Mit Bahn, Bus & Schiff nach Australien usw!

Tallinn

 

Etappe 10 ~ von Di. 11.09. bis Mo. 17.09.2007

 

Abfahrt Riga Busterminal 10 Uhr, Ankunft Tallinn 14 Uhr 35. Eine gute Zeit, anzukommen, um alles hinter die Reihe zu kriegen, dachte ich so bei mich bei und versuchte in einer weiteren neuen Stadt ~ ich kann so langsam eine Städte-Sammel-Mappe anlegen ~ am Ankunftsbusbahnhof meine so dringlich benötigte Touristen Information finden. Nichts dergleichen zu entdecken. Klar also, dass auch hier Improvisation angesagt war. Deshalb erst mal ab ins Büro der Buslinie, die mich hier her gekarrt hatte.
Lange Rede kurzer Sinn, wenn es ein Gesetz der Serie gibt, dann habe ich es inzwischen in leichten Variationen bestimmt erfüllt oder bewiesen. Denn auch hier lief alles wieder anders, als gedacht. Und nach einigen Bemühungen der jungen Dame hinterm Schalter stand fest, dass ich eine halbe Weltreise mit der Tram Nr. 2 machen müsse, um zu der Adresse und dem Hostel zu gelangen, das ich mir ausgesucht hatte. Nix mit 50 m vom Busbahnhof entfernt. Irgendwo jottwedee.

Gott sei Dank hatte sie mir einen kleinen Stadtplan in die Hand gedrückt, und gezeigt, wo ich mich befand, und wo ich mit der Linie 2 hinfahren und raus müsste. Auch die Haltestelle hatte sie mir auf einen Zettel geschrieben, SUPER. Und Dank des ein wenig englischsprechenden Linie-Nr.-2-Fahrers gelang alles hervorragend, wenn auch erst nach 12 oder 15 Haltestellen.

Iiiiiirgendwann hatte ich nämlich aufgehört zu zählen und nur noch das ständig wechselnde Stadtbild verfolgt. Spannend, aber nicht gerade beruhigend. Dachte ich doch, ich würde irgendwo in der Walachai landen, weil die Fahrt einfach kein Ende zu nehmen schien. Über ein halbe Stunde waren wir unterwegs, bis es so weit war, dass mein Mann am Steuer der Tram das verabredete Zeichen gab. Husch, husch, bewegte ich mich so leichtfüßig aus seinem Gefährt heraus, wie es mir eben möglich war. Links, rechts, geradeaus, wo mochte diese verflixte Adresse sein.

Und wieder kannte sie erst einmal kein Schwein. Bis ich dann die ersten ahnungsvollen fand, die meinten, dass es iiiiiirgendwo da vorne sein müsse. Vorne hörte sich doch schon mal gut an, obwohl ich erst einmal mein Gepäck noch eine Weile durch die Gegend schleppte. Aber dann wurde ich doch fündig, und das gleich zusammen mit dem Hostel. So stand es jedenfalls dran.

Juchheißa, voll der Griff ins Klo.

Vor dem Haus eine mehrspurige Straße, hinter dem Haus meine riesige Ankunftsbus- und Straßenbahnhaltestelle. Hermetisch abgeschlossen von der Außenwelt durch einem Bretterzaun mit einer verschlossenen Tür.

Und nu?

Bei näherem Beäugen stellte sich heraus, dass dort niemand mehr ein Bett oder Zimmer bekommen würde, denn es war mehr oder weniger eine Ruine, die nur noch nicht abgerissen worden war. Und da stellt sich mir doch glatt die Frage, wer solche Mistangaben zusammenschreibt, sie nie wieder überprüft und dafür auch noch bezahlt wird?

Erst die Sache mit dem Busbahnhof und den 50 Metern und jetzt das. Au man, Kommando zurück, wenn der Schreiberling diesen Busbahnhof hier gemeint haben sollte und nicht den, wo die Überlandbusse ankommen, dann hat er ja Recht, denn mehr als 50 m waren es nicht, die ich bis zu dieser Ruine hätte laufen müssen, wenn ich es sofort geschnallt hätte. Aber trotzdem, wer kommt schon an einem örtlichen Busbahnhof an, wenn es überall im Land spezielle Bahnhöfe für Leute wie mich gibt, an denen dann wiederum keine lokalen Busse halten. Ein Kuddelmuddel. Und vielleicht wurde die Hütte wurde ja erst gestern aufgegeben. Na ja, sie sah zwar nicht so aus, aber wer weiß?


