war mehr ein Zwicken, dass zwar meine kostbare Haut an einigen Stellen durchlöcherte, aber mehr nicht. Jeder, der einen Hund hat, kennt das. Das Tier zieht den vorderen Teil der Leftzen etwas zurück, so dass die Fangzähne zu sehen sind, was immer ein bisschen aussieht, als ob der Hund sich eins grinst. Und so kann er wohl auch nicht richtig zubeißen, höchstens zwicken. Und das macht ein Hund z.B. wenn es ihn irgendwo juckt. Und genau in dieser Position lag der Köter geduckt hinter mir auf seinen Vorderpfoten und griente mich an.

Das Ganze fühlte sich im ersten Moment, bevor ich ihn gesehen hatte, auch nicht nach einem Biss an, sondern als wenn jemand zuerst mit etwas nicht allzu festem mein Bein berührte ~ ich musste an einen Fahrradreifen denken ~ dem dann ein harter Gegenstand, wie z.B. einer vorstehende Schraube o.ä. folgte und den leichten Schmerz erzeugte.

Aber als ich realisierte, was passiert war, geschah noch etwas anderes, mit dem ich ebenfalls nicht gerechnet hätte. Etwas, was ich in dieser Form in meinem Verhaltensrepertoir noch nicht kannte und noch nicht erlebt hatte. Ich wurde von jetzt auf gleich wütend. Aber nicht der Form dieser sogen.
„roten Wut“, die einen kaum noch wissen lässt, was man tut. Nein, diese fühlte sich kalt und irgendwie berechnend an, und ich versuchte diesen Hund mit meiner Tasche ~ in der sich ein dickes Buch und eine Wasserflasche befand ~ und meinen Füßen irgendwie aus dem Verkehr zu ziehen. Und mir war in diesem Moment absolut klar, dass er es nicht überlebt hätte, wenn ich ihn denn erwischt hätte. Aber das Biest war jedes Mal schneller und so spielten wir eine Weile erfolglos Fangen auf der Straße, bis mir einfiel, dass es Wichtigeres im Moment geben könnte, nämlich zu einem Arzt zu gehen. Zumal dieser sandfarbige Köter gar nicht daran dachte sich zu stellen oder noch einmal auf mich loszugehen. Entweder rannte er weg oder blieb in einigem Sicherheitsabstand zähnefletchend stehen.

Bis jetzt war ich auf meiner Reise an hunderten, vielleicht sogar tausenden Straßen-, Dorf- und Stadtkötern, oft genug nur im Zentimeterabstand, ohne jegliche Behelligung vorbeimarschiert, und nun das hier. Ein Hund schleicht sich von hinten an und schnappt ohne jegliche Vorwarnung zu. Das ist kein normales Hundeverhalten. Der eine oder andere hatte mal geknurrt oder gebellt, aber jede dieser Situationen war harmlos, da sie es nie ernst meinten und kuschten, wenn ich mich entsprechend verhielt. DAS ist normal. Und so war mir natürlich klar, was das u.U. bedeuten könnte. Aber meine Reise mit Schaum vor dem Mund zu beenden und ebenfalls das Verlangen zu haben, harmlose Spaziergänger ins Bein zu beißen, danach stand mir nun wirklich nicht der Sinn. Also musste ich zurück ins Hotel, um zu erfahren, wo mein Hundebiss denn am Wochenende am besten versorgt werden könnte.

Man empfahl mir das Hospital, da es am Wochenende mit den Ärzten nicht so gut aussieht, und schon brachte mich ein junger Mann aus dem Team meines Hotels mit seinem Moped dorthin. Für den Anfang spielte er auch gleich den Dolmetscher und wartete , bis meine Wunde versorgt war, und ich alle Spritzen, sowie Medikamente und Verhaltensregeln für die nächsten Tage bekommen hatte. Und damit stand fest, dass ich eine Weile auf das Plantschen im Meer und sogar auch auf die Dusche verzichten werden müsste, um auf Grund der Wasserqualität eine Wundinfektion von außen zu vermeiden. Und dass ich für den Anfang jeden Morgen zur Wundversorgung und noch für weitere Impftermine im Hospital zu erscheinen hatte. In einem Hospital, dass sich ~ bis auf die Tatsache, dass es dran stand, und hier kranke Menschen behandelt wurden ~ nicht mit einem Krankenhaus unserer Machart vergleichen ließ. Ähnlich dem in Jinan in China. Nur dass es hier noch andere, größere Unterschiede gab.