Aber es gab wirklich nur das eine Busterminal, an dem alle Überlandbusse ankommen und abfahren. Von dem ich dann auch weiterfahren würde, wenn es denn dann wieder so weit war. Das Hostel wurde übrigens an dieser Stelle bereits vor über zwei Jahren aufgegeben und existiert an anderer Stelle munter weiter. Erfuhr ich wenig später. Aber noch war jetzt und nicht später. Also, da ich ja lernfähig bin, habe ich mir dieses Mal erst mal 'ne Bank gesucht, mir's gemütlich gemacht, mir 'nen Kaffee kommen lassen ~ nein, den gab's leider nicht ~ statt erneut mit dem Gepäck durch die Gegend zu tapern und die Gegebenheiten anhand meines kleinen Stadtplans sondiert. Und siehe da, gar nicht weit entfernt war auf dem Plan ein dickes fettes, blaues H für Hostel eingezeichnet. Also, nix wie hin und schon stand ich Minuten später vor dem Euro 2 Hostel, begehrte erstens Einlass und zweitens ein Bett. Beidem wurde stattgegeben. Wobei schnell klar war, dass ich baldmöglichst die Touristen Information finden müsste, um in ein anderes Hostel umziehen zu können. Hier wollte ich bestimmt nicht länger als eine Nacht verbringen. Aber es war inzwischen bereits nach 17 Uhr, und ich fand, dass es Zeit sei, wenigstens erst mal 'ne Bleibe für die Nacht zu haben.

Daher nur schnell meine sieben Sachen in das Zimmer gepackt und ab, auf die Suche nach der TI. Und wie vorhin, als ich das Ruinen-Hostel schon vor der Nase hatte, ohne es zu ahnen, hatte ich auch dieses Mal Dusel. Ich befand mich nur ein paar Sträßchen weit vom Info Point entfernt. Und was erfuhr ich hier? Mein gesuchtes Hostel Alur, befand sich in der Nachbarstraße meines Euro Hostels.

Na, so was aber auch. Wenn das nicht alles wieder wett machte?!?

Also im Eilschritt zum Alur, um mir das Teil anzuschauen. Alur hört sich doch gleich besser ~ irgendwie geheimnisvoller an, als Euro 2, oder? Dann in die Nachbarstraße, um das nicht mehr so ganz frische 2 Euro Teil zurück zu geben, sprich dort wieder auszuchecken und meine bereits gelöhnten EEK (Estländische Kronen) aus der Hostelkasse zurückzuverlangen ~ und wider Erwarten, auch zu bekommen ~ und mit meinen Klamotten den Katzensprung in mein Wunsch Hostel zu machen.

Hach, das war ein klasse Gefühl, hier nun mein Bett gleich im doppelten Sinne zu beziehen, denn das Alur erzeugte in mir wieder dieses Wohlfühlgefühl, wie ich es ja schon kannte. Vergessen war der ganze Mist, der dem vorausgegangen war. Aber gefragt habe ich mich schon, was das alles soll. Warum diese Dinge nun schon zum wiederholten Male so komisch laufen, wie sie gelaufen sind.

 

Das Alur befand sich in einem dieser alten Häuser, von denen es hier viele gibt, ohne gleich geschichtsträchtig zu sein und der Raum, in dem ich gelandet war, erwies sich als recht stattlich, ca. 6m und 'n bisschen lang, ca. 4,50m breit und 4m und etwas hoch. Wie das in Altbauten halt früher so war. Es war ein im alten Zustand belassener Raum, mit krumm und schief verputzten Wänden, einer kleinen Nische, in der früher vielleicht eine kleine Muttergottes Statue o.ä. gestanden haben mag und einer weiteren Nische in der Wand, die nur noch wie ein Flachrelief erkennbar war und mächtigen, teilweise bemalten Holzbalken unter der Decke, sowie altem Parkettboden, kein Laminat. Und es war ein 6-Bettzimmer, das sie ohne Probleme auch zum 8-Bettzimmer hätten machen können. Aber so gab es hier nur 2 Etagenbetten und 2 Einzelbetten. Eins davon wurde meins.