Ein bisschen erinnerte es mich an Albert Schweitzers Hospital in Lambarene oder an das in dem Film
„Jenseits von Afrika“. Denn auch hier war, bedingt durch das Klima, der ganze vordere Bereich offen gestaltet und es gab keine Türen, mit denen man ihn schließen oder abtrennen konnte. Aber hier spielte sich an unterschiedlichen Stellen alles ab.

So gab es eine Patienten-Anmeldestelle, die in sich geschlossen war, mit den mir sattsam aus anderen Situationen, wie Ticketverkauf, Passkontrolle o.ä. bekannten kleinen Minifensterchen, vor denen selbst die kleinen Einheimischen nur gebückt stehen und ihr Anliegen vorbringen konnten. Es gab diverse Wartezonen und diverse kleine Schreibtische mit adretten Krankenschwestern in Weiß + Häubchen dahinter, die dort alles Mögliche taten. Hier wurde Blutdruck und Fieber gemessen, gewogen, nach dem Befinden des Patienten gefragt, Medikamente bestimmt und in die Krankenakte eingetragen, die dann an der ebenfalls in sich geschlossenen Krankenhaus Apotheke ~ die sich auch hier befand ~ ebenfalls an Minifensterchen abgeholt und bezahlt werden mussten. Und es gab eine Ambulanz mit stets offenen Schwingtüren, in der ähnlich adrette Krankenschwestern alle möglichen Patienten behandelten. Vom fiebernden Kleinstkind, über richtig große Fleischwunden, kollabierte Patienten, bis hin zu leichteren Unfällen oder Patienten, die am Tropf hingen. Alles live, für jeden mitzuerleben. Für empfindlichere Gemüter also absolut ungeeignet. Und dort habe ich nicht ein einziges Mal einen Arzt oder eine Ärztin gesehen. Auch nicht in meinem Fall. Ich habe die ganze Zeit ausschließlich nur mit den
Schwestern zu tun gehabt, die alles in Eigenregie oder Eigenverantwortung abwickelten. Aber gekonnt.

Eine Ärztin habe ich nur gesehen, weil ich eine schriftliche Diagnose für die Auslandskrankenkasse benötigte. Und die erstellte sie in einem kleinen Mini-Sprechzimmer per Hand auf einem kopierten Formblatt anhand meiner Patientenakte. Wobei ihr das Ganze anscheinend so schwer von der Hand ging ~ wahrscheinlich, weil ungewohnt ~ dass sie den englischen Text immer wieder mit thailändischem ergänzte. So hatte sie u.a. als Datum das Jahr 2551 eingetragen ~ in dem die Thailänder sich ja seit dem Wasserfest, ihrem Neujahrstag befinden ~ statt 2008. Wobei das wohl selbst an solchen Institutionen üblich zu sein scheint, denn diese Jahreszahl tauchte auch auf allen Kassenbelegen der Apotheke auf. Ich war also mit einem Schlag ins Jahr 2551 gebeamt worden.

Von diesen Mini-Sprechzimmern gab es drei. Wobei die Ärzte nur Montags bis Donnerstags dort waren und es natürlich in dem Bereich davor an diesen Tagen entsprechend voll war. Freitags, Samstags und Sonntags gab es keinen Arzt, außer vielleicht im absoluten internen Bereich, in dem ich ja nicht war. Aber auch diese kleinen Kabuffs hatten Türen, die aber ebenfalls permanent offen waren, so dass mit etwas gespitzten Ohren, zumindest die beiden direkt vor den Türen wartenden Patienten informiert wurden, was hier gerade abgehandelt wurde. Und amit jeder der Wartenden eine Chance bekam, wurden diese zwei Plätze jeweils neu besetzt, nachdem diejenigen, die schon bis hierher vorgedrungen waren, der Reihe nach ohne Aufruf ins Sprechzimmer gingen, nachdem der Vorgänger es verlassen hatte.

Es gab sogar eine Hospital-Hündin, die dort munter, fröhlich, fromm und frei herum spazieren konnte. Mal lag sie einfach nur schlafend mitten im Gang, um sich dann aber auch mal schnüffelnd von einem Wartenden zum anderen zu bewegen. Selbst in der Ambulanz habe ich sie gesehen und niemand schien etwas dagegen zu haben oder sich daran zu stören. Sie gehörte anscheinend zum Inventar. Genauso auch das Spatzenpärchen, dass munter ein und ausflog, weil es sein Nest in einer der Langfeldleuchten in der Wartezone gebaut hatte. Alles easy und völlig unkompliziert. Wobei es allerdings kompliziert wurde, als ich alle entsprechenden Belege statt in Thai, in Englisch haben wollte, da ja die Auslands-KV nur englische oder deutsche akzeptiert. Es gab im ganzen Hospital angeblich nicht einen Computer, auf dem eine englische Sprachkomponente installiert war. Und so kritzelte man mir alles Wichtige in Englisch mit dem Kuli auf die einzelnen Belege. Damit wäre ich vielleicht überall durchgekommen, aber sicher nicht bei uns. Und so strickte ich mir dann auf meinem Notebook anhand des Diagnose Formblattes meinen eigenen Krankenhaus Geschäftsbeleg, auf dem ich alles in gründlicher deutscher Genauigkeit vermerkte, was es zu vermerken gab. Und damit tauchte ich dann wieder im Hospital auf. Es fehlte nur noch der Stempel und die Unterschrift auf dem Ausdruck. Woran beinahe noch alles gescheitert wäre. Aber erst einmal gab es das große Staunen, wie ich denn an diesen Hospital Geschäftsbogen gekommen sei. Dass ich das alles mal eben so selber gemacht hatte, schien äußerst verwunderlich zu sein. Aber nachdem das Staunen sich gelegt hatte, wollte niemand das Blatt abstempeln und unterzeichnen, und ein Arzt war nicht da, weil ich an einem der arztfreien Tage dort war. Das hat vielleicht gedauert, bis ich ihnen verklickert hatte, dass diese Unterschrift nicht von einem Arzt zu stammen braucht, sondern dass jede von ihnen es machen könnte, einschließlich dem Mädchen an der Kasse. Ich habe es schließlich geschafft, musste mir zum Schluss dann noch die Frage gefallen lassen, ob denn der thailändische Stempel in Deutschland anerkannt oder auch Probleme bereiten würde, wenn der Text nicht übersetzt wäre. Ob die Frage nun ernst gemeint oder nur ihr feiner Humor war, konnte ich nicht erkennen. Aber das war mir in dem Moment auch egal.

Auf jeden Fall stand fest, dass ich nun doch auf Grund des Hundebisses genau die Impfungen hier in Cha Am hatte nachholen müssen, die ich in D noch rausgeschoben und nicht für wichtig gehalten hatte, zumal die 10 Jahre noch nicht um waren. Und, dass ich mal wieder ein Antibiotikum zu schlucken hatte. Ein Medikament, auf das ich aus guten, wenn auch anderen Gründen ~ ich mag Pharma Produkte wegen ihrer Nebenwirkungen nun mal nicht ~ schon seit Jahren komplett verzichtet hatte. Und genau dieses Präparat sorgte dann für zusätzliche Stimmung, denn nachdem ich meine Dröhnung die ersten Tage brav geschluckt hatte, stellte sich plötzlich ein Ganzkörper-Juckreiz ein ~ nachdem ich das Präparat schon eigenmächtig wieder abgesetzt hatte ~ zu dem sich dann am dritten Tag dann noch Hauterscheinungen gesellten, die fotografiert, bestimmt in jedem medizinischen Fachbuch als Super-Beispiel für eine Antibiotika Allergie hätten herhalten können.

Und so sah fast mein gesamter Körper schlimmer rotgesprenkelt aus als in Kindertagen, als mich Masern, Röteln oder Windpocken ereilt hatten. Und es JUUUUUCKTE tierisch ~ als wenn ich ein einziger riesiger Mückenstich sei, so dass es kaum auszuhalten war. Bisher hatte ich den Juckreiz der Neurodermitiker nie so ganz nachvollziehen können ~ und schon gar nicht, dass sie sich blutig kratzen können ~ nun glaube ich zu wissen, wie ihnen zumute ist, denn auch ich hätte nichts lieber getan, als mich in dieser Form zu kratzen. Leider halfen mir meine Hausmittelchen bei diesem heftigen Geschehen nicht oder nicht schnell genug. Ich hätte die schlimmste Cortisonsalbe akzeptiert, wenn ich sie denn bekommen hätte. Ich hätte alles genommen, von dem man mir irgendwie Linderung versprochen hätte, frischen Kuhdung, alles. Und so sah mich das Hospital dann am anderen Morgen nach einer ziemlich zerkratzten Nacht schon recht früh, um mir irgendein Mittel aus der dortigen Apotheke geben zu lassen. Mit einem Allergiepass auf thailändisch, einem Antihistaminikum und einer Corticoid haltigen Lotion, sowie den besten Wünschen, überließ man mich dann wieder meinem Schicksal, das erst einmal noch eine ganze Weile von gut einer halben Stunde dauernden Kratzorgien mit kleinen Pausen bestimmt war. GRRRRRR.