Als Mitbewohner hatte ich das australische Pärchen, dem ich bereits in Riga begegnet war und ein schottisches Paar, das bereits 11 Monate, seit Beendigung ihres Studiums unterwegs war und einen ähnlichen Weg hinter sich bringen wollte, wie ich ihn noch vor mir hatte ~ von Tallinn nach St. Petersburg, Moskau, zum Baikalsee. Aber danach ging es für sie über Wladiwostok nach Japan, Südkorea, Hongkong und nach Weihnachten zurück in die Highlands, um dem Ruf des ersten richtigen“ Jobs dann im neuen Jahr zu folgen.

Im Gewölbekeller des Hauses war die Küche mitsamt Essraum untergebracht. Etwas duster zwar, weil Tageslicht nur durch schießscharten ähnliche Fenster spärlich hinein tröpfelte, aber ansonsten ganz nett. Einkaufen konnte man in den kleinen Tante Emma Läden in der Nachbarschaft, wo es alles Mögliche an landestypischem gab. Vom Brot über Brötchen, Gebäck, Käse und Wurst. Damit ließ es sich mehr als nur gut aushalten.

Bevor ich aber all das am nächsten und den folgenden Tagen in Erfahrung bringen konnte, musste ich unbedingt noch nach dem bereits erfolgten Stadt-Schnelldurchgang ein weiteres Mal zur TI und meine ersten wirklichen Erkundungsschritte durch Tallinns Old Town machen, um anzukommen und war gleich hin und weg. Hier war es wieder, wie ich es liebte, hier müsste man wohnen. Jede einzelne Ecke, jedes Detail, alles lachte mich an, begrüßte mich in einer Weise, wie man einen lieben alten Bekannten begrüßt, den man lange nicht mehr gesehen hat. So konnte der Anreisetag gut zu Ende gehen.

Ich entdeckte sogar schräg gegenüber vom Alur ein Plakat, das zum Tango argentino genau in dem Gebäude einlud, an dem es hing. Und da ich lange nicht mehr getanzt hatte, wollte ich abends doch ausprobieren, wie mir dieser Tanz in Estland bekommen würde.

Was soll ich sagen, er bekam mir so gut ~ obwohl ich nur mit den Radiergummi-Sohlen meiner Meindl Treter tanzen konnte ~ dass ich mich fürs Wochenende zu einem estonischen Tango Kurs anmeldete. Der Lehrer aus Argentinien, seine Partnerin Estin. Verständigungssprache Englisch.


Am anderen Tag war ich schon recht früh unterwegs, noch bevor irgendwelche Geschäfte, Kirchen usw. geöffnet hatten. Und da ich gestern meine ersten Schritte bereits mit dem Stadtplan gemacht hatte, um ein Gefühl für das Straßen- und Gassenwirrwar zu bekommen, folgte ich heute einfach meiner Nase und lief drauf los. Na ja, den kleinen Cityplan hatte ich schon in der Tasche. Man kann ja nie wissen, gelle?

Am frühen Nachmittag hatte ich den Eindruck, dass es nun kein Eckchen mehr geben könnte, an dem ich nicht gewesen wäre, incl. erster Schritte in den neueren Teil der City. Das war es, was ich so mochte, dieses Stromern ohne Plan, einfach nur den Reizen folgend, welche eine Stadt und ihre Straßen ausmachen. Und davon gab es reichlich.

Ich bin im Laufe der Tage in Tallinn sogar freiwillig in 3 Museen gewesen ~ fast wären es 4 gewesen, wenn ich eher davon gelesen oder noch die Zeit gehabt hätte. Einem technischen, in einer alten Fabrik (ein bisschen wie das Deutsche Museum in München, nur in Miniaturausgabe), einem fotografischen mit alten Fotoapparaten und Fotos und einem, in einem alten Kornspeicher, dass sich mit Gegenständen befasste, die von moderneren Künstlern aus aller Welt ~ die aber irgendwie mit Tallin und Estland verbunden waren, bzw. sind ~ im Laufe der Jahre für den Alltag, zur Zierde eines Dekolletees, des Heims, usw. gemacht worden waren. Leider war fotografieren nicht erlaubt und an allen Ecken und Kanten saß jemand, der aufpasste.

Und so sprach mich eines dieser ungewöhnlichen Objekte so sehr an, dass ich es beinahe doch versucht hätte. Ein silbernes Schmuckstück, patiniert, das wohl entweder als Brosche oder als Anhänger um den Hals getragen werden konnte. Es stammte von einer amerikanischen Künstlerin, namens Sondra Sherman, wer immer das auch ist. Sie hatte es einer Mutter mit mehreren Kindern gewidmet oder war durch sie inspiriert worden. So ganz habe ich das auch bei den anderen Exponaten nicht gerafft. Jedenfalls gab es immer den Macher, den Künstler und jemanden auf den sich das Teil bezog. Bis hin zu uns Arni Schwarzenegger, gab es da alle mögliche Bezugspersonen.