SOOOO hatte ich mir meinen
„Urlaub vom Urlaub“ nicht vorgestellt. Aber mit dieser unfreiwilligen, nicht abwaschbaren Ganz-Körper-Bemalung traute ich mich ~ auch als die Bisswunde bereits gut verheilt war ~ dann doch nicht an den Strand. Man hätte glatt den Seuchenschutzdienst o.ä gerufen, um mich zu entsorgen. Gott sei Dank war wenigstens mein Gesicht verschont geblieben, denn sonst hätte ich mich nur noch mit Maske auf die Straße trauen können. Aber auch als ich der Meinung war, dass die Hautverfärbungen sich weit genug wieder dem Normalzustand angepasst hatten, brach ich einen Sonnenbadversuch nach relativ kurzer Zeit wieder ab, da ich die Sonne auf diesen Stellen wie unter einem Brennglas spürte. Also war es noch nichts mit einer durchgehenden Bräune, die ich ja irgendwie angestrebt hatte. Na ja, noch werde ich durch einige sonnenverwöhnte Flecken dieser Erde ziehen und das dann nachholen können. Bali, oder welche andere geeignete Insel oder Strand das dann auch immer sein mag.

Dennoch passierte aber auch Lustiges in der Zeit. Ich bekam nämlich auf einem meiner Streifzüge einen Heiratsantrag. Und zwar von der Inhaberin eines Straßenrestaurants, das gerade ein komplettes, am Spieß geröstetes Schwein zur Schau stellte. Dieser Röstvorgang geschieht per Hand über Holzkohleglut. D.h. ein Familienmitglied sitzt stundenlang auf einem Stuhl vor dem Spieß, auf dem sich das aufgeklappte Schwein befindet und dreht es mit Hingabe. Schon das ist es wert, es gesehen zu haben. Leider hatte ich gerade erst gegessen und somit keinen Hunger, aber trotzdem sah es so appetitlich aus, dass ich stehen blieb. Und das zog dann natürlich gleich die üblichen Fragen nach sich.
„Where are you from?“ Usw. usf. Wobei mein „I am from Germany.“ meiner Gesprächspartnerin ein begeistertes „Ah, you are rich.“ entlockte, was ich wiederum nur guten Gewissens verneinen konnte. Aber sie blieb dabei und vertrat die Meinung, dass ich sicher reicher sei, als die meisten Menschen hier. Und dann kam es auch schon. Sie strahlte mich an und zeigte dabei mit dem Finger auf mich und auf sich und meinte: „marriage, you my husband?!?“ Und dann tauchte auch noch ihre Mutter auf ~ wie ich annahm ~ und versuchte mir ebenfalls klar zu machen, dass das eine gute Idee sei. Na ja, ich sah mich schon das nächste Schwein mit eigener Hand rösten, und da ich noch nie ein guter Grill-Meister war, bin ich vorsichtshalber mal stiften gegangen.