Für Arni hatte der Künstler so einen richtig dicken, fetten Gürtel aus diversen Materialien entwickelt, der bestimmt gut zu seinem bodygebuildeten Köper passen würde. Auch jetzt noch, in seiner neuen Position. Bei uns zuhause hieß das früher Karnevalsorden.

Aber das Stück, das ich meinte war deutlich zierlicher. Es bestand sinnigerweise aus kleinen zusammengefügten Silberovalen, die die Form der angehängten Objekte aufgriffen, und die innen entsprechend farbig dezent ausgelegt waren. An diesen Ovalen waren Kettchen mit Fassungen befestigt, in die die Künstlerin nicht irgendwelche Klunker eingearbeitet hatte, sondern Tabletten in Oval- und Kreisform. Und zwar diametral zusammen passend. Antidepressiva und Aufputschmittel, Empfängnisverhütungsmittel und Viagra. Und das natürlich in den Farben, in denen es diese Pillen normalerweise gibt. Ich hätte mich wegschmeißen können. So macht mir Museum Spaß.

Auf dem Weg zu der alten Fabrik mit dem technischen Museum, entdeckte ich am Straßenrand in den kleinen Gevierten, die man den Bäumen zugestanden hatte, riesige Champignons, deren Menge für eine gute Mahlzeit gesorgt hätten. Sie schienen die Autoabgase ins Wachstum gesteckt zu haben. Ein Grund, sie nicht zu ernten. Stattdessen fand ich wenig später einen riesigen Laden, dessen Etagen mit kleinen und kleinsten Läden aller Coleur bestückt waren, ähnlich einem Basar, in dem ich auch einen kleinen Rucksack fand, der mein jetziges Daypack ablösen sollte. Das war erforderlich, weil ihm die bisherigen Strapazen nicht gut bekommen waren, und sich langsam auflöste. Ein echtes, gefaktes Stück aus dem Hause mit dem abgenagten Fisch, das natürlich, weil der Fisch fast abgenagt war, zu einem Spottpreis zu haben war. Dieses Gerippe sollte mich nun weiterhin begleiten, nachdem ich es noch ein wenig mit meinem Filzer ergänzt hatte.


Spaß gemacht haben aber auch die Begegnungen mit Barry, einem jungen Engländer, der inzwischen seit 3 Jahren (in Worten drei) unterwegs, und überall auch dort war, wo ich erst noch hin will und herrlich davon zu erzählen anfing, nachdem er von meinem Vorhaben wusste. Und einer älteren Dame, ebenfalls Engländerin. Mit älter meine ich um die 10 Jahre mehr, als ich sie auf dem Buckel habe, also über 70. Irgendwie war besonders auch sie wieder etwas Besonderes, etwas, was man nicht alle Tage trifft. Und schon gar nicht in meiner Situation. D.h. so eine Frau habe ich überhaupt noch nie getroffen.

Ich / wir saßen am frühen Abend gemütlich in unserem Hostel-Zimmer auf unseren Betten und klönten, als die Tür aufging und die Empfangslady“ besagte ältere Person in unser Zimmer und zu dem zweiten Einzelbett geleitete, das sich vor meinem befand. In einer Hand trug sie nur eine kleine Tasche als Handgepäck und in der anderen einen Spazierstock ~ früher hieß das bei uns Krückstock ~ aus dunklem Holz mit silbrigem Griff. Sie war gut gekleidet ~ für ein Hostel eher leicht overdressed ~ und dezent geschminkt. Madam trug einiges an Schmuck, ohne aber überladen zu wirken. Kurzum, sie sah gut aus, wie sie da so stand und wusste das auch, während sie unsere Musterung über sich ergehen ließ und uns ihrerseits musterte. Überall hätte ich diese Frau eher anzutreffen gedacht, als in einem Hostel.