Was meine Weiterreise nach Myanmar angeht, hatte ich mich, auf Grund des Wirbelsturms entschieden, darauf zu verzichten und das Land ggfls. später, auf meiner Rückreise zu besuchen. Irgendwie möchte ich nicht in ein Land reisen, das gerade von einer Katastrophe heimgesucht wurde. Was aber in diesem Zusammenhang interessant für mich war, ist folgendes: Normalerweise wäre ich nämlich jetzt, und zwar seit dem 16.04. dort, hatte aber meinen Flug aus Gründen, die ich damals allerdings selber (noch) nicht so richtig einordnen konnte, auf den 21. Mai verschoben. Je näher damals der Abflugtag rückte, desto unruhiger und nervöser wurde ich, weil irgendetwas in mir zu sagen schien "Flieg nicht". Das ging so weit, dass ich nachts mit dieser Warnung schweißgebadet aufwachte und fast so etwas wie Panik schob. Und das stellte sich danach auch tagsüber immer mal wieder ein. Bis ich dann tatsächlich mein Ticket umbuchte, ab da war Ruhe im Karton. Da ich anfangs mit dieser Unruhe (noch) nicht viel anzufangen wusste, hatte ich wegen dieser Geschichte mit SheeWay, meiner besten Freundin per Mail und Skype besonders regen Kontakt. Und ich kann ihr für ihren Beistand nicht genug danken. Dennoch war es eine äußerst seltsame und denkwürdige Situation, auch für mich, der ja auf diesem Gebiet immerhin nicht ganz unbeleckt ist.

Und so war ab dieser Entscheidung erst einmal alles wieder im Lot und konnte mich wieder auf das freuen, was da vor mir lag. Bis es dann vor kurzem wieder los ging. Ich kann aber nicht mehr sagen wann genau. Und da ich ja zu den Leuten gehöre, die sich keine Nachrichten
anhören oder ansehen, erfuhr ich erst zwei oder drei Tage später von dem Sturm, aber in dieser Zeit ging es mit meiner inneren Unruhe wieder los. Und dann bekam ich den ersten Hinweis auf das Geschehen und habe mir dann doch mal im Internet angeschaut, was passiert war. Am Ende des Liedes stand dann mein Entschluss, nicht zu fliegen. Und so werde ich in Bangkok versuchen, eine Hilfsorganisation zu finden, die das Ticket evtl. gebrauchen kann und es spenden. Oder ~ wenn ich nicht fündig werde ~ versuchen mein Ticket auf Grund der Ereignisse zu stornieren. Ansonsten werde ich noch einen Aushang am schwarzen Brett im Youth Hostel machen und wenn es niemand haben will, lasse ich es verfallen.

D.h. also im Klartext, dass ich mich in den Tagen nach Pfingsten nun schon Richtung Malaysia und Indonesien bewegen werde.
Wobei ich für Indonesien natürlich gerne ein 60 Tage Visum haben möchte, das wiederum nur in Bangkok bei der Indonesischen Botschaft erhältlich ist, nicht an der Grenze und auch nicht in Singapur o.ä. Und hoffentlich geht das schön fix, denn Thailand reicht jetzt fürs erste, auch wenn ich nun den Sündenpfuhl und die Touristen Hochburg Pattaya, sowie Phuket und einige andere interessante Orte immer noch nicht gesehen habe. Außerdem neigt sich mein 7-Tage Nachschlag ~ den ich mir beim letzten Mal in Bangkok im Emigration Office hatte geben lassen ~ auch dem Ende zu, und so werde ich wahrscheinlich, je nachdem wie lange ich auf das Visum für Indonesien warten muss, für ein, zwei Tage Strafzoll wegen Überschreitung der Aufenthaltsdauer zahlen müssen. Ich war nämlich davon ausgegangen, dass ich ohne Visum für Thailand auskommen würde. Tja, manchmal nützten auch gründliche Überlegungen im Vorfeld nichts, wenn es denn dann anders kommen soll. Und ein zweites Mal zeitlichen Nachschlag gibt es nicht.

Und als ich mir dann meine vorerst letzte Spritze hier im Hospital abgeholt hatte, war damit mein seltsamer
„Urlaub vom Urlaub“ auch schon fast zu Ende. Ein bisschen wehmütig war mir schon zumute, da ich hier ja immerhin 22 Tage am Stück, wenn ich den An- und Abreisetag mit zähle (wie in Peking) an einem netten Ort, in einem niedlichen kleinen Hotel mit dazu passender Crew verbracht hatte. Denn am letzten Tag ~ wenn ich irgendwo etwas länger verweilt habe ~ beginnt bei mir dann meistens die Phase, in der mir bewusst wird: „Jetzt gehe ich zum letzten Mal ins Internet Café, jetzt esse ich hier zum letzten Mal zu Abend, jetzt mache ich dieses und jenes, halt alles an diesem Ort zum letzten Mal.“ Und am Tag drauf ~ am Pfingstsonntag ~ sollte mich mein „Ordinary Train“ dann wieder zurück nach Bangkok bringen.

 

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