Wie wir bald erfuhren, stammte sie aus London, reiste in dieser Form durch aller Herrgottsländer und blieb meistens nirgends länger als eine Nacht. Sie war bereits in über 50 verschieden Ländern und in vielen auch mehrmals. Sie sprach außer ihrer Muttersprache mindestens noch spanisch, wie sich zeigte, als sie mit dem Spanier auf unserem Zimmer redete. Das schottische Pärchen meinte, dass sie das Englisch der hochnäsigen Engländer spräche, also das Kingsenglish, wenn ich mich recht erinnere. Poosh oder so ähnlich, nannten die beiden das. Aber was soll's, wenn sie langsamer sprach und nicht alles nur so runterrasselte, konnte ich sie auf jeden Fall besser verstehen, als die beiden mit ihrem schottischen Kauderwelsch.

Aber noch etwas an ihr war beeindruckend. Ihre Geräuschlosigkeit. Als sie sich nämlich am anderen Morgen vom Acker machte, tat sie das a) recht früh und b) so leise, dass keiner außer mir etwas davon mitbekommen hatte. Für die anderen war sie später einfach weg. Sie stand so gegen 6 Uhr gaaaaanz leise auf auf, ging genauso leise zum Duschen und machte sich und ihr Minigepäck ebenso leise fertig, dass man sich nur wünschen konnte, das die Backpacker der lauteren und rücksichtsloseren Art ihr mal gelegentlich über die Schulter schauen oder besser hören. Da knisterte nichts, da raschelte nichts, da knallte nichts auf den Boden, da erzeugte kein mit aller Macht zugezogener Reißverschluss das Geräusch einer Kreissäge, da war nur ein schwaches Ahnen von Geräuschen. Herrlich. Ich nahm mir vor, das an meinem bereits schon wieder nahenden Abreisemorgen ebenfalls hinzubekommen.

 

Tja, und was soll ich sagen, die Geschichte mit meinem Handy ~ das sich seit meiner ersten Grenzüberquerung bis hierher erfolgreich geweigert hatte seinen Dienst wieder aufzunehmen ~ erweiterte sich in Tallinn zunächst um das Abschluss-Kapitel, dem dann noch eins zum Einsteigen in fremde Handy-Gewohnheiten folgen sollte.

Ich war im Nokia Shop in der eleganten Shopping Mall in Tallinns modernem Teil gelandet und hatte, wie schon zuvor an anderen Stellen, um Hilfe bei der Entsperrung meines Handys gebeten. Doch statt auch hier ein Nein zu bekommen, gab mir der junge Mann den Rat, in die Tiefen des Gebäudes abzutauchen und neben dem unterirdischen Busbahnhof unter einer Treppe nach einem Secondhandshop für Mobilphones zu suchen. Ich solle einen Gruß von oben bestellen und mein Anliegen erläutern. Dort würde man mir sicher weiterhelfen können.

Und man konnte. Der Typ verlangte umgerechnet knapp 3 Euro, verschwand hinter einem Vorhang, so dass ich leider nicht sehen konnte, was er da wie machte, und dann begrüßte mich ein Handy, das sich genauso frei fühlte, wie ich. Jetzt brauchte ich nur noch eine Sim-, Prepaidkarte oder sonst was in der Richtung, damit ich es wieder benutzen konnte. Und nachdem das mit der Simcard noch in der Shopping Mall für ein Taschengeld geklärt war, stand plötzlich das Nachladen meiner estonischen Karte an, weil man mir die mit den wenigsten Einheiten verkauft hatte. Und das an einem Sonntag.

Woher nun an so einem Tag wieder ein paar Taler auf meine Karte bekommen, da ich doch hier kein Konto hatte oder diesbezüglich übers Internet irgendetwas geregelt bekommen würde. Also musste wieder erst mal die gute Tourist Info herhalten, die natürlich in so einer Stadt auch Sonntags Dienst schiebt.

Ganz einfach, erfuhr ich:

Sie gehen zum nächsten Zeitungskiosk und da können Sie Karten mit unterschiedlichen Aufladungsbeträgen kaufen.“

Meinte Frau TI freundlich lächelnd. Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Dennoch gab es einen Haken ~ wieso auch nicht, gab es doch bereits 'ne ganze Sammlung davon ~ der Begleittext war nur in Estonisch und Russisch. Also versuchten wir, die Zeitungsfrau und ich gemeinsam, die Vorgehensweise zu erarbeiten.

Da stand: 555 wählen, dann die PIN, die sich noch unter der Rubbelschicht verbarg eingeben und anschließend auf die Rautetaste pätten, 5 Minuten warten und dann stehen die gekauften EEK zur freien Verfügung.

Alles klar, das krieg' ich hin, war ich der Meinung und wanderte zu meinem Hostelstübchen, nicht ohne mir vorher noch eine dicke Kugel von den drei, hier in der Altstadt noch zur Verfügung stehenden Eissorten zu genehmigen. Im Sommer hätten sie mehr, um diese Jahreszeit aber nicht, tröstete man mich. Dann in meinem Zimmer, rubbel die Katz den Anweisungen gefolgt, incl. Warten. Und was passierte, nix, wie schon so häufig. Warum trifft es eigentlich immer mich? Shit aber auch.

Zweiter Versuch, vielleicht hatte ich ja was falsch gemacht. Gleiches Ergebnis. Die Empfangslady um Hilfe gebeten, da einheimisch und sowohl des Estonischen, als auch des Russischen mächtig. Dritter Versuch, auch ihre Hilfe brachte kein besseres Ergebnis. Und so folgte ich ihrem Rat und ging zurück zum Kiosk, um das Teil zu reklamieren.

Davon wollte die Zeitungsfrau jedoch nichts wissen und probiert ebenfalls ihr Glück. Genauso erfolglos. Dennoch rückte sie weder die Taler raus, noch eine neue Karte. Und da unsere Verständigung eh nicht die beste, klarste war, verzichtete ich darauf, den Gockel zu machen und folgte ihrem Rat, mich direkt an Tele 2 im Einkaufszentrum zu wenden, wo ich mir auch meine Karte geholt hatte. Also Beine untern Arm und hin. Aber Sonntags?

Nun, sie hatten geöffnet, wie das ganze Einkaufszentrum, obwohl es in den Reiseführern hieß, dass in Estonia der Sonntag heilig sei. Man war sogar zu zweit, und ich sofort an der Reihe, ohne das obligatorische Märkchen ziehen zu müssen.

Der Rest war Minutensache und nun funktionierte es komischerweise ohne irgendwelche Sperenzchen. Da die junge Dame das Ganze im Verborgenen an ihrem PC gemacht hatte, bestand ich darauf, die Vorgehensweise erklärt / gezeigt zu bekommen. Und siehe, da hatten wir den Pferdefuß. Denn nun erfuhr ich, dass die 555 nur für Einheimische gilt. Wenn jemand über den englischen Bereich kommt, bzw. geht, gilt es 333 vorweg zu wählen. So eine hirnverbrannte Sch ..., einen so etwas nicht iiiiirgendwie wissen zu lassen. Aber immerhin funktionierte es jetzt, und ich konnte mein Handy wieder benutzen, was sich an meiner nächsten Station in Narva noch als Segen herausstellen sollte.

 

Vor dieser Prozedur gab es vorweg am Samstag aber noch meinen Busticket Kauf, um nach Narva, der Grenzstadt zu Russland zu kommen. Nicht ohne erneut die Feststellung zu machen, dass Pensionäre ~ oder Seniors“, wie sie in Estonia heißen ~ hier wirklich, anders als bei uns, Vorteile z.B. beim Kauf von Eintrittskarten aller Art haben. Und auch beim Kauf von Fahrkarten, worauf mich der junge Mann der Busagentur sogar aufmerksam machte. Und so habe ich auf den an und für sich schon niedrigen Ticketpreis noch einmal 10% auf Grund meines Senior-Status eingeräumt bekommen und fuhr dann für insgesamt 270 (ca. 18 €) von Tallinn nach St. Petersburg, statt für 300 EEK. Und da ich ~ ohne es hier bewusst eingesetzt zu haben ~ einen kleinen Trick aus einem Reisehandbuch angewandt hatte, wäre mein Ticket, wenn ich den vollen Preis hätte zahlen müssen, sogar noch etwas preiswerter gewesen, als das der beiden Schotten.

Der Autor schrieb nämlich, dass eine durchgängig gebuchte Busreise, die über eine Grenze hinweg geht, teurer ist, als eine in zwei Teilen gebuchte, also ein Ticket bis zur Grenze und eins für den Rest. Wobei das durchgängige Ticket in diesem Fall 325 EEK kostete. Ob meine beiden Schotten das gefuchst hätte?

Na ja, es ging hier bei diesem Spiel ja nicht um große Beträge, es sind immer nur ein paar Euro, die es ausmacht. Aber die würden dann halt an anderer Stelle zur Verfügung stehen, was ja auch ganz nett ist, oder? Z.B. schon bald in Narva.

 

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